04.09.2017, 20.21 Uhr   |   Matthias Müller   |   Artikel drucken   |   Instapaper   |   Kommentare

Amtsgericht: Geldstrafen für (Dörper) „Mietnomaden“-Ehepaar

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Von Mietnomaden hat wohl fast jeder schon einmal gehört. Am 24. August 2017 verhandelte das Amtsgericht Wuppertal gegen das Ehepaar J. wegen Mietbetruges. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft: Carsten Erwin J., zurzeit in einer Ausbildung zum Heilpraktiker und ohne Einkommen, und seine Ehefrau Nicole J.- M., von Beruf Pflegedienstleiterin, sollen zwischen 2005 und 2015 fünf Cronenberger Vermieter um insgesamt bis zu 50.000 Euro „geprellt“ haben.

Die Methode der nach außen „ganz normal“ erscheinenden Familie mit drei Kindern war ganz einfach und – wie selbst der Verteidiger der Beschuldigten zu Protokoll gab – ähnelte der vieler Urlauber, die das Haar in der „Feriensuppe“ suchen, um dann den Reisepreis drücken zu können. Das Ehepaar mietete sich in Einfamilien- oder Reihenhäusern ein, um dann seitenlange Listen mit bis zu 250 Mängeln pro Haus zu erstellen und die Mieten zu kürzen.

„Auszugsprämien“ gezahlt, um die Mieter loszuwerden

Das in Insolvenz befindliche Paar bemängelte alles: Vom nicht ordnungsgemäßen Bad bis hin zur quietschenden Sat-Schüssel oder Fliesen mit abgestoßenen Ecken – es wurde kaum etwas ausgelassen. Die Mietverhältnisse dauerten von ein paar Monaten bis etwas über vier Jahre, alle Cronenberger Vermieter kamen irgendwann zu dem Schluss: „Diese Mieter wollen wir so schnell wie möglich wieder loswerden.“
Eine Einigung oder „Schaden-Beseitigung“ scheitete oft oder wurde schlichtweg nicht akzeptiert. „Ich wurde belogen und maßlos betrogen“, berichtete Vermieterin Renate Treder-Wirth als eine von fünf Betroffenen. Immer wieder sei die Miete gekürzt oder Forderungen gestellt worden, erläuterte die 84-Jährige. Am Ende ihres 13-monatigen „Martyriums“ zwischen 2012 und 2013 zahlte sie eine „Auszugsprämie“, um die unliebsamen Mieter loszuwerden.

Ähnlich erging es zwischen 2007 und 2012 dem 71-jährigen Dr. Werner Winkelmann: Er aber klagte gegen die provokante 14-seitige Mängelliste. „Das Mietverhältnis war darauf angelegt, die Miete ,auf Teufel komm raus‘ zu kürzen“, zeigte sich Winkelmann überzeugt. Er verbuchte einen Schaden von 6.800 Euro und zahlte auch noch den Umzug und den gegnerischen Anwalt.

Staatsanwaltschaft: „Methode mit Bereicherungsabsicht“

Gertrud Koch wurde 2012/13 „Opfer“ der „Mängel-Mieter“. Sie bekam eine stolze 120 Punkte umfassende Liste auf den Tisch. Nach Überschreibung der Immobilie auf ihren Sohn zahlte dieser schließlich rund 2.500 Euro, um die Mieter rauszubekommen. Olaf Ackermann, zwischen 2014 und 2015 „an der Reihe“, bekam sogar noch vor dem Einzug eine Aufstellung mit immerhin 213 Mängeln. Selbst eine Mediatorin blieb nach seinen Worten ohne Erfolg,  seinen Schaden bezifferte der Dörper Vermieter auf rund 10.000 Euro.

Der Verhandlung fern blieb Andreas H., der zwischen 2005 und 2007 auf einem Schaden von rund 30.000 Euro sitzen geblieben sein soll. Angesichts der dennoch erdrückenden Zeugenaussagen versuchte der Verteidiger noch einen Vergleich zu erreichen und damit eine Einstellung des Verfahrens. Das machte Staatsanwalt Schlömer aber nicht mit. Er warf dem Ehepaar, das heute in Velbert zu Hause ist, Methode vor, sprich schon bei Abschluss der Mietverträge zahlungsunwillig gewesen zu sein. Das, und die „Auszugsprämien“, seien eine Bereicherungsabsicht und Betrug gewesen.

Richter: „Das ist vollendeter Betrug…“

Der Verteidiger des Ehepaares gab in seinem Plädoyer zu, seine Mandanten seien wohl über das Ziel hinausgeschossen. Das sei aber nicht strafbar. Die gerichtlichen Vergleiche und Zahlungen der Betroffenen versuchte er als deren Eingeständnisse von Schäden zu werten. Dennoch: „Ich kann verstehen, wenn man solche Mieter wieder los sein will“, sagte der Verteidiger irgendwie ratlos. Das war Richter Kröger nicht: Die Beschuldigten seien keine Mietnomaden, sondern hätten eine Art „formalisiertes Nomadentum“ an den Tag gelegt. „Ausufernde Mängellisten um die Mietzahlungen zu drücken – „da habe ich keine Zweifel, das ist vollendeter Betrug“, so der Richter.

Er folgte der Anklage, die eine Bereicherungsabsicht unterstellt hatte, da sich Familie J. die angemieteten Objekte wohl von Anfang an gar nicht leisten konnte und in einigen Fällen sogar eine „Auszugsprämie“ in vierstelliger Höhe verlangte. Richter Kröger verurteilte die 48-jährige Nicole J.-M. zu einer Geldstrafe in Höhe von 3.600 Euro und ihren Ehemann Carsten Erwin J. (50) zu 1.600 Euro. Die geschädigten Vermieter zeigten sich mit den Urteil zufrieden, waren sich aber ebenfalls einig: Von ihrem erlittenen Schaden werden sie wohl niemals einen Cent wiedersehen…