09.07.2015, 15.54 Uhr | Meinhard Koke | Artikel drucken | Instapaper | Kommentare
Architektur-Tag: Wenn aus Fabrik-Tristesse schöner Wohnen wird
„Die Umnutzung ist hervorrragend gelungen“, attestierte Heiko Becher: Ob die Tiefgarage, der Innenhof, die Terrassen, die Freilegung von altem Ziegel im Treppenhaus oder auch der historischen Stahlträger in einer Wohnung – Heiko Becher zeigte sich am „Tag der Architektur“ begeistert von dem Mehrfamilienhaus in der Nesselbergstraße.
Seine Meinung teilten die allermeisten der vielen Besucher, welche Wibke und Haris Alisic-Haverkamp („ah-architektur“) zur Besichtigung in ihrem Objekt begrüßen durften. Allerdings war die Begeisterung von Heiko Becher schon etwas Besonderes: Schließlich ist Becher als Innenarchitekt vom Fach und sein früheres Geschäft („Raumkunst Becher“) bis heute ein Begriff in der Stadt.
Aber nicht nur fachlich blickte er aufmerksam „durch die Brille“: Die Familie von Heiko Bechers Ehefrau betrieb in dem zur Jahrhundertwende errichteten Gebäude einst Teile ihrer Fabrik für Gartenwerkzeuge, die heute in der Nächstebreck zu Hause ist. Im Anschluss folgte eine Kartonagenfabrik, zuletzt stand der Komplex acht Jahre lang leer.
Wibke und Haris Alisic-Haverkamp weckten das Gebäude 2014 aus dem Dornröschenschlaf. Um im Bild zu bleiben: Eine Schönheit, die wachgeküsst werden wollte, war die Industriebrache nie. Wer die triste Fassade in Erinnerung hat, deren einziger „Schmuck“ ein Kachel-Streifen im (Un-)Stile der 1960er Jahre war, reibt sich die Augen, was das Architekten-Ehepaar aus der Fabrik gemacht haben.
Für rund 1,5 Millionen Euro entkernten beziehungsweise sanierten sie die Industriebrache nach Niedrigenergie-Standard (KfW 70), Luft-Wärmepumpe inklusive, und errichteten fünf Mietwohnungen sowie eine Eigentumswohnung zwischen 56 und 200 Quadratmetern Größe. Das Ziel dabei: Naturnahe Wohnfläche mit einem hohen ökologischen Standard zu realisieren. Das gelang Wibke und Haris Alisic-Haverkamp: Die Wohnungen waren allesamt „ratzfatz“ weg, „und zwar ohne Makler“, unterstreicht Haris Alisic-Haverkamp.
Warum, davon konnten sich die Besucher am Tag der Architektur selbst ein Bild machen. Die überaus großzügige Loft-Wohnung mit großer Süd-Terrasse – Fernblick bis Düsseldorf inklusive – sowie Eichen-Parkett, Fußbodenheizung und nicht zuletzt den charakteristischen Eisenträgern unter den Hochfenstern stieß durchweg auf „Ahs“ und „Ohs“. Aber zum Beispiel auch der Innenhof, den die Küllenhahner Architekten durch den Aufbruch des Gebäudes geschaffen haben, oder auch die praktische Tiefgarage fanden Anklang – „das war sehenswert“, bedankte sich eine Besucherin zum Abschluss einer Führung.
Quintessenz des Küllenhahner Aktionstages, an dem sich insgesamt etwa 250 Besucher die Klinke an die Hand gaben: Selbst aus unansehnlichen Gebäude-Fröschen können Schöner-Wohnen-Prinzen werden – Abriss und Neubau sind also nicht der Weisheit letzter Schluss…