04.11.2016, 13.43 Uhr   |   Meinhard Koke   |   Artikel drucken   |   Instapaper   |   Kommentare

Bürgerbüro-Diskussion in der BV: „Dann klagen wir eben!“

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So sieht er aus, der „Bürgerkoffer“, welcher von der Bundesdruckerei zur Verfügung gestellt wird. Können mit ihrer Hilfe die Passangelegenheiten ein „Comeback“ in den Bürgerbüros feiern? -Foto: Bundesdruckerei

„Ich habe den Eindruck, Sie stellen alles Negative nach vorne“, sagte Michael-Georg von Wenczowsky (CDU) in der Oktober-Sitzung der Bezirksvertretung (BV) Cronenberg. Adressat der Kritik war Bürgeramtsleiter Jochen Siegfried, Thema war der SPD-Antrag zur Anschaffung von „Bürgerkoffern“, um die Passangelegenheiten zurück in die Bürgerbüros verlagern zu können.

Auch wenn die BV am Ende die Verwaltung einstimmig aufforderte, einen Bürgerkoffer für das Bürgerbüro anzuschaffen, war das Thema der „Aufreger“ des Abends: Die Cronenberger Stadtteilparlamentarier und Bürgeramtsleiter Siegfried lieferten sich einen kontroversen Schlagabtausch. Zunächst war die Überraschung aber im positiven Sinne groß: Jochen Siegfried und Computerexperte Thomas Peters vom Ressort Straßen und Verkehr waren nämlich mit Gepäck in den BV-Sitzungssaal gekommen.

Seit Wochen wird darüber gesprochen, da stand er nun in natura: ein leibhaftiger Bürgerkoffer – die beiden Verwaltungsvertreter hatten das Probeexemplar der Stadt mit in die Schulaula an der Berghauser Straße gebracht. Rund 5.000 Euro kostet der Koffer, den die Bundesdruckerei mit Drucker, Scanner, Laptop oder auch Fingerabdruck-Scanner ausgestattet hat und mit dem alle Pass-Angelegenheiten mobil erledigt werden können – vorausgesetzt, eine Internetverbindung ist vorhanden.

„Was in Meck-Pomm klappt, wird doch auch hier klappen“

Überraschung Nummer zwei: Bereits seit Wochen ist der Koffer bei der Stadt in der Testphase – das Ergebnis sei „zufriedenstellend“, erläuterte Jochen Siegfried. Der Koffer erfülle seinen Zweck nur mit einer stabilen Internetverbindung, bei Dauerbetrieb habe der Drucker geschwächelt, der Auf- und Abbau koste ebenso Zeit wie die An- und Abfahrt der Mitarbeiter in die Stadtteile – Quintessenz des Bürgeramtsleiters: Der Bürgerkoffer sei ein Luxusgut und für den Dauerbetrieb ungeeignet.

Während Vize-Bürgermeister von Wenczowsky das als „Negativ-Malerei“ kritisierte, konterte auch Oliver Wagner. Der SPD-Bezirksvertreter, der den Bürgerkoffer ins Gespräch gebracht hatte (die CW berichtete) zeigte sich überzeugt: Wo in Wuppertal eine städtische Stelle sei, da sei ja wohl auch eine stabile Internetverbindung: „Was im Amt Lützow-Lübstorf in Mecklenburg-Vorpommern klappt, müsste doch auch in Wuppertal klappen“, unterstrich Wagner seine Forderung zur Anschaffung von Bürgerkoffern.

„Wir haben mitbekommen, was die BV Cronenberg will“

Cronenberg. Michael-Georg von Wenczowsky unterstrich in der BV-Sitzung seine Zustimmung zum SPD-Vorschlag zu den Bürgerkoffern und ergänzte, dass die Stadt laut Gemeindeverordnung ja ohnehin verpflichtet sei, in den Stadtteilen einen umfassenden Service vorzuhalten. Der CDU-Vizebürgermeister rief die BV dazu auf, eine Reaktivierung der Bürgerbüros zu fordern, damit der Gemeindeordnung genüge getan werde. Während sich Hartmut Kissing (Linke) oder Regina Orth (Grüne) dem anschlossen, steuerte SPD-Sprecher Hans-Peter Abé zudem eine Zeitungsäußerung von Oberbürgermeister Andreas Mucke bei. Laut derer wäre es optimal, wenn alle Angelegenheiten wieder in den Bürgerbüros erledigt werden könnten.

Nun platzte Bürgeramtschef Jochen Siegfried der Kragen. Die Verwaltung habe mitgekriegt, was der Wunsch der BV sei, gab Siegfried zu Protokoll: „Das ist angekommen.“ Gleichwohl habe nicht er, sondern der Rat die Schaffung eines zentralen Einwohnermeldeamtes beschlossen: „Nehmen Sie sich bitte einmal den richtigen Ansprechpartner – ich bin es leid“, zeigte sich Siegfried von der Dauerkritik der letzten Monate offenbar angeschlagen.

Einwohnermeldeamt: „Das war alles Lug und Trug“

Nun war es Oliver Wagner leid: Seit vier Jahren schon gebe es den Bürgerkoffer, aber nicht die Verwaltung, sondern er, ein ehrenamtlicher Stadtteilpolitiker, habe den mobilen Bürgerservice „ausgegraben“, hielt der SPD-Politiker dem Bürgeramtschef vor: „Ich bin es leid mir ständig anzuhören, was alles nicht geht“, sprach Wagner Klartext. Vor Jahren habe die Verwaltung gesagt, mit der Zentralisierung des Meldewesens werde alles besser – „das war alles Lug und Trug.“ Die Stadt sei laut Gemeindeordnung verpflichtet, einen ortsnahen Bürgerservice zu bieten – „wenn sie das nicht macht, dann wird eben geklagt“, stellte sich der SPD-Politiker an die Seite von CDU-Vizebürgermeister von Wenczowsky.

Verwaltung will Vorschläge im Dezember vorlegen

Zum Schluss der Debatte nahm Paul-Yves Ramette (Grüne) das Einsparziel der Bürgerbüro-Kürzung aufs Korn: „War das eine Sparmaßnahme?“, fragte Ramette und verwies auf die diversen Nachbesserungen, Neueinstellungen oder auch die Beauftragung eines Sicherheitsdienstes während des diesjährigen „Chaos-Sommers“ am Einwohnermeldeamt: Zumal auch im Bürgerbüro Cronenberg weit über 100 Quadratmeter Fläche leer stünden, könne man kaum von Einsparungen sprechen.

Bürgeramtschef Jochen Siegfried kündigte an, dass die Verwaltung Mitte Dezember ihre Vorschläge für Umstrukturierungen beim Einwohnermeldeamt dem Rat vorlegen werde. Michael-Georg von Wenczowsky gab dem Amtsleiter zu den Beratungen mit auf den Weg: „Eigentlich spricht alles dafür, dass die Passangelegenheiten wieder zurück in die Bürgerbüros müssen“ – mit ihrem einstimmigen Bürgerkoffer-Votum setzte die BV ein deutliches Zeichen dazu!