20.09.2016, 19.30 Uhr   |   Meinhard Koke   |   Artikel drucken   |   Instapaper   |   Kommentare

Reinhold Spielberger: Zum Nordkap und retour – auf dem Fahrrad!

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Geschafft: Reinhold Spielberger mit „Geschafft“-Strahlen am Nordkap-Globus, dem Wahrzeichen der Nordspitze Europas.

„Ihr werdet euch noch wundern, wenn ich erst Rentner bin“, sang Udo Jürgens einst in seinem Hit „Mit 66 Jahren“: „Ich kauf‘ mir ein Motorrad und (…) fege durch die Gegend mit hundertzehn PS.“ Kaum war Reinhold Spielberger im Ruhestand, „fegte“ auch er „los“ – und fuhr zum Nordkap und wieder zurück. Nicht aber auf dem Motorrad reiste der Berghauser zum nördlichsten Punkt Europas – Reinhold Spielberger legte die 7.600 Kilometer lange Strecke auf dem Fahrrad zurück, zumindest 6.100 Kilometer davon.

Mitte Mai nahm der 66-Jährige seinen Traum in Angriff. Zugegeben nicht ganz untrainiert: Nachdem er zuvor für Karriere und Kinder zurückgesteckt hatte, ging er mit 50 wieder auf Angriff: Der damalige Key-Acount-Manager absolvierte Marathons und Triathlons, schaffte 2014 sogar den Ironman auf Lanzarote. Daneben strampelte der verheiratete Vater zweier mittlerweile erwachsener Kinder zum Beispiel auf dem Rhein-Radweg bis nach Konstanz, radelte von Holland nach San Sebastian oder erst im letzten Jahr durch Polen und das Baltikum.

Teil 1 des Traumes: Auf dem Rad rund um Europa

Das war für den unternehmungslustigen Dörper, der zum Leidwesen der Eltern bereits mit 16 Jahren nach Marokko trampte und später zweimal im Geländewagen die Sahara durchquerte, aber nur der „Aufgalopp“. Der große Traum ist: einmal Europa umradeln. Das, lacht Reinhold Spielberger, sei aber bei seiner Ehefrau nicht „genehmigungsfähig“, daher der Kompromiss: ein Vierteljahr für die Nordkap-Tour.

Am 15. Mai 2016 ging’s los: Nach einem kräftigen Frühstück daheim brach Reinhold Spielberger mit 35 Kilo Gepäck und Essen für drei Tage gen Norden auf. Nach Malmö kam ihm die Frau per Auto hinter her. Im Anschluss an eine gemeinsame Woche in Südschweden ging’s über Jönköping und Stockholm nach Turku, Lahti und Joensuu in Finnland. Am Ende seiner im Schnitt 88 Tageskilometer legte sich der „Skandinavientrotter“ abends nicht in ein weiches Hotelbett – Reinhold Spielberger übernachtete in Jugendherbergen oder im Zelt.

„Jedermannsrecht“: Auf Privatgrundstücken übernachtet

Und zwar nicht nur auf Campingplätzen, sondern auch auf Privatgrundstücken. Außer in Dänemark, weiß der Cronenberger, ist das im Norden ein „Jedermannsrecht“ – vorausgesetzt die Grundstücksgröße stimmt und man räumt wieder auf. Der Weg war nämlich auch ein Ziel: Reinhold Spielberger wollte auf seiner Tour ja auch die Menschen vor Ort kennen lernen, und das gelang: „Zu 99 Prozent sagen die Leute ,Ja‘“, ist die positive Erfahrung des 66-Jährigen: Kurz vor Lillehammer durfte er sogar die Küche und das Bad mitbenutzen, verbrachte den Abend gemütlich mit den Hausbesitzern und sprach über „Gott und die Welt“ von der deutsche Besatzung im Zweiten Weltkrieg bis zur Landwirtschaft heute – „so erfährt man einiges“.

Mit Flöten und Klingeln die Bären auf Abstand gehalten

Entlang der russischen Grenze in Finnland wurde die Tour dann immer einsamer: Wälder, soweit das Auge reicht, und traumhafte Seenlandschaften durchquerte Reinhold Spielberger, auf der Straße 965 ging sein Blick regelmäßig in den Rückspiegel: Einem der etwa tausend Braunbären, die dort leben sollen, wollte Reinhold Spielberger nicht ins Gehege kommen. Also flötete oder klingelte er auf der Etappe durch die Einsamkeit vor sich hin – die Bären blieben da in Deckung, nur eine Elchkuh kreuzte den Weg des Dörpers.

Und Olaf aus Hamburg: Vom Nordkap zurückradelnd hatte der Hamburger die Einsamkeit am riesigen Inarisees unterschätzt. Weil er nichts mehr zu essen hatte und keinen Laden fand, war der Hanseate völlig unterzuckert – „ich gab ihm etwas zu essen und nach einiger Zeit fühlte er sich wieder fit“. Aus dem urwüchsigen Finnland erreichte der Cronenberger schließlich Norwegen: Durch „aufgeräumte Landschaften“ mit Landwirtschaft und gepflegten Gärten in kleinen Dörfern, aber dann auch über schroffe Berge mit Temperaturstürzen von über zehn Grad fuhr Reinhold Spielberger weiter gen Nordkap.

„Belohnungen“ als Motivationen für die Rückreise

Unterwegs gesellte sich Martin aus Berlin dazu, mit ihm erreichte der Dörper an seinem 40. Tag und nach genau 3.464 Kilometern das Nordkap. Dort herrschte zwar dichter Nebel, aber das störte kaum: In der Nordkap-Kapelle wärmte sich Spielberger auf und schrieb Postkarten mit dem Sonderstempel der Nordspitze – nach zwei Stunden ging’s wieder los, der Cronenberger nahm die Rückreise in Angriff. Um sich zu motivieren, hatte sich Reinhold Spielberger Belohnungen ausgedacht: Eine erste war eine Etappe mit einem Hurtigruten-Postschiff entlang der norwegischen Küste: „Leider war’s wieder nebelig, aber Hauptsache angenehm trocken.“

Weitere Belohnungen waren die Lofoten mit Stränden à la Karibik und Schnee in den Bergen oder die wunderschöne Insel Senja – dank der „Bonbons“ schaffte Reinhold Spielberger ohne „Durchhänger“ Teil 2 seiner Mammut-Tour. Allerdings nicht ganz bis Cronenberg: In Haltern am See ließ er sich von seiner Ehefrau abholen: „Ich hatte einfach keine Lust mehr, durchs Ruhrgebiet zu radeln.“ Mit einem Energieverbrauch von 161.035 Kilokalorien sowie 39.079 absolvierten Höhenmetern und um zehn Kilo Gewicht leichter war das Soll auch so erfüllt…

Vortrag über Nordkap-Tour bei Laufsport Bunert

„Es war einfach toll“ – keine Probleme, überall freundliche Menschen, „ich habe es nie bereut, alles war okay“, blickt Reinhold Spielberger auf seine „Traum-Tour“ zurück.  Sein Extra-Lob bekommen die Radwege in Malmö und Kopenhagen oder die Tunnel auf Senja in Norwegen: Hier gibt’s Kästen mit Warnwesten, berichtet Reinhold Spielberger begeistert: Am Eingang drückt man einen Knopf und den Autofahrern wird per Signal angezeigt, dass sich Radfahrer im Tunnel befinden – „tolle Einrichtung, da macht Radfahren Spaß“. Und weil es das in Deutschland nicht gibt, war eben in Haltern Schluss…

Über seine „Extratour“ wird Reinhold Spielberger am 29. September im Rahmen eines Vortrages mit vielen Bildern bei Laufsport Bunert an der Friedrich-Ebert-Straße 78 berichten. Der Eintritt um 19 Uhr ist frei, um Spenden für das Kinderhospiz im Burgholz wird gebeten.