09.03.2022, 18.49 Uhr | Meinhard Koke | Artikel drucken | Instapaper | Kommentare
„Ein glücklicher Wuppertaler…“: Uni-Rektor Koch im „Portrait“
Von der Wende über die Uni-Anbindung bis zur BUGA: Der Rektor des Jahrzehnts und scheidende Chef der Bergischen Universität Wuppertal war in der Reihe „Portrait“ in der Ev. Gemeinde Küllenhahn zu Gast.
Lambert T. Koch war in den vergangenen Monaten in den Gemeindebriefen von Evangelisch-Küllenhahn omnipräsent, stellten Prof. Dr. Martin Fleuß und Martin Probach fest: Die Gastgeber hatten den Rektor der Bergischen Universität immer wieder aufs Neue in der Reihe „Portrait“ in die Nesselbergstraße eingeladen – jeweils machte die Corona-Lage einen Strich durch die Rechnung. Im Februar 2021 klappte es nun endlich: Der Uni-Rektor stellte sich den Fragen von Fleuß und Probach – abgesehen von der zu erwartenden Rückschau im nächsten Gemeindebrief, mit der Kochschen „Omnipräsenz“ am Küllenhahn wird es somit vorbei sein…
Im nach 2G-Regel gut gefüllten Gemeindehaus bewies Uni-Rektor Koch „volle Präsenz“: Nicht nur weil auch seine Ehefrau in den Zuschauer-Reihen den „Portrait“-Abend verfolgte. Der mehrfache Rektor des Jahres und sogar zum Rektor des Jahrzehnts gewählte Hochschulleiter präsentierte sich auch als vollkommen unprätentiöser Talk-Gast: Freundlich, zugewandt und offen beantwortete Koch die Fragen seiner Gastgeber und aus dem Publikum – dass Koch ganz offenbar auf keinem hohen (Akademiker-)Ross sitzt, war vielleicht auch ein Grund für seine Rektor-Weihen.
Nachdem Martin Probach und Martin Fleuß ihrem Gast entlockt hatten, dass er als eines von vier Kindern eine behütete Kindheit in einem idyllischen Vorort von Würzburg verbrachte und er zunächst Musiker und dann Mediziner anpeilte, um schließlich – inspiriert vom Großvater – Volkswirtschaftler zu werden, kam die Rede auf die erste berufliche Station: Seine Zeit in den 1990er-Jahren an der Universität Jena bezeichnete Koch als „Abenteuer“ und „Glücksfall“ zugleich: „Ich habe sehr hautnah erlebt, was die Wende bedeutete“ – und zwar auch zwischenmenschlich zum Beispiel in Form von Degradierungen von Professoren-Kollegen…!
Mit „Tränen in den Augen“ folgte Koch nach seiner Habilitation 1999 dem Ruf nach Wuppertal. Es klang danach, als sei der Wechsel an den Grifflenberg ein ähnlicher Sprung ins kalte Wasser gewesen wie das Jena-Intermezzo zuvor: Die Saale-Stadt war ebenso unbekanntes Terrain wie die Wupper-Metropole, beide Stationen hat Koch offenbar ins Herz geschlossen. Verortete er Wuppertal zunächst im Ruhrgebiet, so weiß er längst besser: Er „predige“ längst den Unterschied von Ruhrgebiet und Bergischem Land.
Alltag und Ansichten eines Uni-Rektors
Im weiteren Verlauf des „Portrait“-Abends berichtete Lambert T. Koch vom Alltag eines Rektors („Management, Repräsentanz, Auslandsreisen und Lobbyismus – auch wenn das nicht gut klingt“). Er konstatierte eine „Noten-Inflation“ an den Schulen und bezeichnete die hohe Zahl der Studierenden pro Schulabschluss-Jahrgang („Als ich anfing 20 Prozent, heute 50 Prozent“) als Herausforderung: Mancher Schulabgänger sei – verschärft durch das frühere G8-Abitur – orientierungslos und noch nicht studientauglich, erlebe einen Schock an der Uni, es müsse nachgearbeitet werden, warb Lambert T. Koch für die Einführung eines Orientierungsstudiums. Allerdings: Ein solcher dualer Mix aus Uni und Unternehmen bedeute Kosten – und davor schrecke die Politik zurück.
Was die Pandemie für den Universitäts-Betrieb bedeutet, was man daraus lernen könnte, wollte Martin Probach wissen. Abseits von Einblicken in Studierenden-Zimmer bei Zoom-Konferenzen („Das ist mitunter schon skurril“) befand der Uni-Rektor „interessante gegenläufige Tendenzen“: So habe die Lehre habe gelernt wie wertvoll die Digitalisierung sei und die Studierenden wie wertvoll Präsenz-Vorlesungen seien. Als sich der Fokus auf Wuppertal richtete, kritisierte Lambert T. Koch, dass die Versprechungen einer besseren Uni-Anbindung nach dem Seilbahn-Aus nicht eingehalten worden seien.
„Harakiri“: Mit dem Fahrrad über den Robert-Daum-Platz zur Uni
Dass Wuppertal die einzige Uni in NRW ohne Radweg-Anbindung sei, davon kann Koch auch selbst ein Lied singen: Seinen Arbeitsplatz per Fahrrad auf der Nord-Süd-Passage anzusteuern, bezeichnete Koch als „Harakiri“: „Ich bin froh, wenn ich den Robert-Daum-Platz überstanden habe“, bekannte Koch. Es schien so, als wären die nicht eingehaltenen Versprechungen zu einer besseren Uni-Anbindung für Koch ein Charakteristikum: Die Uni sei ein Glückfall für Wuppertal, er habe aber den Eindruck, die Politik begreife nicht, was sie an der Hochschule hat.
Mit dem damaligen Oberbürgermeister Peter Jung, der übrigens auch im Publikum saß, habe er sich turnusmäßig monatlich getroffen, berichtete der Wuppertal-Botschafter. Das scheint anders zu sein, denn: „Die Uni wird nicht genügend gesehen“, bemängelte der Rektor und schrieb der Stadtpolitik ins Gebetbuch: „Das ist eure Universitätsstadt – die Politik sollte sich ein bisschen weniger mit sich selbst befassen“. Eine Stimme aus dem Publikum wollte wissen, wie der Volkswirt Koch dazu stehe, dass die Stadt nicht das Geld habe, ihre Infrastruktur nicht in Ordnung zu halten, aber sich zugleich ein Pina-Bausch-Zentrum oder eine BUGA 2031 leisten wolle.
Frustriert von der Uni-Anbindung, begeistert von der BUGA
„Sie dürfen nicht nur eng gucken“, antwortete Koch: Die BUGA steigere langfristig die Attraktivität Wuppertals (auch) als (Wohn-)Standort: „Ich bin ein großer BUGA-Befürworter.“ Und noch etwas bekannte der Uni-Rektor, der im September aus seinem Amt scheidet, um dann zunächst einmal ein Sabbatjahr einzulegen: „Ich bin ein glücklicher Wuppertaler – und werde es auch bis ans Lebensende sein“, sagte Koch. Frustrierend sei aber die Verkehrssituation (zur Uni): „Da tut sich wirklich nichts…“