16.08.2017, 17.47 Uhr   |   Matthias Müller   |   Artikel drucken   |   Instapaper   |   Kommentare

Jens Neutag: Im TiC-Atelier kräftig den Spiegel vorgehalten

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Bundesweit steht Jens Neutag bereits seit 20 Jahren auf den Kabarett-Bühnen – erst zum zweiten Mal war der kritische Spaßmacher nun in seiner Wahlheimat Cronenberg zu erleben. -Foto: privat

Ein „Comeback“ feierte Wahl-Cronenberger Jens Neutag im Atelier des TiC-Theaters: Nachdem das erste Gastspiel des deutschlandweit bekannten Kabarettisten im Frühjahr schnell ausverkauft war, kam Neutag zum zweiten Mal nach Unterkirchen.

Seit 20 Jahren tourt der gebürtige Remscheider durch die Lande, die Liste seiner Gastspiele liest sich wie ein „Who is Who“ der deutschen Kabarettbühnen: Die Premieren seiner neuen Programme feiert Neutag stets im altehrwürdigen Düsseldorfer Kom(m)ödchen, das Mainzer „Unterhaus“ oder das Stuttgarter Residenztheater stehen ebenso auf seinem Tourneeplan. Als regelmäßiger Gast ist Neutag in TV-Sendungen wie „Schlachthof“ (Bayerischer Rundfunk), „Spätschicht“ (SWR) oder auch im WDR-Radio („Unterhaltung am Wochenende“) präsent.

Zudem schreibt Jens Neutag unter anderem auch für Kabarettkollegen wie Thomas Freitag, die Kölner Stunksitzung oder die „Distel“ in Berlin. In Wuppertal kümmert sich der Kabarettist seit rund zehn Jahren als Ensemblemitglied des Satire-Trios „Talfahrt“ um satirische Heimatpflege. Seit drei Jahren in Cronenberg daheim, musste Neutag nur zum Gartentor raus und den Berg nach Unterkirchen runter, um mit seinem Programm „Das Deutschland-Syndrom“ „das große Ganze“ aufs Korn zu nehmen.

Von Trump bis Merkel, vom Coffee to go bis zum Fitness-Wahn

Themen waren brandaktuell die Krawalle von Hamburg, der „Horror-Clown“ Donald Trump, aber auch der „G20-Gipfel von Cronenberg“, sprich die 24. Werkzeugkiste, bevor Jens Neutag den Rauchern aufs Dach stieg: „Ein wenig Schwund ist immer!“, merkte Neutag an, wenn vom Rauchen das Bein abfällt – apropos: „Was ist überhaupt ein Deutschland-Syndrom?“, fragte der Kabarettist. Er wusste selbst keine Antwort – „wohl eine Volkskrankheit wie Bluthochdruck!“ Auch trat Jens Neutag als alter SPD-Genosse auf und fragte nach dem Erbe von Willy Brandt. „Man hat es wohl auf den Schrott geworfen!“

In der Rolle als Che Guevara geriet auch Angela Merkel ins Kreuzfeuer. „Zwölf Jahre Merkel? Das macht einfach lethargisch“, konstatierte Neutag: Die Merkel-Raute sei professionelle Hypnose, so Neutag bissig. Nun nahm er sich seine Landsleute so richtig vor: Schnäppchensucht sei übergeschnappt, Outlet sei so schlimm wie dumm und warum muss „Coffee to go“ sein? Auch den Fitnesswahn nahm sich Neutag vor: Der deutsche Jogger sei ein Bewegungs-Bolschewist.

Die Digitalisierung brandmarkte er als gefährlich, aber keiner denke darüber nach, und die Mülltrennung verortete der Kabarettist als kleinbürgerlich und verschroben. Als sein „persönliches Trauma“ benannte Neutag Hallenbäder und alles, was damit zusammen hängt – das geriet teilweise zum humoristischen Wahnsinn. „Ist das ,Deutschland-Syndrom‘ gefährlich?“, fragte der Kabarettist dann. „Ich glaube ja!“, rief Neutag die Deutschen zur Anarchie im Alltag auf und bot dazu viele kleine Nadelstiche.

Jens Neutag: Ende November mit neuem Programm wieder im TiC-Atelier

Das Neutag-Publikum zeigte sich begeistert: Es applaudierte, lachte und schwitzte mit dem Künstler gemeinsam, der in 100 Minuten richtig kräftig eingeschenkt hatte. Am 21. November 2017 geht Jens Neutag erneut zum Gartentörchen raus, um im TiC-Atelier vorbeizuschauen. Dann heißt sein neues Programm: „Mit Volldampf“ – man darf gespannt sein.