29.01.2020, 13.37 Uhr   |   Meinhard Koke   |   Artikel drucken   |   Instapaper   |   Kommentare

So macht Wuppertal richtig Spaß: Talfahrt-Gastspiele bei Knipex

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Hatten nicht nur die Narrenkappe im Knipex-Forum auf: Ulrich Rasch, Jens Neutag und Jürgen H. Scheugenpflug (v.l.). | Foto: Meinhard Koke

„Machen die das immer?“, fragte eine Besucherin, die sich im Knipex-Forum scheinbar erstmals einen satirischen Jahresrückblick „Talfahrt“ gönnte. Gemeint war die Intonation des Bergischen Heimatliedes zum Beginn des Abends: Ja, mit der bergischen Nationalhymne läuten Jens Neutag, Ulrich Rasch und Jürgen H. Scheugenpflug alljährlich ihre Programme ein. Diesmal projizierte das Kabarett-Dreigestirn auch den Text der Hymne an die Wand – so sang das gesamte Knipex-Forum kräftig das Heimatlied. Vor der Tür hörte man derweil den mächtigen Hammer in der Knipex-Schmiede stampfen – bergischer geht’s kaum…

Zum elften Mal tourt das Dreigestirn mit einem Jahresrückblick durch die Lande – klar, dass ob des jecken Jubiläums auch der Wuppertal-Karneval aufs Korn genommen wurde. Beziehungsweise das, was davon übrig geblieben ist: „Büttenreden haben wir nicht, wir singen hier auch nur zwei Lieder – mehr machen wir nicht“, erläuterte ein Karnevalist in einem WDR-Beitrag, der an die Knipex-Wand „gebeamt“ wurde – mehr Niedergang geht kaum im närrischen Tal. Das „Mehr machen wir nicht“ avancierte denn auch zu einem der Running-Gags des Abends: Zu manchem Thema spielten Scheuge & Co. den O-Ton ein – schließlich ist in Wuppertal ja vielfach weniger mehr…!

Selbsterklärter „Kabarettist und Mensch“: Jens Neutag | Foto: Meinhard Koke

Aber nicht nur in der fünften Jahreszeit, sondern ganzjährig, wie diverse Einspieler aus dem Rats-TV offenbarten. Schließlich garantiert das für einen reichen Spaß-Fundus, wie die Sequenzen aus dem Wuppertaler Ratssaal deutlich machten. Da durfte sich das Publikum darüber amüsieren, dass FDP-Fraktionschef Alexander Schmidt zur Wiedereinführung der Baumschutzsatzung zum Besten gab, dass er als Ersatz für die Fällung eines Baumes vor seinem Haus neue Bäume in seinem Garten gefällt habe… Und da kam immer wieder SPD-Fraktionschef Klaus-Jürgen Reese („Ja, der lebt noch“) mit dem legendären Satz „Dat Ganze is ’n bissken eigenartich…“ zu Wort. Auch verdienten sich Kulturdezernent Nocke sowie Kämmerer Slawig Bestnoten für ihr Taschentuch-Duett – derart synchron geht es nicht immer in der Tal-Politik zu!

Dass „Reichswürstchenführer“ Michael Müller (CDU) und Ursula Schulz (SPD) ob ihrer Rückzüge als CDU-Fraktionschef beziehungsweise Bürgermeisterin dem Kabarett-Trio womöglich letztmals Futter gaben, dürfte zu verkraften sein: Schließlich bleibt den Talfahrern ja Baudezernent Frank Meyer (SPD) erhalten. „Kann man eigentlich von einer Magerwiese sprechen, wenn Frank Meyer darauf zu sehen ist?“, fragte Jens Neutag in die Runde – deftig, da ging ein Raunen durchs Forum. Liebgewonnenes „Talfahrt“-Reizthema: der Wuppertaler SV. Die immer wieder neuen Finanzprobleme und das sich zuverlässig drehende Personalkarussell bei dem Regionalligisten zogen sich einmal mehr wie ein roter Faden durch den Rückblick – Fazit: „Der WSV hat kein Ausgaben-, sondern ein Einnahmeproblem – wie Boris Becker!“

Jürgen H. Scheugenpflug nimmt das Wuppertal-Jahr alle Jahre wieder auch musikalisch „aufs Korn“. | Foto: Meinhard Koke

Jürgen H. Scheugenpflug nimmt das Wuppertal-Jahr alle Jahre wieder auch musikalisch „aufs Korn“. | Foto: Meinhard Koke

Weiterer „Talfahrt“-Schwerpunkt: Die häufigen Schwebebahn-Pannen. Während der neunmonatigen Pause hätte man doch prima einen Geburtsvorbereitungskurs in den stillstehenden Bahnen durchführen können – die geborenen Schwebebahn-Mädels würden dann „Kluse“ heißen und die Jungen „Bruch“. Die Schwebebahn sei für Wuppertal wie das Colosseum für Rom, zitierten die Talfahrer aus einem Zeitungsartikel. Kann nicht sein, denn: „Wie oft stand ich schon in Rom an der Haltestelle und hab‘ aufs Colosseum gewartet?“, fragte sich Jens Neutag. Auch im närrischen elften Talfahrt-Jahr ging der Blick besonders in den Wuppertaler Osten. Diesmal war Langerfeld im Fokus.

Dass der dortige Zug-Halt beim Bahnhofs-Test durchfiel, kein Wunder: „Der passt sich ja nur der Umgebung an!“ Dass dort Häuser abgesackt sind, kein Problem: „Das ist da ja jetzt viel schöner als vorher!“ Auch der Wikipedia-Eintrag zu Langerfeld kam aufs Talfahrt-Tapet. Nicht jeder Stadtteil könne schließlich mit nur einer „Bekannten Persönlichkeit“ auftrumpfen, die obendrein ein ehemaliger Nazi-Politiker und SS-Standartenführer ist. Nicht ungeschoren kam aber auch Cronenberg davon: Gartenhallenbad und Schwimmsport-Zentrum gleichzeitig zu – da hatten die Dörper 2019 ein Hygiene-Problem.

Reichsbürger lehnten ja die Grundordnung der BRD ab, ließen die Kabarettisten auch wissen: „So wie die Cronenberger die Stadt“, erklärten sie – da schien die Stimmung in der Knipex-Schmiede kurzzeitig zu kippen. Kein Problem für Neutag, Scheuge & Rasch: Kurzer Einspieler des legendären „Ooorder!“-Rufes des englischen Ex-Parlamentssprechers John Bercow, und schon war das Knipex-Publikum wieder „geschmeidig“…! Auch der Dörper Wahl-Skandal 2019 blieb nicht unerwähnt: Da ein Raum im Dörper Bürgerbüro abgeschlossen war, kam man zur Öffnung des Wahllokals bei der Europawahl nicht an die Wahlunterlagen. Folge: Nun wolle die OSZE zur Kommunalwahl im September Wahlbeobachter ins Dorf entsenden, hieß es.

Wurden auch diesmal wieder am Ende ihrer beiden ausverkauften Gastspiele im „Forum“ der Firma Knipex gefeiert: die „Talfahrer“ Ulrich Rasch, Jens Neutag und Jürgen H. Scheugenpflug. | Foto: Meinhard Koke

Wurden auch diesmal wieder am Ende ihrer beiden ausverkauften Gastspiele im „Forum“ der Firma Knipex gefeiert: die „Talfahrer“ Ulrich Rasch, Jens Neutag und Jürgen H. Scheugenpflug. | Foto: Meinhard Koke

Die zwei Talfahrt-Stunden warteten mit vielen Gags mehr auf und natürlich verarbeitete das Kabarett-Trio auch diesmal manches Thema musikalisch. So wurde das „Drama“ um den Bonobo-Affen Billy mit dem Lied „Wo ist der Bonobo, wo ist der Bonobo – wer hat den Bonobo geklaut?“ („Wer hat die Kokosnuss geklaut“) vertont. Auf Ex-CDU-Chef Matthias Nocke wurde mit „Nock‘, Nock‘, Nocke an der Rathaus-Tür“ gerockt, während als Ode an Langerfeld der Grönemeyer-Hit „Bochum“ diente: „Tief im Osten, wo die Sonne nie scheint…“

Jürgen H. Scheugenpflug, Jens Neutag und Ulrich Rasch zogen einmal mehr alle Register, Blicke über den Wuppertaler Tellerrand auf die Bundes- und Weltpolitik sparte sich das Trio aber bei seiner elften „Session“. Sie wurden nicht vermisst, denn: Die Wuppertaler Schlagzeilen 2019 reichten allemal für einen Abend, der auf jeden Fall närrischer war, als der im WDR-Beitrag beschriebene. Ohne Zugabe entließ das begeisterte Knipex-Publikum die Talfahrer denn auch nicht in den Feierabend – der Talfahrt-Evergreen „Wuppertal, je t’aime“ war als Schlusspunkt einmal mehr geradezu Programm!

Letzte Termine

Wer die beiden Gastspiele in der Knipex-Schmiede verpasst beziehungsweise keine Karten mehr bekommen hat, muss nicht traurig sein: Für den letzten „Talfahrt“-Termin am morgigen 30. Januar im „Barmer Bahnhof“ gibt es noch Karten. Diese sind online unter wuppertal-live.de oder natürlich in der CW-Geschäftsstelle erhältlich.