01.07.2014, 19.39 Uhr   |   Meinhard Koke   |   Artikel drucken   |   Instapaper   |   Kommentare

„Ziemlich beste Freunde“: Ziemlich bestens gelungen im TiC

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"Ziemlich beste Freunde" im TiC-Theater: Andreas Mucke als Philippe (li.) und Tarik Dafi als Driss. -Foto: Martin Mazur

„Ziemlich beste Freunde“ war ein ziemlicher Hit: Mit über neun Millionen Zuschauern war die französische Filmkomödie der Blockbuster 2012 in den deutschen Kinos, noch vor James Bonds „Skyfall“ oder „Der Hobbit“. Buchstäblich großes Kino also, das Ralf Budde da schulterte, als er am 20. Juni 2014 „Ziemlich beste Freunde“ im TiC auf die Bühne brachte. Funktioniert der Kino-Hit auch auf der kleinen Bühne des TiC-Podiums? Ja, stand nach dem der Schlussvorhang an der Borner Straße fest: Mit Dauer-Applaus und Füßetrampeln feierte das Publikum die Erfolgskomödie im TiC – „Ziemlich beste Freunde“ könnte zum „Blockbuster“ des TiC-Spieljahres 2014 werden.

Das Stück basiert auf der Autobiografie „Le second souffle“ von Philippe Pozzo di Borgo: Der wohlhabende, aus altem Adel stammende Ex-Chef eines Champagner-Herstellers ist seit einem Paragliding-Unfall querschnittsgelähmt. Weiterer Schicksalsschlag ist der Tod der Ehefrau; zumal ihn seine Umfeld fast wie ein Kleinkind behandelt, ist Philippe in seinem „goldenen Käfig“ ziemlich deprimiert. Da bewirbt sich der arbeitslose Driss, Einwanderersohn aus einem tristen Vorstadt-Ghetto, um die Stelle als Pfleger von Philippe – aber nur, damit ihm nicht das Arbeitslosengeld gestrichen wird. Aber eben weil Driss ihn nicht in Watte packt, weil er kein Mitleid zeigt, macht Philippe Driss ein Angebot.

Märchenhaft: Aus der tristen Vorstadt ins noble Stadt-Palais

Philippe wettet, dass er den Pfleger-Job keinen Monat schafft und lobt eine Prämie aus. Driss lässt sich darauf ein – zum Entsetzen der Stieftochter, der Freunde und Mitarbeiter von Philippe zieht der Kleinkriminelle ins noble Pariser Stadt-Palais ein. Philippe massieren, waschen und füttern, das gelingt halbwegs, auch wenn Philippe beinahe aus dem Rollstuhl kippt oder er eine Fußcreme-Haarwäsche erhält. Ihm aber die Stützstrümpfe überzustreifen, nein, das lehnt Driss vehement ab – da werde eine rote Linie überschritten…

Philippe hat im Stillen seine Freude an Driss‘ unkonventioneller Art, an seinen unverblümten Avancen an die Adresse von Privatsekretärin Magali, an Driss‘ unverklemmtem Umgang mit seiner Behinderung. „Ich glaub‘, ich würd‘ mir ’ne Kugel geben“, sagt Driss ungeschminkt: „Das hätte ich mir vielleicht auch schon, aber das ist ein Problem für mich…“, antwortet Philippe. Driss derweil findet durchaus Gefallen an Facetten seines Arbeitsplatzes, am Maserati in Philippes Garage, an der Badewanne in seinem noblen Zimmer und…– auch an Magalie. Driss springt über seinen Schatten, aus dem Arbeitsverhältnis wird allmählich eine ziemlich beste Freundschaft…

Idealbesetzungen für die „ziemlich besten Freunde“

Einige Szenen, die den großen Witz der Kino-Version ausmachen, kommen in der Bühnen-Adaption im TiC nicht vor oder werden nacherzählt, wie die Spritztour im Maserati und der fingierte epileptische Anfall, die Lektion für den Falschparker oder auch die Fütter-Szene. Ralf Budde lenkt den Fokus seiner Zuschauer auf das Wesentliche: die sich entwickelnde Freundschaft der beiden Protagonisten. An Reiz verliert das moderne Märchen dadurch nichts, denn mit Andreas Mucke als Philippe und Tarik Dafi als Driss hat Ralf Budde Idealbesetzungen gewählt.

Die Herausforderung für Andreas Mucke: Als Philippe ist seine Körpersprache auf Null gesetzt. Diese schauspielerische Ausdauerleistung gelingt Mucke brillant, die Begrenztheit auf Mimik und Wort kann Mucke keine Grenzen setzen. Ebenbürtiger Bühnenpartner ist Tarik Dafi: Authentisch spielt der junge TiC-Darsteller den ungehobelten Straßenjungen mit all seiner Frechheit („Keine Arme, keine Schokolade“), Anstands- und Grenzenlosigkeit, aber auch dessen Witz, Herz und Lebensfreude – Tarik Dafi überzeugt in allen Facetten. Gemeinsam lassen Mucke und Dafi die märchenhafte Freundschaft lebendig werden, mit allen ihren berührenden Momenten, aber auch mit jenen, die Spaß machen.

Pfiffiges Bühnenbild, französischer Rap und stimmungsvolle Bilderwelten

Der begeisterte Schlussapplaus galt ebenso Dennis Gottschalk in der Dreifach-Rolle als mal schleimiger oder mal überfürsorglicher Bewerber sowie als spießiger Philippe-Freund Antoine und Livia Caruso, die sogar in einer Vierfach-Rolle als Galeristin, als Brieffreundin Eleonore, als Prostituierte und vor allem als Sekretärin Magali glänzt. Großartig ihre Tanzszene mit Driss zum „Earth-Wind-And-Fire“-Goldie „Do you remember“ oder auch die Register, welche sie bei ihrer erotischen Ohrenmassage für Philippe zieht. Abgerundet wird die hitverdächtige Inszenierung durch ein mal wieder pfiffiges Bühnenbild (Thomas Pfau) sowie durch Umbau-Pausen, die Regisseur Ralf Budde durch an die Wand geworfene Bilder von Hochhauskulissen, Unterwasseraufnahmen oder auch einem Mondhimmel gepaart mit französischem Rap auszufüllen weiß – stimmungsvolle Szenenwechsel!

„Ziemlich beste Freunde“ ist im TiC ziemlich bestens gelungen – Karten sind unter Telefon 0202-47 22 11 oder online unter www.tic-theater.de erhältlich.