25.10.2017, 16.16 Uhr | Meinhard Koke | Artikel drucken | Instapaper | Kommentare
Neutralisierungswahn: Telekom sagt „Nein“ zum Küllenhahn-Kreuz
Wie geht man mit diesem Thema um, ohne in den Ruch zu kommen, rechtsradikal zu sein? Was ist gestattet, ohne in einen falschen Verdacht zu geraten beziehungsweise Beifall von jenen zu bekommen, von denen man eigentlich gar keinen wollte?
Gemeint ist eine Idee der Evangelischen Gemeinde Küllenhahn: Durch zwei Graffiti-Projekte des dortigen Bürgervereins (die CW berichtete) inspiriert, wollte die Gemeinde einen Schaltkasten der Telekom verschönern lassen. Der Kasten an der Ecke Küllenhahner Straße / Nesselbergstraße ist verschmiert – kein schönes Bild auf dem Weg zum Gemeindehaus. Also sollte er mit einem Motiv aufgewertet werden, das eine Wand des Gemeinde-Jugendheimes ziert.
Telekom: „Verständnis ja, aber Richtlinie geht vor“
Das Bild der Künstler Rolf und Manuel Löckmann zeigt eine abstrakte Landschaft mit weitem Himmel sowie das Gemeinde-Symbol – einen stolzen Hahn unter einem Kreuz. Ein Spender zeigte sich angetan von der Gemeinde-Idee und stellte das Geld für die Verschönerungsaktion zur Verfügung. Und auch die Telekom zeigte sich zunächst offen: Nachdem sie ein Foto des Motives zugeschickt bekommen hatte, ging rasch eine Antwort aus Bonn ein – Tenor: „Ja, aber…“.
Ja, die Gemeinde dürfe den Kasten mit dem Motiv verschönern. Aber das Kreuz darin müsse man weglassen, stellte die Telekom klar. „Das Motiv mit dem Kreuz ist leider nicht möglich“, unterstreicht Telekom-Pressesprecher André Hofmann gegenüber der CW: Es sei „ganz klare Richtlinie“ der Telekom, dass auf politische oder religiöse Symbole zu verzichten sei. Dass das Telekom-Nein zum Kreuz im Küllenhahn-Motiv in der Gemeinde auf Unverständnis stößt, kann André Hofmann durchaus verstehen.
Pfarrerin Hartmann: „Irgendwann nur noch Wolken und Himmel…“
„Aber wir müssen unsere völlige Neutralität wahren – die Motive sollen für alle Menschen, die dort wohnen, tragbar sein.“ Sonst, so der Sprecher des Magenta-Konzerns weiter, seien ja Tür und Tor geöffnet: Mit welchem Recht könne man dann zum Beispiel anderen Religionen untersagen, Telekom-Flächen mit ihren Symbolen oder Motiven zu belegen. Das Bild ohne Kreuz ist für Pfarrerin Dr. Sylvia Hartmann und ihre Gemeinde indes keine wirkliche Alternative.
Zum einen sei die missionarische Wirkung des Bildes „überschaubar“. Zum anderen „bilden Hahn und Kreuz ja schließlich unser Gemeindesymbol“, erläutert die Küllenhahner Pfarrerin weiter, „und das ist für uns unverzichtbar, das gehört einfach zu uns“. Wenn schon, denn schon, so Sylvia Hartmann, könne man ja auch den Hahn beanstanden, der sei ja schließlich christliches Symbol für Reue und Umkehr – „dann haben wir eines Tages nur noch Wolken und Himmel, wenn wir alle christlichen Symbole weglassen“, schüttelt die Pfarrerin den Kopf. Wobei: Bei „Himmel“ könnte man ja auch auf „Gedanken“ kommen…
„Hauptsache, schön blass-neutral…!“ Die „Küllenhahn-Posse“ ist eine weitere Episode in einem „Neutralisierungswahn“, den es übrigens nicht nur in unserer Republik gibt: Statt Weihnachten wird X-Mas gefeiert, statt „Frohe Weihnachten“ wünscht man sich „Glückliche Heiligtage“, Ostern ist hier und da das „Fest des Hasen und der Eier“ oder Frühlingsfest, der Martinstag ist als „Sonne-Mond-und-Sterne-Tag“ im Gespräch, statt zum Martinszug geht es heute mitunter zum „Lichterfest“ – da brauchte es vielleicht den Antrag, die Martinszüge zum immateriellen Weltkulturerbe der Unesco zu erklären.
Kommentar von Meinhard Koke
Geben wir ein Stück unserer Identität auf, wenn wir christlich geprägte Feste, Bräuche, Grüße oder Symbole „neutralisieren“, um allen gerecht zu werden? Auch diese Frage treibt „Wutbürger“ auf die Straße. „Hol dir dein Land zurück“, lautet einer ihrer Slogans. Weil Weihnachtsmärkte nun Lichtermärkte genannt werden, sehen sie ihre Heimat und das gesamte christliche Abendland in Gefahr. Obwohl im „anderen Teil Deutschlands“ doch schon vor Jahrzehnten Engel in „geflügelte Jahresendfiguren“ umbenannt worden waren…
Die Frage sei erlaubt: Wer von denen, die das beklagen und christliche Symbole hochhalten, geht überhaupt zur Kirche beziehungsweise ist überhaupt noch ihr Mitglied? Allerdings: Der Politikwissenschaftler Bassam Tibi, der 1998 den Begriff „Leitkultur“ prägte, befand auch, dass Europa ein „Multi-Kulti-Sammelwohngebiet ohne eigene Identität“ zu werden drohe. Daher sprach sich der Politikwissenschaftler, als gebürtiger Syrer mit deutschem Pass relativ unverdächtig, für eine europäische Leitkultur aus, die auf Aufklärung, Säkularisierung und Toleranz basieren sollte.
Für Ähnliches plädiert auch Pfarrerin Dr. Sylvia Hartmann: Statt Verbote solle man doch lieber eine religiöse Vielfalt leben – „wir müssen doch nicht ganz gottlos werden, um jeder Auseinandersetzung auszuweichen“, findet die Küllenhahner Pfarrerin: „Wer seine Wurzeln verleugnet, wird blass und farblos.“ Der Küllenhahner Telekom-Kasten bleibt das nun – eben farblos, Hauptsache schön blass-neutral…