29.05.2014, 16.48 Uhr   |   Meinhard Koke   |   Artikel drucken   |   Instapaper   |   Kommentare

„Applaus, Applaus“ für „TiC-Update“ der Lustigen Witwe

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Begeisterten das Publikum bei der TiC-Premiere: die Mitwirkenden der Operette "Die Lustige Witwe" im Atelier Unterkirchen. -Foto: Martin Mazur

Nach der ernsten „Dame in Rose“, den spannenden „Toten Augen von London“ und dem spaßigen „Spiel’s nochmal, Sam“ wurd’s am vergangenen Freitag, 23. Mai 2014, beschwingt im TiC. Das „Theater in Cronenberg“ brachte mit der vierten Premiere 2014 im Atelier Unterkirchen „Die lustige Witwe“ auf die Bühne. Mit dem Welterfolg von Franz Lehar inszenieren Ralf Budde (Regie) und Stefan Hüfner (Musik) erstmals eine Operette an dem Dörper Theater – die Doppel-Premiere gelang: Mit „Ahs“, „Ohs“ sowie begeistertem Schlussapplaus belohnte das Publikum die Erstaufführung.

„Die lustige Witwe“ – 1905 uraufgeführt und allein bis zum Tode des Komponisten im Jahr 1948 insgesamt 300.000 Mal aufgeführt, gilt vielfach als Inbegriff von „Operettenseligkeit“. Opulentes Orchester, unvergessliche Melodien, üppige Kostüme, Tanz im Dreivierteltakt, eine turbulente Liebesgeschichte, die auch Witz nicht vermissen lässt, und nicht zuletzt ein Spritzer Erotik machen seit 110 Jahren den Reiz des Lehar-Stücks aus. Generationen von Operetten-Fans lieben die Melodien wie „Ja, das Studium der Weiber ist schwer“, das zarte „Lippen schweigen“ oder das schwungvolle „Grisetten“-Lied und das volkstümliche „Lied vom Waldmägdelein“; das wohl bekannteste Stück „Da geh‘ ich zu Maxim“ war das Markenzeichen von Grandseigneur Johannes Heesters.

Lehar-„Update“ im TiC: Swing und Cha-Cha-Cha statt Walzer-Seligkeit

„Nichts für mich“, mögen sich da jüngere Semester denken, die eher auf modernes Musical abonniert sind. „Falsch gedacht“, darf nach der TiC-Premiere versichert werden: „Die lustige Witwe“ beschwingt im TiC alle Generationen. Das Erfolgsgeheimnis: In Sachen Bühnenbild und Kostüme setzen Ralf Budde und Stefan Hüfner auf die „barocke“ Pracht, welche die Pariser Gesandtschaft des Operetten-Königreichs Pontevedrino, Empfänge und Bälle, aber auch die frivole Varieté-Bühne verströmen. Bei der Leharschen Musik indes hat Stefan Hüfner den Staubwedel angesetzt: Statt orchestraler Seligkeit im Dreiviertel-Takt arrangiert der musikalische TiC-Leiter die Evergreens mit einer Portion Swing, Rumba oder Cha-Cha-Cha im Vierviertel-Takt – „ein Update“ der Erfolgswitwe, so macht Lehar auch Operetten-Muffeln Spaß!

In der Geschichte um die millionenschwere Witwe Hanna Glawari, hinter der beziehungsweise deren Geld nicht nur halb Paris her ist, sondern auch der pontevedrinische Gesandte für die klamme Kasse des Operettenkstaates, bereitet nicht nur die „aufgepeppte“ Musik Freude. Choreografin Dana Großmann lässt die Darsteller ebenso einen flotten Cancan aufs Parkett legen, der Beinwürfe und Blicke unter den Rock bietet, und auch einen Grisetten-Marsch durchs Publikum hinlegen, das dann sogar auch mal mittanzen darf. Auch einen zarten Walzer treppauf gibt’s – da gab’s Szenen-Oh’s!

Phantasievolle Kostüme, ideenreiches Bühnenbild und Klasse-Stimmen

Applaus auch für Kerstin Faber und ihre Fantasieuniformen, Varieté-Kleider oder auch die Glawari-Tracht zum „Waldmägdelein“-Lied – da hörte man „Ah’s“. Das Bühnenbild mit Art-déco-Fenstern und -Türen, Marmorboden und Kronleuchtern versprüht elegante Salon-Atmosphäre, bietet aber ebenso Platz für einen intimen Park-Pavillon und Raum für die Verwandlung in ein Varieté – mal wieder eine große Leistung. An welche die Darsteller nahtlos anknüpfen: Hans-Willi Lukas ist ein wunderbarer gehörnter und ziemlich naiver Baron Zeta, Isabelle Rotter wird der (Haupt-)Rolle der begehrten Witwe Glawari vollauf gerecht: Rotter überzeugt ebenso mit toller Stimme wie schauspielerisch – eine Idealbesetzung für die um 1900 ziemlich fortschrittlich konzipierte Frau, welche die Fäden in der Männerwelt in der Hand hält.

Eine Entdeckung des Abends und ein heimlicher Star

Anerkennung auch für Marco Kohler und Christian Michalak als Verehrer beziehungsweise Millionenjäger, an Annika Tahiri und TiC-Debütantin Jessica Ritzmann als Grisetten beziehungsweise Damen der pontevidrinischen Gesellschaft und nicht zuletzt an Christian Michalak: Als Camille begeistert Michalak in geradezu bezaubernden Duetten an der Seite seiner angebeteten Valencienne, die von Anastasiia Jungk verkörpert wird. Klasse Stimme, tolles Spiel – Anastasiia Jungk war bei ihrem ersten TiC-Auftritt die Entdeckung des Abends.

Das gilt nicht deckungsgleich für Florian Sigmund, schließlich feierte er ja bereits 2013 in „Hairspray“ seine TiC-Premiere. Ansonsten aber ragt Sigmund in der Rolle des Grafen Danilo ebenso heraus – und ist mit seinen stimmlichen Qualitäten ein weiterer Beweis dafür, dass das TiC eine Schmiede für Gesangstalente ist. Heimlicher Star des Abends ist jedoch Michael Baute: In seiner Rolle als umtriebiger Gesandtschaftssekretär Njegus, der hinter den Kulissen den Überblick behält, erobert Baute mit herrlichem „Pontevedrino-Schmäh“ und Witz die Herzen des Premierenpublikums – wie souverän er ein kleines Malheur überspielte, als ihm eine Flasche vom Tablett rutschte, war dabei das i-Tüpfelchen!

Weitere Infos zum TiC und Karten für alle Vorstellungen

Fazit: Ralf Budde und Stefan Hüfner haben mit der ersten TiC-Operette gewagt – und gewonnen! Das bewies ein Schlussapplaus, der das Ensemble geradezu nötigte, eine Zugabe dranzuhängen. Oder auch die Meinung einer Premierenbesucherin, welcher das Lehar-Stück „klassisch“ vertraut schien: „Das war ganz anders“, bescheinigte die TiC-Besucherin nach der Premiere: „Aber es war toll!“ Lust auf einen Operetten-Abend im TiC? Karten für die „Lustige Lehar-Witwe“ gibt’s unter Telefon 0202-47 22 11 oder online unter www.tic-theater.de.