21.11.2019, 16.24 Uhr   |   Meinhard Koke   |   Artikel drucken   |   Instapaper   |   Kommentare

Juri Lietz: Nach Giraffe nun wieder Graubrot auf dem Speisezettel

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Sand bis zum Hoizont, auch das war ein Kontrast zum heimischen Cronenberg für Juri Lietz während seines Freiwilligen Jahres in Namibia. | Foto: privat

Er erlebt in diesem Jahr zwei Winter – Juri Lietz. Wie das geht? Nun, die erste Winterzeit verbrachte der junge Cronenberger in der südlichen Hälfte der Erdkugel, die zweite wird er im heimischen Cronenberg erleben – vielleicht sogar mit Schnee… Den hatte Juri Lietz in seinem ersten Winter 2019 nicht, schließlich brachte er die vermeintlich kalte Jahreszeit in Okahandja in Namibia zu: Hier absolvierte der 19-Jährige nach dem Abitur ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) über die Vereinte Evangelische Mission (VEW). Und in dem Land im Süd-Westen Afrikas ist es selbst im Winter frühlingshafte 13 bis 20 Grad kalt, oder besser warm.

Entsprechend außergewöhnlich „temperiert“, so berichtet der Cronenberger nach seiner Rückkehr, fiel auch das Weihnachtfest aus – Juri Lietz verbrachte es schwitzend bei 35 Grad Celsius. Und der Silvesterabend war für den frisch gebackenen Studenten der Transkulturalität auch etwas anders als hierzulande: Mit einem Nachbarn und bei selbstgemachter Pizza „feierte“ er vor dem Fernseher, welches die Silvesterparty aus Windhoek übertrug – „das war nichts Besonderes“, blickt Juri Lietz auf seinen ruhigen Start ins Jahr 2019 zurück.

Nicht nur ob der Temperatur-Kontraste oder weil an Silvester wenig geböllert wurde, war das Freiwilligen-Jahr am anderen Ende der Welt zunächst „etwas schwierig“ für den jungen Dörper: Heimweh habe er zwar nicht gehabt, blickt Juri Lietz zurück. Aber erstmals ganz auf sich allein gestellt gewesen zu sein, sich zudem in dem so ganz anderen Land einzufinden, das habe seine Zeit gebraucht: „Zum Ende aber habe ich mich immer mehr dort zu Hause gefühlt“, erzählt der 19-Jährige.

Deutschland sollte Völkermord eingestehen
Juri Lietz bewohnte in seinem Namibia-Jahr eine kleine Wohnung neben dem Zentrum der Gemeinde, in der er eingesetzt war. Hier arbeitete er zum Beispiel in einem diakonischen Altenheim und einer Schule oder engagierte sich in einer Jugendgruppe. Mit der Zeit lernte er die verbreitete Sprache Afrikaans und tauchte immer stärker in Kultur, Politik und Geschichte des Landes ein, das nach der Mongolei als der am dünnsten besiedelte Staat der Erde gilt.

Und das bis 1915 die deutsche Kolonie Südwest war – ein Kapitel, welches bis heute eine offene Wunde im Verhältnis zu Deutschland darstellt, wie Juri Litz erfuhr. Denn die deutschen „Schutztruppen“ schlugen Aufstände blutig nieder, zehntausende Menschen starben, der Vernichtungskrieg gegen Herero und Nama gilt als Völkermord, den Deutschland jedoch bis heute nicht offiziell anerkannt hat. Die schlimmen Verbrechen müssten endlich aufgearbeitet werden, findet Juri Lietz, der in Namibia auf eine große Bereitschaft dazu stieß: „Wir müssen Frieden machen, um dann neu zusammenarbeiten zu können.“

Deutsche Haferflocken im Namibia-Supermarkt

Nicht nur seine Meinung zur besonderen deutschen Verantwortung für Namibia hat Juri Lietz geschärft. Auch zu den weltweiten Abhängigkeiten oder den Ungerechtigkeiten im Welthandel hat der Student neue Einsichten gewonnen: In den Supermarkt-Regalen über Haferflocken oder Dosengemüse aus dem fernen Deutschland zu stolpern, „da wird einem schon mulmig“, findet Juri Lietz auch vor dem Hintergrund des Kolonialismus: „Vor allem wenn man weiß, dass die einfachen Bauern in Namibia nicht viel haben.“

Trotz der düsteren Vergangenheit und der fehlenden Aufarbeitung in Deutschland, trotz der wirtschaftlichen Ungleichheiten, Juri Lietz erlebte in Namibia keine Vorbehalte, sondern viel Freundlichkeit und schloss einige Freundschaften. Dass die Uhren in Namibia etwas anders gehen, hat ihn gelassener gemacht, das Jahr am anderen Ende der Welt habe ihn charakterlich reifen und auch seine Offenheit für fremde Menschen wachsen lassen: „Das Jahr hat mir gut getan, ich bereue meine Entscheidung nicht.“

Regen, Graubrot, RSC: Schön, wieder im Dorf zu sein!

Dennoch hat er sich auf die Rückkehr nach Cronenberg gefreut: Auch wenn er Geschmack am Maismehl-Püree „Mielie Pap mit Vleis“ gefunden und ihm auch Giraffen-Fleisch durchaus gemundet hat, das erste, was zurück im Dorf anstand, war ein Einkauf in „Policks Heimat“. Endlich mal wieder Graubrot – lecker: „Ich hab‘ das einfach so gegessen und richtig genossen.“ Ebenso wie den ersten Regenguss daheim – nach der Trockenheit während seines Namibia-Jahres „war ich froh, mal wieder im Cronenberger Regen zu stehen“.

Auch freut sich Juri Lietz, seine RSC-Löwen nun wieder live anfeuern zu können – am vergangenen Samstagabend fieberte er auch beim Europacup-Rückspiel in der RSC-Fankurve mit den Löwen…