27.03.2018, 19.28 Uhr | Meinhard Koke | Artikel drucken | Instapaper | Kommentare
Klaus Hurrelmann: Der „Jugendversteher“ der Republik am CFG
Er schreibt für die Zeit oder den Tagesspiegel, er wird „Jugend-Versteher“ genannt, er gilt als der bekannteste Bildungs- und Jugendforscher Deutschlands – Klaus Hurrelmann ist gemeint. Es scheint so, „sein Thema“ hätte ihn jung gehalten: 74 Jahre ist der renommierte Soziologe gerade alt geworden, doch die merkte man Hurrelmann keineswegs an, als er Mitte März im Carl-Fuhlrott-Gymnasium (CFG) zu Gast war: Auf Einladung von CFG-Schüler Kevin Hunger diskutierte Hurrelmann mit Oberstufen-Schülern der Pädagogik- und Erziehungswissenschafts-Kurse des CFG.
Hurrelmann ist nicht nur so jung geblieben, dass er nach seiner Emeritierung an der Uni Bielefeld eine Professur an der privaten Hertie School of Governance in Berlin übernahm und zu Vorträgen quer durch die Republik reist. Der Wissenschaftler zeigte sich am Jung-Stilling-Weg auch voll auf Augenhöhe mit den Schülern: Falls diese einen Oberlehrer mit zähem „Frontal-Vortrag“ erwartet hatten, waren sie erleichtert. Hurrelmann dozierte nicht und beließ es auch nicht bei der Beantwortung von Fragen. Er stellte den Schülern auch seinerseits Fragen und bemühte sich, mit ihnen in einen Dialog zu kommen – „cool“…
Schulverbot und Gefängnis: Steinige Jugendzeit
Zumal der „Promi“ mit erstaunlich Privatem überraschte: Offen berichtete Klaus Hurrelmann von seiner problematischen Jugendzeit, dass er nur dank der Fürsprache eines Lehrers aufs Gymnasium durfte – als bis dato Erster in der Familie. Dass er irgendwann zu stehlen begann, um bei den Mitschülern Anerkennung zu finden und nicht länger als Streber zu gelten. Dass er in der Schule verhaftet wurde und schließlich sogar ins Gefängnis musste. Und dass er deshalb in ganz Niedersachsen Schulverbot erhielt…
„Hammer“, die CFG-Schüler zeigten sich in den Bann gezogen: Gespannt verfolgten sie, wie Hurrelmann seine steinige Jugendzeit skizzierte, sie lachten und sie applaudierten, etwa sechs Jahrzehnte später auf Küllenhahn hatte er es auf jeden Fall geschafft: Die CFG-Schüler fanden Klaus Hurrelmann „cool“ – auch ohne Klauen! Indes verbindet der Jugendforscher mit dem „Fall Klaus H.“ natürlich eine Botschaft: „Was glaubt ihr, bei welcher Entwicklungsaufgabe hing ich fest“, fragte er die Fuhlrott-Gymnasiasten nach ihrer Meinung, warum er auf die schiefe Bahn geriet.
Plädoyer fürs genaue „Hinsehen“ und die zweite Chance – oder die dritte…
Hurrelmann verbindet sein Fallbeispiel mit einem Plädoyer: für Chancengleichheit, für ein durchlässiges Schulsystem, für den Blick auf jedes einzelne Kind und nicht zuletzt auch für die Möglichkeit zu einer zweiten Chance: „Es steckt mir immer noch in den Knochen“, gestand Hurrelmann freimütig: „Und ich staune noch immer, dass ich es geschafft habe…“ – auch weil ihm ein Schulleiter in Bremen eine zweite Chance gab.
Insofern warb Hurrelmann vor den Küllenhahner Schülern darum, sich ein Verständnis von der Entwicklung vom Kindes- über das Jugend- bis zum Erwachsenenalter zu verschaffen – mit diesem Wissen um die Probleme könne man „Fälle knacken“. Im Anschluss beantwortete Hurrelmann Fragen der CFG-Schüler zu Medien-Konsum, sozialen Netzwerken, den Chancen und Risiken der Digitalisierung, dem Bildungssystem oder auch den Rollenbildern in der Gesellschaft. Deutlich wurde dabei, dass auch für Hurrelmann noch einiges zu tun ist, denn: „Wir sind immer noch ein ziemlich ungleiches Land.“
Keine Abi-Anrufe vom Küllenhahn?
Mit Anrufen vom Jung-Stilling-Weg muss er in den nächsten Wochen indes wohl nicht rechnen. Er werde vor den Abiturprüfungen häufig von Schülern angerufen, die mutmaßten, dass seine Thesen in den Prüfungen drankämen, berichtete Klaus Hurrelmann schmunzelnd. Sein Tipp: die Seiten 94 bis 110 seines Buches „Lebensphase Jugend“, dort würden seine zehn Maximen ziemlich gut erläutert. Da kann man den CFG-Abiturienten nur wünschen, dass Hurrelmann tatsächlich Thema sein wird…