31.05.2023, 17.46 Uhr   |   Meinhard Koke   |   Artikel drucken   |   Instapaper   |   Kommentare

„Wissenswertes“: Klimawandel bedroht – auch Burgholz-Exoten!

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Mit Kay Boenig (li.) konnte Initiator Prof. Dr. Martin Fleuß im Rahmen der Reihe „Wissenswertes“ den zwischenzeitlich ausgeschiedenen Leiter des Regionalforstamtes Bergisches Land und obersten Förster der Bergischen Staatsforste im Gemeindehaus Küllenhahn begrüßen. | Foto: Meinhard Koke

Das Burgholz hat Zugkraft: Ähnlich gut gefüllt wie bei den „Promi“-Abenden mit Tony Cragg, Gerhard Finckh oder auch Ralf Putsch zeigte sich das Gemeindehaus Küllenhahn, als in der Reihe „Wissenswertes“ mit Kay Boenig der Leiter des Regionalforstamtes Bergisches Land zu Gast war. Kurz bevor der „Herr“ der Bergischen Staatsforste in den Ruhestand ging, ließ er sich von Gastgeber Prof. Dr. Martin Fleuß „Wissenswertes“ zur heimischen grünen Lunge entlocken – der Staatsforst Burgholz vor der Gemeindehaus-Tür stand natürlich im Fokus.

„Das Burgholz muss ein Förster gesehen haben…“

Gleich zu Beginn seiner rund 42 Dienstjahre lernte der studierte Forstwirtschaftler den Staatsforst in seiner Referendarzeit kennen: „Das Burgholz muss man einmal während seiner Ausbildung gesehen haben“, unterstrich Boenig die Bedeutung des Landeswalds, welcher mit seinen Anpflanzungen fremdländischer Bäume durch den Klimawandel auch international „ganz stark in den Fokus gerückt“ sei. Boenig skizzierte die Entwicklung des Burgholz vom Königswald der Grafen von Berg bis ins 20. Jahrhundert, in dem der legendäre Förster Hogrebe ab den 1950er-Jahren systematisch mit dem Anbau von Fremdländern begann. Anfang der 1970er-Jahre wurde das Konzept intensiviert und Vergleichsanbauten eingeführt – dergleichen, so Kay Boenig, gibt es nur in einem Revier bei Bonn.

Wie schlagen sich die Fremdländer zum Beispiel im Vergleich zu den heimischen Fichten, lautete eine Fragestellung. Heute lässt sich feststellen: Die Exoten stehen noch, die Fichten im Burgholz sind in den letzten drei Jahren zu 90 Prozent abgestorben. Mitte der 1980er-Jahre, also in der Zeit von saurem Regen und Waldsterben, indes beäugten die Umweltbewegung und die Grünen die Arbeit mit den Exoten kritisch: Diente der Anbau etwa dazu, den kränkelnden heimischen Wald durch „Fremdländer“ zu ersetzen?
Die beiden Versuchsreviere im Burgholz wurden Ende der 1990er-Jahre eingestellt, die Gewächshäuser aufgelöst, die Samenzucht in Arnsberg zentralisiert – mit der forstwissenschaftlichen Pionierarbeit des Hogrebe-Nachfolgers und jahrzehntelangen Burgholz-Försters Herbert Dautzenberg und seiner Forstleute war es da vorbei…

„Steppen-Verhältnisse drohen – auch im Burgholz…“

War das ein Fehler? Kay Boenig zeigte sich jedenfalls froh über die Vielfalt im Burgholz, „Gott sei Dank“ (oder vielmehr Heinrich Hogrebe und Herbert Dautzenberg sei Dank) sei der Staatsforst nur gering mit Fichten bewachsen gewesen: „Anderswo sind das bis zu 80 Prozent – hier gibt es nun riesige Kahlflächen.“ Der Klimawandel ist längst da: In den letzten fünf Jahren seien die Temperaturen höher und die Trockenperioden länger als im Durchschnitt gewesen, erläuterte Boenig, auch sei weniger Niederschlag gefallen: „Der Höhenanstieg im Bergischen reicht nicht mehr aus, um zum Abregnen zu führen“ – Folge: Der Boden sei ab einer Tiefe von 80 Zentimetern dürr, auch im Bergischen drohten „Steppen-Verhältnisse“, unterstrich Kay Boenig. Ja, Klimawandel habe es schon zu anderen Zeiten gegeben, aber: „Einen so schnellen Temperaturanstieg in so kurzer Zeit noch nicht“, unterstrich der oberste bergische Landesförster. Die Welt sei auf dem Weg zu einem Temperaturanstieg zwischen drei und fünf Grad bis zum Jahr 2100 – „verfrühstückt haben wir schon 1,5 Grad“, zeigte sich Boenig pessimistisch.

„Der Klimawandel hat meine Natur-Demut verstärkt…“

Welche Burgholz-Bäume könnten dem Klima-Stress standhalten? Der Riesenmammutbaum (Sequoia) wohl eher nicht, weil von einem Pilzbefall bedroht: „50 Jahre lang haben wir geglaubt, das sind die besten – jetzt nicht mehr“, berichtete der Ex-Burgholz-Förster: „Es gibt auch komplette Fehlschläge im Burgholz.“ Auch andere Baumarten und vor allem Flachwurzler bewertete Kay Boenig kritisch; Schwarzkiefern oder Roteichen mit ihren tiefen Pfahlwurzeln oder der Riesenlebensbaum (Thuja) könnten indes Chancen haben. Der Anbau von Fremdländern sei zwar kein Patentrezept, südländische Arten aber eher zu empfehlen, grundsätzlich sollte auf größere Vielfalt in den Wäldern gesetzt werden: „Dann kann auch mal eine Art ausfallen.“

Die Forstwirtschaft müsse die Natur im Wandel unterstützen, „sonst werden wir hier irgendwann Steppen haben“. Wenn die Temperatur weiter so zunehme, „dann sind wir hier in Mittelitalien“, unterstrich Kay Boenig abschließend, um anzufügen: „Der Klimawandel hat mein Gefühl der Demut gegenüber der Natur verstärkt“ – das klang wie ein Vermächtnis…!