12.04.2016, 18.42 Uhr   |   Matthias Müller   |   Artikel drucken   |   Instapaper   |   Kommentare

„In alter Frische“: Turbulentes Altenheim im TiC-Theater

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Sorgen zur Freude der Zuschauer für viel Leben in der Seniorenresidenz Freudenau: die Darsteller der neuesten TiC-Komödie „In aller Frische“. -Foto: Martin Mazur

Am 1. April 2016 feierte die Komödie „In alter Frische“ von Stefan Vögel in einer Inszenierung von Raik Knorscheidt im TiC-Theater Premiere. Wir befinden uns in der Seniorenresidenz Freudenau, dessen Bühnenbild Jan Bauerdick liebevoll mit alten Fotos gestaltete. Hier lebt der verarmte Ritter Ludwig von Schwitters Elblingens (Joachim Rettig). Seine glorreiche Zeit als Direktor einer Eliteschule gehört der Vergangenheit an. Schwerster Isolde (Monika Owart), die er wegen ihrer Brille „Vierauge“ nennt, hält er auf Trab.

Zu den Bewohnern zählen auch Franz Josef Lojewski (Thorsten Kress), Norbert Klinke (Wolfgang Sprotte) und Elisabeth Kerr (Anita Zlotos). Sonntags wird stets „Trivial Pursuit“ gespielt, bei dem der leicht demente Herr Lojewski dem intellektuellen Zyniker, Griesgram und wandelndem Lexikon von Schwitters hoffnungslos unterlegen ist – man trägt regelrechte Klassenkämpfe aus.

Elisabeth, die einzige Dame des illustren Seniorenquartetts hat große Mühe, Ludwigs Verbalattacken auf den pensionierten Bahnhofsvorsteher Klinke und auch Lojewski, einen unerbittlichen Verfechter der alten Rechtschreibung, abzuwehren. Ludwig von Schwitters werfen die Herren zudem snobistisches Verhalten vor – schließlich lässt sich der Aristokrat sein Sonntagsmenü aus dem Restaurant bringen. Als eines Tages statt seines gewohnten Essensboten die junge Paula Pfitzner (Giuliana Dziewas) in der Tür steht, ist Ludwig verärgert.

Er ist wegen des grußlosen Abgangs seines „Schülers“, den er einst durchs Studium paukte, gekränkt; mit der alleinerziehenden Mutter, deren Bildungsniveau für ihn alles unterbietet, kann er nichts anfangen. Nach ersten Differenzen mit der rappenden Göre fühlt sich der alte Lehrer aber gefordert. Und auch in Paula, der sowohl der eigene als auch der Vater ihres Kindes fehlt, erwacht der Wunsch nach einem anderen Leben. Sie erkennt in dem alten Grantler ritterliche Qualitäten, die sie an den Männern ihrer Generation vermisst.

Paula beschließt, ihren Schulabschluss nachzuholen und büffelt unter Ludwigs strenger Patronanz. Dass Ludwig sein Vermögen verprasst und seine Tochter seit 30 Jahren nicht mehr sah, weiß nur Elisabeth. Das ändert sich auch am 80. Geburtstag des Grantlers nicht, trotzdem steigt eine Party mit Rock’n’Roll, Rap und Champagner. Vor den Augen der Freunde erleidet Ludwig einen Kollaps. Paula zittert um ihren Ersatzpapa und vollbringt ein zweifaches Wunder: Sie besteht ihre Prüfungen und stellt auch noch andere Weichen…

Stefan Vögel jongliert in dem charmanten Generationenstück zwischen Ernst und Komik: Rappende Oldies an der „Endstation“ des Lebens, eine junge Frau aus desolaten Verhältnissen, die einen Gesinnungswandel vollzieht, und ein blaublütiger Tyrann, der zur vorgerückten Stunde seines irdischen Daseins sein Herz öffnet – mit starken Pointen und leisen Zwischentönen werden Brücken zwischen Jung und Alt gebaut.

Die Umsetzung auf der Bühne des TiC-Theaters darf als voll gelungen bezeichnet werden. Joachim Rettig ist, wie auch schon Weihnachten in Charles Dickens „A Christmas Carol“, einmal mehr in einer Glanzrolle zu erleben. Er beherrscht die leisen wie auch lauten Töne und harmoniert perfekt mit der Jugend. Apropos: Wie Giuliana Dziewas die Herausforderung der Rolle der rappend-modernen jungen Frau stemmt, verdient ebenso Applaus.

Thorsten Kress beweist derweil wie auch Monika Owart, dass er tanzen kann und Wolfgang Sprotte zieht die Zuschauer als bis zum Komischen stotternder Bahnbeamter auf seine Seite. „In alter Frische“, zu dem Mariola Kopczynski die Kostüme anfertigte, ist ein Stück voller Musik, Komik und Tempo, aber auch Nachdenklichkeit, kurzum: ein TiC-Abend zum Entspannen und Lachen, wozu das Premierenpublikum reichlich die Gelegenheit nutzte.

Wer den neuesten TiC-Spaß sehen möchte, hat am 14. April die nächste Gelegenheit dazu. Karten gibt’s im TiC-Theater unter Telefon 0202 47 22 11 oder via Internet unter www.tic-theater.de.