15.08.2019, 16.45 Uhr   |   Matthias Müller   |   Artikel drucken   |   Instapaper   |   Kommentare

Wo Napoleons Truppen tanzten: Hintersudberg ist voller Geschichte

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Kneipp-Vereins-Vorsitzende Renate Mankel (li.) führte die Interessierten durch ihre Sudberger Hofschaft mit viel Geschichte. | Foto: Matthias Müller

Viele Dörper ahnen heute gar nicht, dass Hintersudberg früher ein eigenes Dorf war. Hier hatte man alles, was zum autarken Leben gehörte. Renate Mankel, die Vorsitzende des Wuppertaler Kneipp-Vereins, wohnt in Hintersudberg und erforschte die Geschichte des Ortsteils. Mitte Juli zeigte sie Besuchern und Bewohnern, wie es sich hier früher lebte.

Renate Mankel hatte zuvor Unbekanntes aufgespürt und Bewohner befragt. So auch den 83-jährigen Horst Grünhagen, dessen Familie nunmehr seit Generationen in einem der ältesten Fachwerkhäuser aus dem Jahr 1600 wohnt. In das Haus zog die Familie im Jahr 1860. Grünhagen kennt noch Dinge, die sich vor mehr als 150 Jahren am heutigen Wuppertaler Südzipfel zugetragen haben. So weiß Renate Mankel: Hintersudberg entstand ursprünglich aus einem Gehöft. Vor über 200 Jahren siedelten sich dann hier auch Schmieden, Werkzeugfirmen und Drechslereien an – eine Mes­singgießerei gibt’s heute noch.

Hergestellt wurden Sägen, Scheren, Äxte und Beile, namhafte Unternehmen wie Picard, Kremendahl, Schmahl und weitere hatten hier ihren Ursprung. Im Zuge der Industrialisierung gab es ebenso schwere Heimarbeit, viele Bewohner betrieben aber auch Viehzucht oder/und Gemüse- und Obstanbau. Man arbeitete und lebte in der Hofschaft und kam nur selten nach Cronenberg oder sogar weiter weg. Unterhaltung boten Spielmannszüge und das heute fast vergessene „Hahneköppen“.

Im Zweiten Weltkrieg wurde in Hintersudberg manches zerstört, weil hier eine Flak stationiert war. Als 1948 die Währungsreform kam, gab es in Hintersudberg keine Not, weiß Renate Mankel. Jetzt florierte der Tauschhandel mit Fett, Speck, Äpfeln, Kartoffeln, Obst und sogar Erträgen des Mohnanbaus. Ebenso gab es Lebensmittelläden und sogar ein Schwimmbad für die Hintersudberger Bürger.

Aus der Geschichte des Hintersudberg fand Renate Mankel auch Interessantes aus der Zeit der napoleonischen Besetzung im Jahr 1815 Heraus: Im Haus Nummer 28 war einst der sogenannte „Kaisersaal“. Hier tanzten und amüsierten sich die Truppen Napoleons. Ebenso wie der „Kaisersaal“ heute ein eher modernes Wohnhaus ist, wurden Kuh-, Schweine- und Pferdeställe ebenfalls zu Wohnhäusern. Dafür ist die Bienenzucht inzwischen verbreitet. In manchen Gassen aber ist es, als wäre die Zeit stehengeblieben – viele der „Alten“ wohnen noch immer in Hintersudberg, wo es ruhig zugeht.

Einmal gingen die Hin­tersudberger aber auch auf die Barrikaden gegen die Moderne: Ungefähr Anfang der 1960er-Jahre sollte im Bereich Hintersudberg 1 ein Campingplatz entstehen – das verhinderten die Bürger, auch weil sie Angst um ihr Obst hatten…