05.05.2021, 19.49 Uhr | Meinhard Koke | Artikel drucken | Instapaper | Kommentare
BV-Sitzung trotz „Notbremse“? NRW-Recht erlaubt nichts anderes!
SPD-Fraktionschef Oliver Wagner kritisiert, dass die Bezirksvertretung trotz der Pandemie-Lage in Präsenz tagte /Allerdings: Die NRW-Gemeindeordnung erlaubt nichts anderes!
Nachdem seit 19. April 2021 in Wuppertal die „Notbremse“ und damit eine nächtliche Ausgangssperre gilt, mussten auch die Wuppertaler Schüler im Distanz-Unterricht bleiben und die allermeisten Geschäfte wieder auf kontaktloses Click & Collect umstellen. Aber die Bezirksvertretung (BV) Cronenberg sollte dennoch am 28. April zu ihrer April-Sitzung zusammenkommen?
„BV tagt, aber meine Tochter darf nicht mehr zur Schule…“
Die meisten Tagesordnungspunkte wurden zwar gestrichen, SPD-Fraktionschef Oliver Wagner hatte für die Präsenz-Sitzung dennoch wenig Verständnis: „Meine Tochter hat seit einem Jahr keinen ,normalen‘ Schul-Unterricht mehr erlebt. Geschäfte sind geschlossen und es ist nicht einmal der durchgeimpften Seniorensportgruppe erlaubt, sich mit fünf oder sechs Vereinsmitgliedern in einer großen Turnhalle mit viel Abstand zu treffen“, hielt er es „für völlig“ unangemessen und nicht vermittelbar, dass die BV in Präsenz tagte.
Wagner schrieb einen Brief an Oberbürgermeister Uwe Schneidewind, Bezirksbürgermeisterin Miriam Scherff und die weiteren Mitglieder des Dörper Stadtteilparlamentes. Darin warf der SPD-Bezirkspolitiker die Frage auf, warum die BV nicht in Form einer digitalen Konferenz tagen könnte. Falls erforderlich könne man ja eine Abstimmung analog über den Bürgerbüro-Briefkasten oder auch in einer Kurz-Sitzung durchführen.
NRW-Gemeindeordnung sieht Online-Sitzungen nicht vor
„Warum können wir nicht für wenige Stunden das machen, was unseren Kindern seit vielen Monaten ganz selbstverständlich zugemutet wird?“, fragte Oliver Wagner in seiner „Brand-Mail“, um mit einer „Spitze“ zu schließen: „Ein solches Verfahren müsste doch die digitale Modellkommune hinbekommen – oder?“ „Technisch wäre eine Onlineveranstaltung selbstverständlich möglich“, ließ BV-Geschäftsführerin Jasmin Enkhardt wissen. Allerdings wäre das unzulässig, denn die Gemeindeordnung NRW sehe eine solche Sitzung nicht vor.
„Beratungen und Abstimmungen müssen für die Öffentlichkeit zugängig sein“, erläutert Enkhardt: Wenn diese nur online stattfinden würden, wäre die Öffentlichkeit im Sinne der NRW-Gemeindeordnung nicht gegeben: Es gebe in Nordrhein-Westfalen keine Anpassung an die Pandemie-Bedingungen, Präsenz-Veranstaltungen politischer Gremien seien laut Erlass sogar ausdrücklich erlaubt. So ist es, denn dort heißt es, dass solche Sitzungen der per Grundgesetz und Landesverfassung garantierten und zu gewährleistenden kommunalen Selbstverwaltung dienen.
Insofern müssen solche Sitzungen nicht zugelassen werden, benötigen kein besonderes Begründungserfordernis und unterliegen auch keiner Teilnehmerbegrenzung. Lediglich ein Mindestabstand von 1,5 Metern muss eingehalten, verpflichtend eine medizinischen Maske getragen und die Daten der Sitzungs-Teilnehmer zur Kontaktnachverfolgung erfasst werden. Auch die Zahl der Zuhörer kann begrenzt werden. Allerdings erlaubt der am 8. März aktualisierte Erlass je nach örtlicher Infektionslage auch „pragmatische und zwischen den Fraktionen, Gruppen und Einzelmandatsträger /Innen sowie Verwaltungen einvernehmlich getroffene Absprachen“. So können zum Beispiel sogenannte „Soll-Stärken-Vereinbarungen“, welche die Teilnehmerzahl bei Aufrechterhaltung der Kräfteverteilung reduzieren, getroffen werden.
„Andere Bundesländer lösen das besser…“
Da hinkt NRW hinterher, findet SPD-Fraktionschef Oliver Wagner, denn er hat in Erfahrung gebracht: „In anderen Bundesländern wurde die Gemeindeordnung schon angepasst.“ Beispiel Baden-Württemberg: Hier, so erläutert Oliver Wagner, könnten Gemeinderatssitzungen unter bestimmten Voraussetzungen per Video-Konferenz durchgeführt werden. In Bayern befasse sich in diesen Tagen der Landtag mit der Einführung hybrider Gemeinderatssitzungen, weiß der SPD-Politiker – seine Quintessenz: „Andere Bundesländer lösen es besser…“