17.03.2021, 16.50 Uhr   |   Meinhard Koke   |   Artikel drucken   |   Instapaper   |   Kommentare

Von Angst bis hin zu Alltag: So war das Jahr im Zeichen des Virus

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Vor einem Jahr dankte dieses Plakat an der Hahnerberger Straße allen, die im ersten Lockdown das (öffentliche) Leben weiter „am Laufen hielten“. Ein Jahr später ist das Plakat weg, das Virus aber beherrscht noch immer den Alltag…! | Archiv-Foto: Meinhard Koke

Vor einem Jahr berichtete die CW über die ersten Corona-Fälle in der Stadt und nur eine Woche später war die Welt eine völlig andere / Wie haben Dörper das historische Krisen-Jahr erlebt? Wir haben entlang der Hauptstraße nachgefragt.

Vor einem Jahr war es so weit: Das Virus war in Wuppertal angekommen und stellte unser Leben fast von jetzt auf gleich auf den Kopf. Am 11. März vermeldete die Stadt vier bestätigte Corona-Fälle in Wuppertal, eiligst wurde die Bürger-Hotline der Stadt (02 02 563-20 00) geschaltet und das Drive-In-Testzentrum bei der Feuerwehr Linde eingerichtet. Aber: Es wurde noch Rollhockey und Fußball gespielt, der damalige OB Andreas Mucke lud für die folgende Woche zu einem Workshop zur Zukunft der Schule Berghauser Straße ein, die Anmeldungen für den LaminatDepot-Lauf 2020 begannen, während sich die Show-ChorTaler auf ihr Doppelkonzert im Zentrum Emmaus freuten…

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Daraus wurde nichts mehr: Eine Woche später sah die Welt schon völlig anders aus. Mittlerweile hatte sich die Zahl der (registrierten) Corona-Fälle auf 61 vervielfacht, Schulen, Kitas, Restaurants und die meisten Geschäfte schlossen, Altenheime und Krankenhäuser erließen einen Besucher-Stopp und NRW-Vizeregierungschef Joachim Stamp (FDP) warb eindringlich dafür, Kontakte möglichst zu vermeiden. Beinahe flehentlich appellierte er an ältere Menschen, auch nicht mehr einkaufen zu gehen, sondern daheim zu bleiben: Es gehe darum, eine dramatische Lage wie in Italien zu verhindern – „jetzt müssen alle ihr Ego zurücknehmen und diszipliniert sein“, mahnte Stamp eindringlich.

„Zurücknehmen“ und „Disziplin“ wurden zu Geboten, aber nicht nur der Stunde, auch nicht für Tage und Wochen, seit inzwischen einem Jahr hält uns das Virus im Griff – unterbrochen von einem Sommer, der beinahe wie immer war und bei vielen eine trügerische Entspannung der Pandemie suggerierte – ab dem Spätherbst sollte Corona heftiger denn je grassieren, und „Zurücknahme“ und „Disziplin“ erneut zur ersten Bürgerpflicht werden! Nach abgesagten Oktoberfesten und Weihnachtsmärkten, einem Heiligen Abend und Silvester im engsten Familienkreis sowie drei Monaten Lockdown gibt es zum Corona-Jahrestag immerhin Hoffnung.

Wenn auch der Start holprig ausfiel, der Beginn der Corona-Schutzimpfungen könnte einen Wendepunkt in der denkwürdigen Krise markieren – nach einem Jahr unter der Corona-Knute ist eine Rückkehr zur Normalität in Sichtweite. Wenn da nicht die Virus-Mutationen wären…! Wie war für Sie das Corona-Jahr, haben Sie es gut oder eher schlecht verkraftet, welches Zeugnis stellen Sie dem deutschen Corona-Management aus – das haben wird zum Jahrestag entlang der Hauptstraße nachgefragt:

Reinhard Mundt

„Ein bisschen beklemmend“, hat Reinhard Mundt (61) zwar die vergangenen zwölf Monate empfunden, besonders einschneidend sei der Tod des Vaters gewesen, der an/mit dem Virus verstorben sei. Abseits dieses traurigen Ereignisses habe er die Pandemie persönlich bislang „sehr gut verkraftet“. Okay, sein Sport Bogenschießen fehlt ihm, aber dafür walkt Reinhard Mundt eben mit den Stöcken.

Das Management von Bundesgesundheitsminister Spahn bezeichnet Mundt als Katastrophe, Bundeskanzlerin Merkel ist für ihn indes die einzige positive Figur in der Pandemie – obwohl er nach eigenen Worten „kein CDU-Freund“ ist: „Ich habe sie schätzen gelernt“, sagt Reinhard Mundt und unterstreicht: „Ich bin heilfroh, dass ich in Deutschland lebe – ich möchte nicht woanders sein!“ Die Lockdown-Lockerungen hält Mundt für „Wahlkampf“, er befürchtet, dass der Schuss nach hinten losgeht: „Aber ich möchte nicht Recht damit behalten…“

Je dunkler es wurde im Herbst, desto schlimmer war es…

Ingeborg Bock

Sie habe zunächst mit völligem Verständnis alles getan, blickt Ingeborg Bock (76) auf ihr Corona-Jahr zurück. Mit der immer längeren Dauer und der zunehmenden Perspektivlosigkeit seien die Pandemie und die Beschränkungen für sie aber immer bedrückender geworden. Besonders hat der Unterkirchenerin der Kontakt zur Familie, die Nähe und die Umarmungen gefehlt. Emotional sei das Jahr also schwierig gewesen, „aber der Verstand sagt, du musst mithelfen, das ist alles richtig“, sagt Ingeborg Bock.

Das Corona-Management bewertet sie als manchmal widersprüchlich oder verwirrend, im Großen und Ganzen sei es aber bis jetzt ganz gut: „Die Politik stand ja auch vor einem Berg – hinterher ist man immer schlauer…“ Die Corona-Lockerungen bezeichnet Ingeborg Bock als richtiges Zeichen: „Ich denke, dass man es versuchen sollte – wie will man sonst eine Perspektive vermitteln.“ Zumal die Öffnung ja mit Vorsicht geschehe – die Notbremse-Option ab einer Inzidenz von 100 ist gut, findet Ingeborg Bock.

Nicole Heines

„Nichts los, aber dennoch viel passiert“ – „total aufregend“ hat Nicole Heines (40) die vergangenen zwölf Monate empfunden. Auch weil die Nordstädterin mit ihrer Familie ein Haus im Dorf gefunden hat und also bald Cronenbergerin sein wird. Vor allem aber auch, weil Nicole Heines als Hauswirtschafterin in einem Altenheim von der Pandemie beruflich direkt betroffen war: Mehrere Bewohner in ihrer Einrichtung seien verstorben, viele Senioren hätten Angst gehabt – das sei natürlich sehr belastend gewesen, so die Bald-Cronenbergerin. Persönlich sei sie aber gut durch die Pandemie gekommen, habe auch keine Angst – „ich bin sehr optimistisch“.

Nur: Dass sie ihre Eltern eine zeitlang nicht sehen konnte und erstmals ohne sie Weihnachten gefeiert habe, darauf blickt Nicole Heines traurig zurück. Umso größer ist ihre Freude, dass sie als Altenheim-Mitarbeiterin mittlerweile geimpft ist – gemerkt hat sie davon nur „geringfügig“ etwas.

Mit dem deutschen Corona-Management fühlt sich Nicole Heines „eigentlich gut“ aufgehoben: Im Rahmen der Möglichkeiten habe die Politik ihre Sache ganz gut und besonnen gemacht: „Wir haben großes Glück, in Deutschland zu sein.“ Allerdings: Viel Mitgefühl hat Nicole Heines mit der Gastronomie – das hier kaum eine Perspektive sei, „das tut mir total leid“.

Gudrun Danowski

Als zu Anfang schwer, dann mit Frühling, Sommer und Garten sowie der Hoffnung auf ein Pandemie-Ende im Herbst besser erträglich, aber mit dem erneuten Lockdown im dunklen Herbst „ganz schlimm“ hat Gudrun Danowski (72) das Corona-Jahr erlebt. Zumal ihr Ehemann ein Pflegefall sei, sie sich daher sehr zurückgezogen und sogar ihre Kinder nur im Auto vor der Haustür gesehen habe: „Man wird einsam“, blickt Gudrun Danowski zurück, alles in allem seien sie und ihr Mann aber „gut durchgekommen“.

Von der Politik hat sich die Berghauserin „manchmal nicht richtig aufgeklärt“ gefühlt, Erzieherinnen oder Lehrer hätten eher geimpft werden müssen, „aber vielleicht können die auch nicht anders“, zeigt Gudrun Danowski dennoch ein gewisses Verständnis für die Politik: „Gott sei Dank bin ich nicht an deren Stelle – ich möchte mit denen nicht tauschen.“ Die jüngsten Lockerungen empfindet die 72-Jährige als „okay“: „Man kann den Leuten jetzt schon Abstand und Vorsicht zutrauen.“

Freunde und Gemeinschaft haben gefehlt – sonst war’s fast wie immer…

Jessica und Elias Kreuz

Zu Beginn erschreckend und auch mit Angst verbunden, blickt Jessica Kreuz (40) auf das Corona-Jahr zurück – im Laufe der Monate sei es „einfach nur noch nervig“ gewesen, so die Mutter zweier Kinder, vor allem auch das Homeschooling sei zunächst ein Problem gewesen. Nicht aber für Sohnemann Elias (8), für ihn war beziehungsweise ist noch immer „doof“, dass er die Freunde nicht sehen und keinen Sport machen konnte.

Insgesamt, so finden Mutter und jüngster Sohn, sei die Familie aber (bislang) gut durch die Pandemie-Zeit gekommen – mit Spaziergängen oder auch viel selbst kochen habe man „das Beste draus gemacht“. Als „in letzter Zeit schrecklich“, bewertet Jessica Kreuz das Corona-Management, insbesondere die Impf-Organisation von Gesundheitsminister Spahn – da habe man manchmal das Gefühl, der eine wisse nicht, was der andere macht“, fühlt sich die Berghauserin besonders aktuell politisch nicht gut aufgehoben.

Die Lockerungen gehen Jessica Kreuz nicht weit genug („Das ist ja für die Geschäfte gar nichts“): „Da hätte ich mir mehr gewünscht.“

Joachim Küch

„Fast so wie immer“, hat Joachim Küch (62) die Krisen-Monate erlebt, zumal niemand aus dem nächsten Umfeld krank geworden sei: Er sei wie gewohnt arbeiten, einkaufen oder auch mit dem Hund Gassi gegangen und habe auch in Urlaub fahren können – „ich habe nicht viel vermisst“, sagt der Dörper vom Kaisergarten. Okay, der gebuchte Urlaub in Holland musste coronabedingt storniert werden, aber im Weserbergland oder an der Mosel sei es auch wunderschön gewesen. Und auch die Treffen mit Freunden und Gemeinschaft haben Joachim Küch gefehlt, sonst aber war für ihn Alltag.

Alles zu langsam, alles viel zu bürokratisch, jede Stadt mache ihren eigenen Kram – „chaotisch“ lautet das „Prädikat“, welches der Hahnerberger der Politik verleiht. Er selbst mache alles zum Eigenschutz, trage bereits seit November FFP2-Maske – „wir brauchen jetzt den Impfstoff – alle“, fordert Joachim Küch mehr Tempo von der Politik.

Die Öffnungsschritte sieht der 62-Jährige recht gelassen: In jedem Supermarkt knubbelten sich die Leute – „wenn jetzt fünf Kunden bei Nettesheim drinnen sind, wo ist das Problem“, findet Joachim Küch.