24.12.2020, 12.55 Uhr | Meinhard Koke | Artikel drucken | Instapaper | Kommentare
Nicht Komet, sondern Konjunktion: Stern von Bethlehem leuchtet
Die Magier aus Babylon folgten ihm, Michael Winkhaus, der „Magier“ vom Carl-Fuhlrott-Gymnasium, erklärt ihn: den Stern von Bethlehem, der uns (ausgerechnet) zur „Corona-Weihnacht“ 2020 leuchtet.
Das diesjährige Weihnachtsfest ist ein besonderes. Allerdings nicht allein, weil wir es im harten Lockdown feiern. Auch astronomisch ist Weihnachten 2020 alles andere als „gewöhnlich“, es steht sogar unter einem besonderen Stern: dem Stern von Bethlehem. „Wer abends eine freie Sicht nach Westen hat, muss sich das aktuelle Himmelsschauspiel unbedingt ansehen“, ermuntert Michael Winkhaus, der „Chef-Astronom“ des Carl-Fuhlrott-Gymnasiums (CFG), begeistert.
Höhepunkt der Himmelserscheinung war punktgenau am Montag, also am ursprünglichen Weihnachtfesttag, dem 21. Dezember (Wintersonnenwendtag und Datum der Geburt des römischen Sonnengottes „Sol invictus“): „Da verschmolzen Jupiter und Saturn zu einem hellen Stern, den man mit bloßem Auge nicht mehr getrennt wahrnehmen konnte“, erklärt Michael Winkhaus das „himmlische“ Phänomen. Nur mit einem Teleskop war dabei zu sehen, dass der hell leuchtende „Bethlehem-Stern“ in Wahrheit die Begegnung der beiden größten Planeten unseres Sonnensystem war – leider nicht vom CW-Land aus: Verregneter Wolkenhimmel verdeckte das biblische Himmelsspektakel bei uns.
Bethlehem-Stern: Biblische Gechichte oder frommes Märchen
Alljährlich stellt sich zur Weihnachtszeit die Frage: „Gab es den Stern von Bethlehem überhaupt, der den drei Weisen aus dem Osten den Weg zur Krippe gewiesen haben soll? Oder ist diese biblische Geschichte nur ein frommes Märchen?“ Mit der Konjunktion von Jupiter und Saturn ist die Antwort gegeben. Der Kern der Geschichte, so erklärt CFG-Astronom Michael Winkhaus, geht auf das Evangelium von Matthäus zurück. Dort steht: „Als Jesus geboren worden war zu Bethlehem in Judäa zur Zeit des Königs Herodes, siehe, da gelangten Magier aus dem Osten nach Jerusalem und fragten: ,Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern im Aufgang gesehen und sind gekommen, ihn ehrfurchtsvoll zu begrüßen‘.“
Die Magier, also die „Weisen aus dem Morgenland“, müssen vornehme Herren gewesen sein, erläutert Michael Winkhaus weiter – sonst wären sie ja kaum zu König Herodes vorgelassen worden. Sie kamen wohl aus Babylon: Hier hatte die Himmelskunde eine ganz besondere Bedeutung und man richtete fast das gesamte Leben nach dem Sternenhimmel aus. In den Gestirnen Sonne, Mond, Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn sah man dort im wahrsten Sinne „überirdische“ Wesen, also Gottheiten, die durch den Himmel wandern.
Bestimmungsfehler: Christi Geburt war schon 7. v. Chr.
Die Priester-Astronomen kannten ihre Bewegungen am Himmel genau und konnten diese sogar mindestens 50 Jahre im Voraus berechnen – ob dieser Gabe wurde ihnen gerne geglaubt. Aber gab es nun zur Zeit der Geburt Christi eine Himmelserscheinung, welche die babylonischen Magier nach Jerusalem reisen ließ? „Dazu muss man wissen, wann Jesus Christus ungefähr geboren wurde“, antwortet „CFG-Magier“ Michael Winkhaus: Nein, nicht im Jahr 1 oder 0 unserer Zeitrechnung, wie man ob unserer Zeitrechnung denken mag. Das Jesus-Kind, weiß Michael Winkhaus, kam vielmehr schon um „7 v. Chr.“ zur Welt. Hintergrund: Im römischen Reich zählte man die Jahre zunächst ab der Gründung Roms (753 v. Chr.), im Jahr 525 n. Chr. führte der Mönch Dionysius Exiguus dann die Zählweise A.D. (Anno Domini, also „nach der Geburt des Herrn“) ein – bei der Bestimmung des Geburtsjahres Christi unterlief ein „Rechenfehler“…
Ebenso ein Fehler sind Darstellungen des „Sterns von Bethlehem“ als Komet. „Zum einen sind diese hellen Schweifsterne von den Babyloniern nicht im Voraus zu berechnen gewesen“, weiß Michael Winkhaus, „und zum anderen gab es im Jahr 7 v. Chr. mit Sicherheit keinen Kometen am Himmel zu sehen“. Auch seien Kometen niemals als Geburtsanzeiger angesehen worden, sondern vielmehr als Unglücksboten. Aber auch das Erscheinen einer Supernova, von Johannes Kepler als „Stern von Bethlehem“ ins Spiel gebracht, scheidet aus: „Vielmehr müssen wir uns auf die Suche nach einem Himmelsereignis machen, das zur babylonischen Astrologie und ihrem Sternenglauben passt.“ Und das war im Jahr 7 v. Chr. eine dreifache Begegnung (Konjunktion) von Jupiter mit Saturn.
Saturn galt bei den Magiern als Göttin Kewan, die Herrscherin und Schutzpatronin der Juden. Das Sternbild der Fische wiederum symbolisierte das Land Palästina, das von Babylon aus am Meer, also bei den Fischen, liegt. Dass Jupiter dreimal knapp an Saturn vorbeiwanderte, wurde von den Magiern als dreifache Begegnung ihres Gottes Marduk mit der Göttin Kewan im Sternbild der Fische, also einem Liebestanz gesehen, mit dem Ergebnis, dass im Lande der Fische (also in Palästina) der neue König der Israeliten das Licht der Welt erblickt habe. Und so machten sie sich auf den weiten Weg, um dem neuen Gottessohn zu huldigen. Wo anders sollten sie suchen als am Königshof in Jerusalem. Von hier aus gesehen standen die eng umschlungenen Planeten abends genau hoch im Süden und wiesen den Sternendeutern damit den Weg nach Bethlehem – schon vom Propheten Micha war es im Alten Testament als Geburtsort des neuen Messias vorhergesagt worden.
Mohammeds und Luthers Geburtsjahre im Zeichen von Jupiter-Saturn-Konjunktionen
Das Besondere der Wiederkehr des Sterns von Bethlehem 2020: In diesem Jahr fand die Himmelserscheinung genau an dem Datum der Geburt des römischen Sonnengottes „Sol invictus“, also dem ursprünglich festgelegten Weihnachtfesttag, also am 21. Dezember (Wintersonnenwendtag), ihren Höhepunkt. Man darf nun gespannt sein, was da kommen mag: Wie Michael Winkhaus berichtet, sollen auch das angebliche Geburtsjahr Mohammeds (571) und das von Martin Luther (1483) im Zeichen von großen Konjunktionen gestanden haben. „Wer weiß, vielleicht wird man in Zukunft der besonders nahen Begegnung der beiden Planeten Jupiter und Saturn zur Wintersonnenwende 2020 astrologisch auch eine besondere Bedeutung zuweisen“, zeigt sich auch Michael Winkhaus gespannt: „Eine besondere Zeit erleben wir mit der aktuellen Pandemie ja auf jeden Fall“, wünscht der „Magier“ vom Schulzentrum trotzdem „Frohe Weihnachten!“
Übrigens: Am morgigen Freitag soll unser weihnachtlicher Abendhimmel aufklaren – vielleicht bekommen Sie den Stern von Bethlehem auf seinen letzten Weihnachtsmetern noch zu sehen… Eine Zeitreise zurück ins Jahr -6 bietet derweil das kostenfreie Planetariumsprogramm „Stellarium“ unter stellarium.org.