22.08.2014, 10.30 Uhr   |   Meinhard Koke   |   Artikel drucken   |   Instapaper   |   Kommentare

Altenzentrum: Erste WG für beatmungspflichtige Menschen

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Stellten die neue WG im Altenzentrum vor: Yevgen Zaytsev, Andreas Polack, Rachel Schneider, Dan Litvan, Rüdiger Hagemeier und Diakoniedirektor Dr. Martin Hamburger (v.l.n.r.).

„Ich denke, das ist sehr innovativ und wir sind damit am Puls der Zeit“, sagte Pfarrer Dr. Martin Hamburger. In einem Pressegespräch stellte der Geschäftsführer der Diakonischen Altenhilfe Wuppertal (DAW) gemeinsam mit seinem Kollegen Andreas Polack in der Tat eine Innovation in der Region vor: Im Evangelischen Altenzentrum Cronenberg, einem von acht Häusern der Altenhilfe, wird eine Wohngemeinschaft für intensiv- und beatmungspflichtige Menschen eingerichtet.

Wie die beiden Altenhilfe-Chefs mit Altenzentrum-Leiter Rüdiger Hagemeier erläuterten, werden im Untergeschoss des Altenzentrums am Eich 7 ab dem 1. September 2014 bis zu neun intensiv- und beatmungspflichtige Menschen ein neues Zuhause finden. Dazu hat die DAW die Räumlichkeiten an die BZ GmbH aus Hannover vermietet – die BZ kümmert sich um die Vermietung und Beratung der intensivpflegebedürftigen Mieter und ihrer Angehörigen. Partner in Sachen Pflege und Betreuung ist die „Bundesweite Intensiv Pflege Gesellschaft vor Ort” GmbH“ (BIPG). Der ambulante Pflegedienst mit Hauptsitz in Hannover hat sich bundesweit auf die Pflege und Betreuung von intensiv- und beatmungspflichtigen Menschen spezialisiert. Die Begleitung und psychosoziale Betreuung der künftigen Mieter und ihrer Angehörigen übernimmt Rachel Schneider von der Firma „Konsensis“.

Ziel der neuen Wohngemeinschaft, welche die erste im gesamten Bergischen sein wird, ist es, intensivpflegebedürftigen Menschen ein eigenverantwortliches Leben in den eigenen vier Wänden zu ermöglichen. Die WG wird auf rund 510 Quadratmetern im Erdgeschoss des Altenzentrums eingerichtet. Die hier bislang untergebrachte Kurzzeitpflege des Altenzentrums wird nach Angaben von Altenzentrum-Leiter Rüdiger Hagemeier dazu in die Tagespflege integriert. In der Wohngemeinschaft werden, wie Dan Litvan (BIPG) und Yevgen Zaytsev (BZ) erläuterten, alle bis zu neun Mieter über ein eigenes Zimmer verfügen. Zudem wird es Räume für die Übernachtung von Angehörigen sowie einen Gemeinschaftsraum mit Küche für gemeinsame Aktivitäten, Gespräche oder auch zum Fernsehen geben.

Etwa 12.000 beatmungspflichtige Menschen in Deutschland

Bundesweit, so schätzt BIPG-Geschäftsführer Dan Litvan, gibt es bis zu 12.000 Menschen, die aufgrund einer Erkrankung oder auch eines Unfalls beatmungspflichtig sind. Die BIPG betreut davon mit ihren etwa 1.000 Mitarbeitern rund 200 Patienten. Die Schwere der Fälle ist durchaus unterschiedlich: So gebe es ebenso beatmungspflichtige Menschen, die einen Ausflug machen könnten, wie Patienten, die im Koma liegen. Alle verbindet, so berichtet Dan Litvan weiter, dass sie zwar gesundheitlich stabil sind, aber eine 24-stündige Betreuung benötigen. Schon allein deshalb, erläutert BIPG-Chef Litvan, weil nicht planbar ist, wann ihr künstlicher Atemweg jeweils abgesaugt werden muss. Rund um die Uhr werden daher speziell geschulte Pflegefachkräfte und Hilfskräfte für die WG-Bewohner zur Verfügung stehen.

WG-Kosten liegen weit unter Krankenhaus-Kosten

Da Krankenhäuser nicht die Kapazitäten haben, um langfristig intensiv- und beatmungspflichtigen Menschen zu betreuen, aber auch weil eine Unterbringung daheim sehr aufwendig ist und vielfach die Kräfte der Angehörigen überfordert, wächst die Zahl der Wohngemeinschaften. Auch wirtschaftlich ist der Bedarf da: Die Kosten für ein WG-Zimmer plus Betreuung liegen nach Worten von Dan Litvan weit unter den Krankenhaus-Kosten. Auch deshalb, so glaubt der BIPG-Geschäftsführer, werde sich die Zahl der WG-Bewohner in den nächsten Jahren nahezu verdoppeln. Die WGs, so betont Rachel Schneider, liegen aber auch auch im Trend, weil sie für die beatmungspflichtigen Bewohner Intensiv-Pflege mit einem privaten Charakter verbinden: „Wir möchten den Menschen gerne ein neues Zuhause schaffen“, so die „Konsensis“-Geschäftsführerin: „Die Bewohner sollen hier ein möglichst selbstbestimmtes Leben führen können – das Angebot soll dem Namen ,Wohngemeinschaft’ gerecht werden.“

Entsprechend werden die künftigen Bewohner nicht nur ihre Zimmer selbst einrichten, sondern zum Beispiel auch ihre Ärzte frei wählen können. Rund 600 Euro warm wird die Miete für einen WG-Platz kosten, sogar Strom oder auch der Bezahlsender „Sky“ sind inklusive, erklärt Vermieter Yevgen Zaytsev (BZ), die medizinischen Kosten werden von der Kranken- beziehungsweise der Pflegekasse übernommen. „Das Thema ,Inklusion’ ist uns wichtig“, unterstrich Diakoniedirektor Martin Hamburger bei der Vorstellung: „In der Wohngemeinschaft bieten sich gute Möglichkeiten für beatmungspflichtige Menschen, hier unter Assistenz ein möglichst selbstbestimmtes Leben führen zu können – das passt zu unserem diakonischen Leitbild.“

Übrigens: Am 23. August 2014  lädt das Altenzentrum Cronenberg zum Sommerfest ein – ab 14 Uhr wird man sich dann sicherlich auch über die künftige Wohngemeinschaft informieren können.