06.07.2019, 16.11 Uhr   |   Meinhard Koke   |   Artikel drucken   |   Instapaper   |   Kommentare

Karin & Heinrich Riemann: Ehepaar ist Mutter & Vater der Kiste

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Allen Grund zu „gut Lachen“: Karin Riemann und Ehemann Heinrich sind die Geburtshelfer der Cronenberger Werkzeugkiste vor 48 Jahren. | Foto: Meinhard Koke

Auch wenn am heutigen Samstag, 6. Juli 2019, die 25. Auflage gefeiert wird, die Ursprünge der Cronenberger Werkzeugkiste liegen nicht ein Vierteljahrhundert zurück – wie auch, da das Benefizfest ja alle zwei Jahre veranstaltet wird. Allerdings wurde die Kiste auch nicht 1969 aus der Taufe gehoben, es war vielmehr das Jahr 1972, als das Cronenberg-Fest Premiere feierte.

Dass 47 Jahre später die Jubiläumsausgabe gefeiert wird, hängt mit der besonderen Kisten-Arithmetik zusammen: In den ersten Jahren wurde das Fest jährlich veranstaltet, dann stiegen die Organisatoren auf einen zweijährigen Turnus um. Damit zollten die Ehrenamtler der Herausforderung Tribut, welche die Organisation eines derart großen Festes in jedem Jahr bedeutete – nach der Kiste war in den Anfangsjahren buchstäblich vor der Kiste…

Zwei, die es wissen, wie es vor 47 Jahren war, sind Karin und Heinrich Riemann: Das Ehepaar aus der Cronenberger Altstadt zählt zu den noch lebenden Initiatoren der Werkzeugkiste, man könnte sie im Gespann sogar als Vater und Mutter der Kiste bezeichnen.

Feuerwehr-Einsatz sorgte für Initialzündung

Den Kisten-Stein ins Rollen brachte Karin Riemann 1971: Damals war die gelernte Buchhalterin bei der Lebenshilfe beschäftigt. An der Heidestraße ging es da weitaus weniger komfortabel zu wie heutzutage: Die Behinderten-Werkstatt, so erinnert sich Karin Riemann, war ebenso wie die Lebenshilfe-Verwaltung im früheren Lehrlingsheim der Cronenberger Industrie untergebracht – eng und bescheiden war es, blickt die heute 73-Jährige zurück.

Entsprechend wurde Anfang der 1970er-Jahre der erste Spatenstich für einen modernen Neubau gesetzt, in dem ebenso die Arbeitsplätze für die damals 70 Behinderten, wie ein Lager oder auch die Verwaltung ein neues Zuhause finden sollten. Als die Baugrube für den Bau ausgehoben war, lief diese voll Wasser – es konnte nicht weitergebaut werden, weiß Karin Riemann noch.

Da kam der Lebenshilfe-Mitarbeiterin eine praktische Idee, welche letztlich wohl als Geburtsstunde der Cronenberger Werkzeugkiste bezeichnet werden darf. Auf dem „kleinen Dienstweg“ sprach sie nämlich ihren Mann Heinrich an, der sich damals als Oberfeuerwehrmann in der Freiwilligen Feuerwehr Cronenberg (FFC) engagierte: „Könntet ihr nicht einmal kommen und die Baugrube leerpumpen?“, fragte sie ihren Mann und der ließ sich nicht lange bitten.

„Man hatte überhaupt keinen Kontakt zur Lebenshilfe…“

Natürlich mit dem Segen des damaligen FFC-Chefs Heinz Vitt und dem entsprechenden Übungsauftrag rückten Heinrich Riemann und sein Kamerad Manfred Elsner mit einem „Schlauchkraftwagen“ an die Heidestraße aus und pumpten die Baugrube schließlich aus. Zurück ins Löschhaus an der Kemmannstraße kehrten der selbstständige Tischlermeister und sein Mitstreiter aber nicht nur mit der Botschaft „Mission erfüllt!“

Heinrich Riemann und Manfred Elsner waren auch tief beeindruckt: Zum einen von den einfachen und beengten Verhältnissen der Werkstätten zu dieser Zeit. Aber ebenso auch von den behinderten Mitarbeitern: „Es war beeindruckend, wie sie trotz ihrer Behinderungen arbeiteten“, blickt Heinrich Riemann zurück: „Man hatte ja damals überhaupt keinen Kontakt zur Lebenshilfe – wir kannten die Behinderten gar nicht.“

Das sollte sich ändern und so rückten Heinrich Riemann und Manfred Elsner mit der Botschaft ins Dörper Löschhaus ein: „Wir müssen was tun!“ Man setzte sich an der Kemmannstraße zusammen, der damalige Lebenshilfe-Geschäftsführer Max Schröder führte die Feuerwehrleute durch die Werkstätten, schließlich gesellten sich mit Manfred Papschick, Julius Jöcker oder auch Hans Rötzel und dem DRK-Zug Cronenberg weitere Engagierte dazu, die zu Motoren einer Hilfsaktion wurden. Aber welcher? „Wir machen ein Fest und sammeln für die Lebenshilfe“, lautete der Gedanke.

„Am Ende war halb Cronenberg bei den Sitzungen mit dabei…“

Die Feuerwehr-Idee zündete: „Das hat Wellen geschlagen“, blickt Kisten-Vater Heinrich Riemann zurück: „Bei einer der letzten Sitzungen war halb Cronenberg da.“ Und mittlerweile war auch die Gemeinschaft Cronenberger Industrie (GCI) hinzugestoßen – „wir verkaufen Werkzeug für kleines Geld“, lautete dann die Devise, und der Name „Werkzeugkiste“ war geboren. Auch eine Tombola wurde organisiert, als Hauptpreis spendierte ein Autohaus einen gebrauchten VW Käfer.

Kreativ zeigten sich die Kisten-Urväter auch beim Verkauf der Tombola-Lose: Die Firma Julius Jöcker stellte einen Firmen-Lkw bereit, mit dem alle Cronenberger Höfe bis hinunter in die Südstadt abgefahren wurden. Dabei, so erinnert sich Heinrich Riemann, wurde nicht für die Werkzeugkiste „getrommelt“, sondern Musik gemacht.

Mobiler Losverkauf per Lkw bis in die Südstadt

Auf der Ladefläche hauten Herbert von der Heyden, der Inhaber des damaligen Teppich- und Tapetengeschäfts in der Herichhauser Straße, mit seiner Band in die Saiten – das bescherte der rollenden Werkzeugkisten-Werbeaktion jede Menge Aufmerksamkeit, „Am meisten Radau war zwischen den neuen Hochhaus-Blocks am Mastweg – die Leute sind zu uns gestürmt, wir haben Unmengen Lose verkauft“, weiß Heinrich Riemann noch.

Auch wenn sie „nur“ auf dem Rathausplatz stattfand, es hier nicht viel mehr als ein paar Stände gab, die Feuerwehr eine Altertums-Übung veranstaltete, der Käfer-Hauptpreis, der soziale Gedanke des Festes und die rollende Marketing-Strategie zeigten Erfolg: „Ganz Cronenberg war unterwegs“, die erste Kiste war ein Riesenerfolg.

Rund 72.000 D-Mark lautete schließlich der Erlös, den Karin Riemann gemeinsam mit dem damaligen Sparkassen-Leiter als Kassenprüfer ermittelten: „Da haben natürlich alle gesagt, das machen wir nächstes Jahr wieder.“ Mithilfe der Mutter aller Kisten konnte schließlich ein Aufzug für den Lebenshilfe-Neubau finanziert werden – und der fährt übrigens noch immer an der Heidestraße hoch und runter…

Karin & Heinrich Riemann: Auch bei der 25. Kiste dabei!

„Ja, selbstverständlich!“, betonen die Kisten-Eltern Riemann, sind sie bei der Jubiläumsauflage wieder mit dabei – wie bei den 24 Malen zuvor auch. Heinrich Riemann wird am Grillstand der FFC die kultige Feuerwehrwurst bruzzeln und Ehefrau Karin sagt: „Ich werde bestimmt auch einmal über die Kisten-Meile gehen“ – ob man sie hier trifft oder dort, dann kann man den beiden auch mal zum silbernen Kisten-Jubiläum gratulieren…!