19.11.2012, 12.43 Uhr   |   Meinhard Koke   |   Artikel drucken   |   Instapaper   |   Kommentare

Gedenken und Kritik an der Stadt beim Volkstrauertag

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Stephan Ries (re.), 2. Vorsitzender des Cronenberger Heimat- und Bürgervereins (CHBV), nutzte die Cronenberger Gedenkstunde zum Volkstrauertag, um kritische Worte an die Stadt zu richten. CHBV-Vorsitzender Rolf Tesche beschirmte ihn dabei.

Etwa 150 Teilnehmer gedachten am gestrigen Sonntag, 18. November 2012, im Rahmen der Cronenberger Gedenkfeier zum Volkstrauertag der Toten durch Krieg und Gewaltherrschaft. Wie immer am Ehrenmal war die Feierlichkeit diesmal jedoch anders als alle zuvor: Sie stand natürlich im Schatten des dreisten Metall-Diebstahls in der Nacht zum 5. Juni 2012. Dabei wurden 21 der insgesamt 22 bronzenen Tafeln des Ehrenmals mit den Namen der 460 Cronenberger Gefallenen des 1. Weltkrieges herausgebrochen und gestohlen (die CW berichtete).

Das anhaltende Entsetzen darüber, dass Kriminelle selbst vor der Schändung einer Gedenkstätte nicht zurückschrecken, war das eine; das andere, was derzeit vielfach in Cronenberg – gelinde gesagt – für Unverständnis sorgt, ist die Mitteilung der Stadt, dass für den etwa 65.000 Euro teuren Ersatz der Namenstafeln kein Geld im Stadtsäckel übrig sei. Wie berichtet, regte die Stadt daher in einem Schreiben an die Bezirksvertretung (BV) Cronenberg an, das Geld durch Sponsoren beziehungsweise eine Spendensammlung einzuwerben.

Kein städtisches Geld für Ersatz der Namenstafeln: „Das ist eine weitere Schande!“

Am Volkstrauertag sorgte diese Stadt-Mitteilung für eine Änderung der sonst üblichen „Dramaturgie“: Neben den Vorträgen von Schülern sowie an diesem Sonntag des Pfarrers Gerson Monhof trat Stephan Ries als dritter Redner ans Mikrophon: Der 2. Vorsitzende des Cronenberger Heimat- und Bürgervereins (CHBV) brandmarkte das städtische „Nein“ als „weitere Schande“. Unter der Überschrift „Trauer braucht immer auch Namen“ betonte Stephan Ries, dass das Cronenberger Ehrenmal kein „anonymes, nacktes Bauwerk aus Stein“ sei – die Namen der Gefallenen gäben dem Kriegsschrecken, aber auch der Erinnerung und der Trauer vielmehr eine Identität, eine Gesicht.

Die Namenstafeln seien „tragende Säulen“ des Erinnerns; das Ehrenmal, so Stephan Ries weiter, mahne zu Ehrfurcht und Respekt vor dem Leben und dem Tod  – und zwar auch die staatliche Repräsentanz, also auch die Stadt: „Der Volkstrauertag ist ein staatlicher Gedenktag – das dürfen staatlich-kommunale Institutionen niemals vergessen“, schrieb der 2. Bürgervereinsvorsitzende der Stadt ins Stammbuch. Wie notwendig ein Ort der Erinnerung wie das Ehrenmal, aber auch der Volkstrauertag an sich ist, wurde in einem der Beiträge der Schüler des Carl-Fuhlrott-Gymnasiums (CFG) deutlich: Sie habe zuvor gar nicht von dem Cronenberger Ehrenmal gewusst, bekannte eine CFG-Schülerin. Erst durch die Schlagzeilen rund um den Metall-Diebstahl sei ihr die Cronenberger Gedenkstätte ins Bewusstsein gerückt.

„Gedenken ist Voraussetzung für Versöhnung und Frieden“

Auch das verdeutlichte, wie richtig das Bekenntnis von Gerson Monhof war: Der Volkstrauertag sei wichtig, betonte der Pfarrer der evangelischen Johanneskirchengemeinde, der Gedenktag sei Mahnung, dass sich Krieg und Gewaltherrschaft nicht wiederholen dürften; das Nicht-Vergessen sei die Voraussetzung für Versöhnung und Frieden. Ganz in diesem Sinne begaben sich die drei Grünen-Stadtverordneten Regina Orth, Paul-Yves Ramette und Peter Vorsteher im Anschluss an die Gedenkfeier vom Ehrenmal zum Friedhof Schorfer Straße, um an der dortigen Gedenkstätte für die getöteten Zwangsarbeiter aus der damaligen Sowjetunion Blumen niederzulegen. Ebenso gedachten auch die Schüler des Fuhlrott-Gymnasiums und ihr Lehrer Ulrich Grote der Zwangsarbeiter, die zum Teil bei einem Massaker kurz vor Kriegsende im Burgholz erschossen wurden.

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