22.10.2019, 16.30 Uhr | Meinhard Koke | Artikel drucken | Instapaper | Kommentare
Bürgerverein Sudbürger: „Mehr Helge Lindh braucht das Land…“
Einer seiner Slogans im Wahlkampf zur Bundestagswahl 2017 lautete „Mehr Helge für Wuppertal“ – zwei Jahre nach seiner Wahl scheint SPD-Abgeordneter Helge Lindh diesen Werbespruch noch nicht auf Eis gelegt zu haben. Und zwar sogar im fernen Sudberg, wo ja nicht er, sondern Jürgen Hardt (CDU) seine bundespolitische Heimat hat, sorgt der 42-Jährige für „mehr Helge“: Helge Lindh war Gast des Oktober-Stammtisches des Bürgervereins „Sudbürger“.
Auch wenn „Sudbürger“-Chef Peter Vorsteher politisch ein Grüner ist, es war in seinen Einführungsworten unüberhörbar: Er schätzt seinen SPD-Gast. Lindh sei ein „sehr fleißiger Zeitgenosse“, der sich sehr dafür einsetze, Bundesmittel nach Wuppertal zu leiten. Und es sei Lindh „hoch anzuerkennen“, dass er der „Sudbürger“-Einladung in den Nicht-Wahlkreis gefolgt sei, lobte Vorsteher weiter – „Sudberg zieh‘ ich mir noch in meinen Wahlkreis rein“, kündigte Lindh schmunzelnd an: Sein Wahlkreis ende dort, wo er will.
Zwar konnte Lindh die wenigen Gäste des Stammtisches per Handschlag begrüßen. Der Leidenschaft, mit der er seine Arbeit als Bundestagsabgeordneter skizzierte, tat das keinen Abbruch. Ein Bundestagsabgeordneter führe ein Leben in Heimatlosigkeit: In den Sitzungswochen sei er manchmal drei Wochen lang am Stück in Berlin, außerhalb pendele er mitunter mehrfach mit der Bahn hin und her zwischen Wuppertal und der Hauptstadt. Im Ergebnis fühle er sich wie ein „Labortier“ der Nichtfähigkeit der Bahn AG, technische Probleme in den Griff zu kriegen – „in Selbsterfahrung“ sei die Bahn mindestens zu 50 Prozent mit Verspätung unterwegs.
Seine Berlin-Wochen seien durchgetaktet, zumal ob der späten Regierungsbildung in kürzerer Zeit noch mehr geschafft werden müsse. Lindh führte den Sudbüger-Stammtisch in seinen Wochenkalender ein – Anhörungen, Sitzungen von Parlament, Fraktion, Landesgruppe, Ausschüsse und Arbeitsgruppen sowie auch Lobby-Veranstaltungen („Meide ich weitgehend“) – das Tempo sei hoch, der Handlungs- und Erwartungsdruck groß. Zumal Lindh nicht nur den Ausschüssen für Kultur und Medien sowie für Inneres und Heimat angehört, sondern auch stellvertretender Vorsitzender der Parlamentariergruppe „Anden-Staaten“ ist.
Lindh ist fleißig: Mit 44 Reden ist er der SPD-Abgeordnete, der bislang am häufigsten ans Rednerpult trat. Gestern Plenum, heute Sudbürger, morgen Kalkar – wie er das alles schafft? „Ich liebe das, was ich mache“, sagt Helge Lindh. Ja, das Pensum sei manchmal erschöpfend, manchmal belastend, „aber es erfüllt – deswegen mache ich das ja“. Er fühlt sich als Dienstleister für Wuppertal, deshalb macht er sich ebenso für das Pina-Bausch-Tanzzentrum stark wie für das Freibad Mählersbeck und auch beim Thema Altschuldenfonds glaubt Lindh, dass sich „jetzt endlich was bewegt“: „Ich mach‘ da Druck“, verspricht er.
Seine offenen Worte in der Flüchtlingsdebatte oder gegen Rechts und dass er sich auf einem Rettungsschiff im Mittelmeer selbst ein Bild von der Lage machte, sorgen dafür, dass es der Bundestagsneuling schon zu gewisser medialer Bekanntheit gebracht hat – Lindh ist kein stiller Hinterbänkler. Und er steht im Fokus von Extremisten: Sein Handy wurde gehackt, Helge Lindh durfte auf einer Linken-Demo nicht sprechen, weil er im Bundestag für den Migrationspakt votiert hatte, er steht zugleich auf der Mordliste eines rechten sogenannten „Staatsstreichorchesters“.
Das alles zeige, wie verrottet das Klima sei, „je klarer man auftritt, desto mehr kriegt man auch ab“. Schrecken lassen will sich Lindh davon nicht: „Ich fühle mich ganz gut betreut vom Staatsschutz“, sagt er und fügt später fast leidenschaftlich hinzu: „Viele wissen gar nicht, was wir haben an unserer Demokratie hier.“ Seiner SPD indes rät er, in der Groko zu bleiben: „Ich halte es für falsch zu glauben, die SPD geht raus und dann fliegen ihr die Massen zu.“
Beim Wähler die Kurve kriegen könne seine Partei ebenso nur, wenn sie ihr permanentes Selbstmitleid aufgebe – das sei wenig attraktiv. Apropos: Zwei Damen am Sudbürger-Stammtisch, eine davon übrigens ehemaliges Mitglied der Jungen Union, fanden Lindh (politisch) attraktiv: Er sei offen, leidenschaftlich und vor allem authentisch – die SPD brauche mehr Lindhs, befanden sie, aber auch der Politik insgesamt täte „mehr Helge“ gut, da waren sich die beiden Stammtisch-Gäste am Ende einig…