13.01.2016, 16.13 Uhr   |   Matthias Müller   |   Artikel drucken   |   Instapaper   |   Kommentare

70 Jahre danach: Neues Buch zum Burgholz-Massaker

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Co-Autorin Lieselotte Bhatia (li.) mit Zeitzeugin Edith Enz bei der Buch-Vorstellung in der Elberfelder City-Kirche.

„In letzter Minute – Nationalsozialistische Endphaseverbrechen im Bergischen Land“ heißt der 14. Band in der Reihe „Verfolgung und Widerstand“, mit dem sich Lieselotte Bhatia und Stephan Stracke 70 Jahre nach Kriegsende mit Greueltaten in der letzten Phase des NS-Regimes beschäftigen. Neben Erschießungen am Wenzelnberg so auch mit dem „Burgholz-Massaker“: Ende Februar 1945 erschoss ein Hinrichtungskommando aus Gestapo- und Kriminalbeamten 30 sowjetische Zwangsarbeiter, darunter sechs Frauen, im Burgholz.

Im ersten Beitrag des Buches berichtet Lieselotte Bhatia über ihre ganz persönliche Recherche zu den Hintergründen des Massakers. Der Vater der 76-Jährigen, Wilhelm Ober, war Angehöriger der Wuppertaler Kriminalpolizei und an den Erschießungen im Burgholz beteiligt. Ober wurde 1948 von einem britischen Gericht zu zehn Jahren Haft verurteilt. Tragisch empfindet es Lieselotte Bhatia, dass sie erst nach dem Tod des Vaters von dessen Beteiligung an dem NS-Verbrechen erfuhr – sie fand Unterlagen zum Burgholz-Prozess in seinem Nachlass.

Als Kind eines NS-Täters begann Lieselotte Bhatia daraufhin eine ganz persönliche Spurensuche. Die Wuppertalerin recherchiertedetektivisch und engagiert sich zudem: Mit anderen Aktivisten stritt sie für Entschädigungen und beteiligt sich seit 2001 an der Organisation von Besuchsprogrammen für ehemalige Zwangsarbeiter. In Zusammenarbeit mit Stephan Stracke versucht sie zudem, das Rätsel von Gruben im Burgholz zu klären: Wie die CW berichtete, befürchtet der Verein „Spurensuche“, dass diese Gruben Zeugnisse weiterer Erschießungen am damaligen Polizeischießplatz im Burgholz sein könnten.

Weitere Erschießungen im Burgholz? Ermittlungen eingestellt

Sie erstatteten Anzeige bei der zuständigen Dortmunder Staatsanwaltschaft, erst im September 2015 recherchierten Lieselotte Bhatia und Stephan Stracke im „The National Archives“ in London nach möglichen Hinweisen darauf. Stephan Stracke fand neue Ansatzpunkte und zeigte sich überzeugt, dass es mehr Erschießungen im Burgholz gab: „Die Staatsanwaltschaft hat aber alles niedergeschlagen, weil es ihrer Ansicht nach keine Zeitzeugen mehr gibt“, äußerte sich Lieselotte Bhatia bei der Buch-Vorstellung enttäuscht. „Aber hier ist eine Zeitzeugin sogar anwesend“, verwies die Spurensucherin bei der Buch-Präsentation auf Edith Enz – die 100-Jährige saß in der ersten Reihe.

Nach dem Angriff auf Barmen hatte sie den Hitlergruß verweigert, wegen angeblicher „marxistischer Verseuchung“ wurde sie zum Tode verurteilt. Im Gefängnis im Polizeipräsidium hatte Edith Enz Kontakt zu den Zwangsarbeitern und leistete Hilfe nach Folterungen. Edith Enz war bis zum letzten Moment vor dem Abtransport ins Burgholz mit den Zwangsarbeitern zusammen. Unter ihnen war auch Helena Matrosova, das bis heute einzige namentlich bekannt Opfer des Massakers. Für sie kämpft der Verein „Spurensuche“ seit längerem um eine Gedenkstätte und einen Straßennamen in Cronenberg – „auch hier geschieht bisher trotz Absichtserklärungen nichts“, sagte Lieselotte Bhatia frustriert. Die Bemühungen um Aufklärung und Erinnerung an die grausamen Taten im Burgholz gehen jedoch weiter – dafür ist der Verein angetreten.

Das Buch „In letzter Minute – nationalsozialistische Endphaseverbrechen im Bergischen Land“ hat 320 Seiten und ist im „De’Noantri Verlag“ unter ISBN 978-3-943643-03-9 erschienen. Der Preis beträgt 18 Euro.