30.09.2016, 12.59 Uhr   |   Meinhard Koke   |   Artikel drucken   |   Instapaper   |   Kommentare

„Honig im Kopf“: Auch im TiC-Theater ein berührender Hit

Artikelfoto

Ein (wunderbares) Herz und eine Seele im TiC-Theater: Joachim Rettig und seine Bühnen-Enkelin Michelle Ossowski. -Foto: Martin Mazur

Nach den „Comedian Harmonists“, der „Feuerzangenbowle“ oder auch „Frühstück bei Tiffanys„ und „Ziemlich beste Freunde“ nahm sich das TiC-Theater ein weiteres Mal eines großen Filmstoffes an: Mit „Honig im Kopf“ feierte hier am vergangenen Freitag einer der erfolgreichsten deutschen Kino-Hits der letzten 50 Jahre Erstaufführung.

Nachdem sie in Dieter Hallervordens Berliner Schloßparktheater Premiere feierte, bringt das TiC die Tragikkomödie als eines der ersten Theater Deutschlands  auf die Bühne – was für ein Riecher! Und was für eine Inszenierung! Die süß-freche Emma Schweiger, Dieter Hallervorden in einer der Paraderollen seines Lebens und natürlich der smarte Til Schweiger – man hat ihre Bilder aus dem Kino im Kopf. Kann das TiC da mithalten?

Das Zeug zum „Blockbuster“ im TiC-Theater

Aber locker! Die Fassung von Regisseur Ralf Budde mit Joachim Rettig als Amandus Rosenbach und Michelle Ossowski als Tilda Rosenbach lassen die Kinostars vergessen. Entsprechend belohnte das Premierenpublikum die Budde-Inszenierung sogar mit Füßetrampeln. Wie zuvor im Kino hat auch „Honig im Kopf“ im TiC alles, um ein Blockbuster der Spielzeit zu werden. Zur tragisch-schönen Geschichte: Was bei Amandus Rossenbach mit Wortfindungsstörungen, Vergesslichkeit oder vermeintlichen Missgeschicken beginnt, mündet irgendwann in die Diagnose Alzheimer.

Sohn Nico holt Amandus zu sich: Seine Ehe mit Sarah steht ohnehin auf der Kippe, Amandus’ scheint ihr den Rest zu geben.
Zumal Nico beruflich ebenso eingespannt ist wie Sarah – nachdem Amandus beim Kuchenbacken fast die Küche abfackelt und Sarahs Party in einem Fiasko enden lässt, muss auch Nico einsehen: Sie schaffen es nicht, Amandus muss in ein Heim. Tochter Tilda will das jedoch nicht einsehen: Nachdem sie zuvor erfahren hat, dass es Alzheimer-Patienten gut tun kann, altbekannte Orte wiederzusehen, nimmt die Elfjährige mit dem Großvater nachts reißaus.

Wie im wahren Leben: Lachen und Weinen im TiC

„Kommen die Russen?“, fragt Amandus da und das Publikum lacht. Nein, es geht nach Venedig, wo Amandus mit seiner verstorbenen Frau die Flitterwochen verbrachte. Ob auf der turbulenten Reise, als Amandus im Zug vor der Enkelin einnässt, oder als er vor Nico und Sarah in den Kühlschrank pinkelt – man weiß nicht, ob man lachen oder weinen soll. Einige Zuschauer im TiC sieht man mit Tränen der Rührung in den Augen, andere lachen lauthals – es ist wie im Leben.

Enkelin Tilda macht es vor: Sie nimmt den Opa so wie er ist, sie holt ihn in seiner traurigen Dämmerung ab und lässt ihn strahlen. Tilda nimmt ihn bei der Hand, buchstäblich, sie macht damit instinktiv das, was die Ärztin den Eltern ans Herz legte: „Es ist wichtig, dass Sie möglichst viel Zeit miteinander verbringen, dass er Zuneigung spürt – Demenzkranke merken viel mehr als man denkt.“ „Honig im Kopf“ rückt das Tabuthema Demenz in den Mittelpunkt, es zeigt auf, was „Honig im Kopf“ im Alltag bedeutet, macht aber auch klar: Die Diagnose Demenz muss nicht die sofortige Endstation Heim bedeuten, es gibt ein Leben mit Demenz – auch wenn das anstrengend ist und manches auf die Probe stellt…

Ein „Parade-Paar“: Joachim Rettig und Michelle Ossowski

So traurig das Stück ist, oder auch so haarsträubend-lustig die „Missgeschicke“ des Opas, so anrührend-schön ist es. Eindrucksvoll spielen sich Joachim Rettig und Michelle Ossowski als Opa Amandus und Enkelin Tilda in die Herzen der Zuschauer. Ob das Ringen mit der Krankheit oder die hellen Momente der Erinnerung und der Freude – Joachim Rettig spielt die Genese der Krankheit eindringlich, eine Paraderolle!

Michelle Ossowski ist als Enkelin Tilda eine beeindruckend-berührende Partnerin – Riesenkompliment! Wie das „Eigengewächs“ der TiC-Schauspielkurse zwischen den einzelnen Szenen zudem souverän erzählt – all das mit erst 14 Jahren, klasse Michelle! „Ist die süß“, attestierte eine Zuschauerin beim Gang in die Pause: „Toll, wie die das macht“, bescheinigte sie – recht hatte die Besucherin.

Darsteller, Bühne, Kostüme – alles „top“ im TiC

Joachim Rettig und Michelle Ossowski stehlen ihren Mitspielern die Schau. Aber ob Christina de Bruyckere-Monti (als Sarah), Andreas Wirth als Nico oder Monika Owart und Regina Overkamp in Mehrfachrollen – sie alle reihen sich nahtlos ein und tragen dazu bei, dass „Honig im Kopf“ ein Erlebnis im TiC ist. i-Tüpfelchen sind die Kostüme von Noelle-Magali Wörheide sowie das Bühnenbild von Jan Bauerdick. Ob Faltwände, Vorhänge, projezierte Hintergründe und Videos – Jan Bauerdick zieht alle Register, für seine „Überraschung aus der Wand“ erntete der TiC-Bühnenbildner sogar Szenenapplaus – das hat’s auch noch nicht oft im TiC gegeben…

Und wenn der Opa irgendwann seine Principessa nicht mehr erkennt, er dann doch ins Heim muss und schließlich stirbt, ist es gut so – er hat die Zeit der zunehmenden Leere in Würde gelebt und in Liebe. Unsere Empfehlung: Schauen Sie sich „Honig im Kopf“ im TiC an, es lohnt sich! Karten gibt’s unter Telefon 0202 47 22 11, im Theaterbüro an der Hauptstraße 3 sowie online unter www.tic-theater.de.