10.02.2016, 19.51 Uhr   |   Meinhard Koke   |   Artikel drucken   |   Instapaper   |   Kommentare

So geht Integration: Vor 50 Jahren kamen die ersten „Cepnier“

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Der Küllenhahner Yakup Özdemir (li.) sowie Ibrahim Gökdal und Emsalettin Temel vom „Verein für gegenseitige Hilfe“ begleiteten Bürgermeister Murat Ugav (vo. mi.) während seines Wuppertal-Aufenthaltes. Begleitet von dem Landtagsabgeordneten Josef Neumann (3.v.r.) traf sich Ugav auch mit den AWG-Chefs Wolfgang Herkenberg (2.v.l.) und Conrad Tscherlich (re.) auf Korzert.

Der Flüchtlingsstrom und nicht zuletzt die erschütternden Ereignisse der Silvester-Nacht in Köln haben ein Thema geradezu in den Mittelpunkt katapultiert: Integration. Just da in Deutschland eine zum Teil aufgeheizte Debatte tobt, empfing die Abfallwirtschaftsgesellschaft (AWG) einen Gast auf Korzert, der geradezu ein Paradebeispiel für gelungene Integration repräsentiert: Murat Ugav.

Ugav ist Bürgermeister der kleinen Gemeinde Cepni in der Zentraltürkei. Obwohl das etwa 2.000 Einwohner zählende Städtchen tausende Kilometer von Wuppertal entfernt liegt, wurde Murat Ugav in der AWG-Kantine geradezu wie ein alter Bekannter begrüßt. Der Wuppertal-Besuch des Bürgermeisters auf Korzert war ja auch soetwas wie ein Heimspiel: Hunderte Cepnier sind in den letzten Jahrzehnten nach Deutschland gegangen. Neben einer großen Gemeinde in München sind sie vor allem in Wuppertal heimisch geworden – allein die Zahl der „Wuppertal-Cepnier“ ist mit etwa 1.200 Menschen schon nahezu so groß wie die Einwohnerzahl der fernen Heimatstadt.

Josef Neumann (MdL): „Die Cepnier sind ein Völkchen für sich“

Sie arbeiteten bei Knipex, Kugelfischer, Zwilling oder auch der Müllabfuhr, mancher lebt mittlerweile in dritter Generation in Wuppertal, andere gingen aber auch in die Heimat zurück: „Fast jeder, den man auf der Straße trifft, spricht Deutsch“, berichtet der Cronenberger SPD-Landtagsabgeordnete Josef Neumann, der Cepni im letzten Jahr besuchte. Begleitet wurde Neumann dabei von dem Küllenhahner Yakub Özdemir vom „Gegenseitige Hilfe Verein“, den Wuppertaler Cepnier gegründet haben. Dass sich vor 50 Jahren die ersten Cepnier aufmachten, um in Wuppertal Arbeit und ihr Glück zu finden, war für den Verein Anlass, den Bürgermeister ihres Heimatortes an die Wupper einzuladen.

Nach seinem Cepni-Besuch konnte Josef Neumann nun berichten, dass das türkische Örtchen eine Art Mustergemeinde sei – zumindest aus deutscher Sicht betrachtet. Die Straßen in Top-Zustand, eigene Schulen, Kindergarten, eine Art Bürgerbus zum Einkaufen und sogar eine Krankenstation – weil die Bande zu den Auslands-Cepnier eng sind und sie die alte Heimat unterstützen, prosperiert Cepni kräftig, so Josef Neumann. Weiterer Eindruck des Landespolitikers: Die Cepnier seien „ein Völkchen für sich“.

Aufbau einer Abfallentsorgung: Die AWG will Cepni Hilfestellung leisten

Das, so der SPD-Politiker, beweise nicht nur das völkerverbindende Engagement des Cepnier-Vereins in Wuppertal, das zeige sich auch im Straßenbild des zentraltürkischen Städtchens. Kaum verschleierte Frauen seien hier zu sehen, es wird in Kooperativen gearbeitet und auch das Miteinander mit anderen Religionen funktioniere. Beispiel dafür sei die historische armenische Kirche: Sie wird als Gottesdienststätte für die armenische Gemeinde und zudem als Begegnungszentrum wiederhergestellt. Nicht zuletzt „ticken“ die Cepnier auch (politisch) „anders“ – seit über 60 Jahren ist der Ort fest in sozialdemokratischer Hand. „Die Cepnier sind ein Musterbeispiel für Integration und für Solidarität mit der Heimat“, zollte auch AWG-Chef Wolfgang Herkenberg seinen Respekt.

Aber auch Bürgermeister Ugav zeigte sich beeindruckt: Die Sauberkeit und Ordnung in Wuppertal lobte Ugav ebenso wie die Vielfalt der Arbeitsmöglichkeiten in der Stadt. Und ein Stück Wuppertal will Ugav auch nach Cepni „importieren“: Interessiert ließ sich der Gemeindechef die Wuppertaler Abfallbeseitigung erläutern – der Aufbau einer städtischen Müllentsorgung für Cepni und die Nachbargemeinden ist ein ehrgeiziges Projekt des Musterortes.

Übrigens: Wie die Wuppertaler Hotels sind, lernte Murat Ugav während seiner Wuppertal-Woche nicht kennen – natürlich hat Ugav im „Zweit-Cepni“ Wuppertal Verwandte, bei denen er übernachtete…