07.01.2021, 14.50 Uhr   |   Meinhard Koke   |   Artikel drucken   |   Instapaper   |   Kommentare

Matthias Neumann: Ein „Abendmahl“ aus Restposten-Schaufenster

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Pfarrerin Dr. Sylvia Hartmann ließ sich durch das „Abendmahl“-Bild von Matthias Neumann (re.) zu ihrer Predigt inspirieren. | Foto: Meinhard Koke

Anfang November 2020 wollte Matthias Neumann im Rahmen der WOGA gemeinsam mit Keramik-Künstlerin Karin Putsch-Grassi Foto-Werke im Forum der Firma Knipex präsentieren – coronabedingt ausgefallen wie alle Ausstellungen derzeit. Trotz des Lockdowns stand ein Bild des Foto-Künstlers kürzlich aber im Mittelpunkt: In der Gottesdienst-Reihe „Kirche trifft Kunst“ hatte Dr. Sylvia Hartmann, die Pfarrerin der Evangelischen Gemeinde Küllenhahn, das Neumann-Werk „Abendmahl“ ausgewählt.

Die Fotografie des Küllenhahners zeigt ein ganz und gar profanes Motiv: einen Ausschnitt aus dem Schaufenster eines Restposten-Ladens in Wupperfeld. Matthias Neumann blieb auf einer „Foto-Safari“ durch den Wuppertaler Osten an der Auslage hängen: Auf den ersten Blick sei die Gemengelage aus Topf-Sets, Besteckkästen und einer Abendmahl-Darstellung aus Plastik-Spritzguss als exotischer Mittelpunkt ein kurioses Durcheinander. Matthias Neumann faszinierte es jedoch, denn: Das kuriose Angebote-Wirrwarr sei von dem türkischstämmigen Ladeninhaber geradezu mit Bedacht drapiert worden.

Fasziniert, so berichtete der Foto-Künstler, sei er an mehreren Tagen und zu verschiedenen Zeiten zu dem Schaufenster zurückgekehrt, um mit seiner Kamera aus verschiedenen Blickwinkeln und mit unterschiedlichen Brennweiten das „ultimative“ Abendmahl-Motiv „einzufangen“. Ergebnis ist nicht nur das Werk „Abendmahl“ in der Neumann-Reihe „Urbanics“, sondern auch die Bekanntschaft mit dem Wupperfelder Ladenbesitzer. Der, so berichtete Matthias Neumann nicht ohne zu schmunzeln, wurde irgendwann von Anwohnern auf den „merkwürdigen“ Unbekannten mit der Kamera vor seinem Schaufenster aufmerksam gemacht. Der Geschäftsmann sprach Matthias Neumann an, lud ihn zum türkischen Tee ein und man plauderte nett miteinander…

Neumann-Abendmahl: „Anstößig“ wie die Reformation

Obwohl mancher ein Abendmahl-Motiv inmitten von Töpfen und Bestecken vielleicht als anstößig empfinden mag, Verletzendes kann Matthias Neumann nichts daran finden beziehungsweise empfinden. Im Gegenteil: Die Schaufenster-Szenerie, deren eigentlich kleines Plastik-Abendmahl Matthias Neumann durch die Auswahl von Blickwinkel, Objektiv und Brennweite künstlerisch in den Mittelpunkt rückte, strahle eine geradezu besondere Würde aus, findet Matthias Neumann – trotz oder gerade ob der Kulisse…!

Dass ein muslimischer Ladenbesitzer ein Plastik-Abendmahl in sein Schaufenster setzt, um damit Käufer aus der Gemeinde der vielen griechischstämmigen Wupperfelder anzuziehen, mag kurios sein und/oder einfach purer Geschäftssinn. Das Wupperfelder „Abendmahl“ kann ebenso aber auch als Ausdruck von kultureller Vielfalt und eines gelebten Miteinanders verstanden werden – das Matthias Neumann durch die Einladung des Ladenbesitzers auch selbst erfuhr – als Geste soll der Geschäftsmann einen „Abendmahl“-Abzug erhalten, hat sich Matthias Neumann vorgenommen.

Pfarrerin Sylvia Hartmann bezeichnete die Abendmahl-Darstellung zwar als „schräg-außergewöhnlich“, was das klassische Abendmahl-Gemälde rechts von ihr an der Wand des Küllenhahner Gemeindehauses als eindrucksvoller Kontrast unterstrich. Vielleicht aber könne gerade auch eine solche Darstellung helfen, festgefahrene Sichtweisen zu lösen, schlug die Küllenhahner Pfarrerin in ihrer Predigt unter anderem auch einen Bogen zur Reformation. Denn die Reformation habe ja mit tradierten (Glaubens-)Vorstellungen „gebrochen“ – ebenso wie es das Wupperfelder 29-Euro-Abendmahl, welches Matthias Neumann inszeniert hat, das auch tut…

Infos zum Foto-Künstler

Matthias Neumann ist Bratschist des Wuppertaler Sinfonieorchesters, hat sich aber in den letzten Jahren auch einen Namen als Foto-Künstler gemacht. Mehr Infos zu ihm sind online unter matthias-neumann.com abrufbar.