14.01.2022, 19.03 Uhr   |   Meinhard Koke   |   Artikel drucken   |   Instapaper   |   Kommentare

Hochwasser: NRW-Hilfen fließen nur wie Rinnsal in die Kohlfurth

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Kniehoch standen Teile des Cronenberger Ortsteils Kohlfurth bei dem Hochwasser am 14./15. Juli 2021 unter Wasser. | Foto: Meinhard Koke

Ein halbes Jahr nach der Katastrophe: In der Kohlfurth und im Morsbachtal waren bis Weihnachten kaum Gelder aus dem Hochwasser-Aufbauhilfe-Fonds angekommen – wenn überhaupt!

Zu den „Widernissen“ der Corona-Pandemie auch noch die Flut – für die Hochwasser-Betroffenen in der Kohlfurth oder im Morsbachtal endete vor einer Woche ein katastrophales Jahr. Insofern hätten sie 2021 vor zwei Wochen am Silvester-Tag nur zu gerne abgehakt – wenn sie es denn nur könnten. Denn: Obwohl das verheerende Juli-Hochwasser am heutigen 14. Januar 2022 genau ein halbes Jahr her ist, kämpfen viele Betroffene weiter nicht nur mit der Beseitigung ihrer Schäden, sondern ganz offenbar auch mit dem „Amtsschimmel“.

Wie Bärbel Hoffmann berichtet, die für die Diakonie Wuppertal die Hochwasser-Betroffenen im CW-Land betreut, hatte bis vor Weihnachten jedenfalls noch keiner der rund 80 betroffenen Haushalte eine Eingangsbestätigung aus Düsseldorf erhalten, geschweige denn einen Euro aus dem Bund-/Länder-Topf „Aufbauhilfe 2021“. „Das ist fatal für die Betroffenen“, weiß die Diakonie-Geschäftsführerin, dass die Hängepartie die ohnehin gebeutelten Geschädigten belastet. Die Betroffenen in Kohlfurth und Morsbachtal haben laut Hoffmann zumeist Schäden zwischen 100.000 und 400.000 Euro („Das zahlt man nicht so einfach aus der Portokasse“) zu beklagen.

„Bei uns hat sich niemand gemeldet, der eine Bewilligung erhalten hat“

Sie hätten die Grundarbeiten selbst erledigt, nun müssten Fachfirmen ran. Handwerker zu bekommen, sei ohnehin schwierig, aber ohne Aufbauhilfe sei das noch schwieriger: „Umso wichtiger ist es, dass es mit der Bearbeitung der Anträge schnell geht“, unterstreicht die Diakonie-Ansprechpartnerin. Dass es dabei hakt, „das ärgert mich, weil ich die Not der Leute spüre.“ Die Betroffenen hätten viel geleistet, sie seien erschöpft und an der Grenze dessen, was sie leisten können, beschreibt Hoffmann die (seelische) Lage der Geschädigten: „Sie gehen nicht in ihr heimeliges Nachhause, sie gehen auf eine Baustelle – das ist schwer.“

Die Diakonie-Beraterin betont, dass sie und ihr Team direkt zum Start des „Aufbauhilfe“-Fonds zur Stelle gewesen seien und die Anträge mit den Betroffenen ausgefüllt hätten. Zudem sage das Land, dass Tausende Anträge bearbeitet seien – „bei uns hat sich aber noch niemand gemeldet, der eine Bewilligung erhalten hat“, weiß Hoffmann. Unverständlich für sie, denn: „Alle Anträge, die ich gesehen habe, sind sehr gut nachvollziehbar – ich kenne keine anderen“, versteht Hoffmann nicht, woran es im NRW-Bauministerium haken könnte.

OB und Krisenstabsleiter: „Brandbrief“ nach Düsseldorf

Gegenüber der CW bezeichnete der Wuppertaler Stadtdirektor und Krisenstabsleiter Dr. Johannes Slawig die Kritik der Diakonie-Geschäftsführerin als berechtigt: „Ich habe Verständnis für die Ungeduld und den Ärger über das bürokratische Verfahren.“ Deshalb habe er gemeinsam mit Oberbürgermeister Uwe Schneidewind auch noch im Dezember die zuständige NRW-Ministerin Ina Scharrenbach (CDU) angeschrieben. Auf den laut Slawig mit der Benennung von konkreten Einzelschicksalen versehenen „Brandbrief“ habe die NRW-Ministerin noch vor Weihnachten reagiert. In einem Telefonat habe Scharrenbach versichert, dass eine ganze Reihe von Anträgen bearbeitet wären und zur Auszahlung bereitstünden.

Helfen den Hochwasser-Opfern (v.l.n.r.) nach wie vor: Pfarrer Thomas Hoppe sowie Bärbel Hoffmann und Thomas Bartsch von der Diakonie. | Foto: Matthias Müller

Helfen den Hochwasser-Opfern (v.l.n.r.) nach wie vor: Pfarrer Thomas Hoppe sowie Bärbel Hoffmann und Thomas Bartsch von der Diakonie. | Foto: Matthias Müller

Ministerin Scharrenbach sagt zügige Bearbeitung zu

Wie Slawig weiter berichtet, hätten der OB und er die Ministerin aufgefordert, die Anträge zügiger zu bearbeiten. Das habe Scharrenbach „deutlich zugesagt“ – „wir könnten sie beim Wort nehmen“, habe die Ministerin betont. Dazu versicherte Slawig gegenüber der CW: „Wir bleiben da dran.“ Auf unsere Nachfragen bei der Bezirksregierung und dem Ministerium war übrigens keine Antwort zu erhalten, wie viele Wuppertaler Aufbauhilfe-Anträge sich in Bearbeitung befinden beziehungsweise bewilligt sind. Ähnlich lauteten die Antworten aus Remscheid und Solingen.

In Solingen und Remscheid keine Zahlen zu Anträgen

Das Ministerium habe mitgeteilt, dass es keine Möglichkeit gebe, die Anzahl der Bewilligungen abzurufen, weiß auch Solingen-Sprecherin Sabine Rische keine Zahlen zu nennen. Einen Überblick kann auch Remscheids Sprecherin Viola Jurić nicht bieten. Aus den Rückmeldungen Betroffener sei lediglich bekannt, „dass die Antragsbearbeitung in Düsseldorf mehrere Wochen braucht“. In Düsseldorf jedoch scheint man wissender zu sein: In einer Online-Pressekonferenz am 22. Dezember 2021 wartete Ministerin Scharrenbach jedenfalls mit detaillierten Zahlen auf.

Ministerium: Etwa ein Drittel der Anträge in Bearbeitung

So seien zu dem für NRW zur Verfügung stehenden 12,3-Milliarden-Topf insgesamt rund 11.000 Anträge gestellt worden. Davon seien rund 4.500 Anträge bearbeitet und im Bewilligungsprozess, in rund 2.200 Fällen würden noch Rückfragen geprüft. Im Auszahlungsprozess befänden sich mehr als 145 Millionen Euro – das wäre also gerade einmal ein Prozent des Volumens des NRW-Fonds. Im Rahmen der Pressekonferenz benannte Scharrenbach Zahlen für den Kreis Euskirchen: Für die einzelnen Orte dort schwankten die Bewilligungsquoten zwischen einem Drittel und der Hälfte der gestellten Anträge.

WDR: Erst eine Million Euro Aufbauhilfe für Wuppertal

Wie der WDR derweil kurz vor dem Jahreswechsel berichtete, seien laut Landesregierung mehr als eine Million Euro Wiederaufbauhilfe für ganz Wuppertal bewilligt. Das würde nicht ganz zu den Eschweiler-Daten passen: Vorausgesetzt Diakonie-Geschäftsführerin Bärbel Hoffmann läge mit ihren Schätzungen (80 Betroffene im CW-Land mit Schäden von mindestens 100.000 Euro) richtig, dann hätte das Schadensvolumen allein in Kohlfurth und Morsbachtal eine Höhe von acht Millionen Euro. Selbst vor dem Hintergrund, dass bei der Aufbauhilfe zunächst ein 40-Prozent-Abschlag ausgezahlt wird, wäre eine Million Euro für ganz Wuppertal, also inklusive Beyenburg, bislang nicht vielmehr als der berühmte Tropfen auf den heißen Stein…!

Diakonie-Beratung geht weiter

Hochwasser-Betroffene aus dem CW-Land steht die Diakonie in ihrem Beratungs-Container auf dem Areal der Bergischen Schützengilde an der Kohlfurther Brücke 79 auch im neuen Jahr mittwochs von 14 bis 16 Uhr sowie freitags von 15 bis 17 Uhr sowie telefonisch unter (02 02) 974 441 12 oder 01 63 / 697 44 43 zur Verfügung.

Alle bisherigen CW-Berichte rund um das verheerende Hochwasser vom 14./15. Juli 20221 sind hier aufrufbar.