12.10.2023, 15.50 Uhr   |   Martin Hagemeyer   |   Artikel drucken   |   Instapaper   |   Kommentare

Handy als Blackbox des Lebens: „Das perfekte Geheimnis“ im TiC

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Das Ensemble der Komödie „Das perfekte Geheimnis“, welches bei der Premiere im TiC-Theater begeistert gefeiert wurde. | Foto: Martin Mazur

Verwechslungen, Verborgenes, Affären: All das ist als Komödien-Zutat keine Seltenheit. Eine besondere Variante gibt es neuerdings im TiC-Theater zu sehen: Was in „Das perfekte Geheimnis“ nach dem Filmhit von Paolo Genovese für Turbulenzen sorgt, sind Smartphones. Hier wird die moderne Allzweckwaffe zum Auslöser – von Ärger, Scham und Liebeswirren. Ralf Buddes TiC-Adaption wird getragen von Figuren, die nicht nur vom Autor stark angelegt sind, sondern vom Ensemble auch stark gespielt. Die Handlung: Bei einem Abendessen kommt eine gut situierte Feierrunde auf die Idee, ihre Handys auf den Tisch zu legen: Anrufe, Nachrichten – alle erfahren alles von allen – das birgt Sprengstoff… Darin ähnelt das Stück mancher Komödie, in der die zivilisierte Fassade bröckelt bis zerspringt – auch im TiC waren schon mehrere davon zu sehen, wie „Gott des Gemetzels“ oder „Der Vorname“. Neu ist das Handy als treibende Kraft und ein Aspekt: Das Smartphone als eine Art „Blackbox“.

Zeig‘ mir dein Handy und ich weiß, wer du bist…

So formuliert es Eva (Christina de Bruyckere-Monti) prägnant, und in der Tat: Analog zu Flugschreibern birgt das Handy Informationen, die existenziell sind. Sie zu erfahren klärt auf – zeig‘ mir dein Handy, und ich weiß, wer du bist…! Ganz schön riskant ist da die Idee von Eva, zusammen mit Ehemann Rocco (ganz der beherrschte Hausherr: Christoph Güldenring) Gastgeberin des Abendessens: Alle Anwesenden sollen ihre Smartphones öffentlich machen, sprich: Kurznachrichten mitlesen oder bei Anrufen mithören lassen. „Was ist das denn für ein Spiel?“, heißt es entgeistert aus dem Kreis – „ein lustiges!“, erwidert Eva. Eine gewagte Behauptung…, denn was folgt, ist für die Runde einigermaßen dramatisch – fürs Publikum aufregend wie amüsant.

„Kein Pappenstiel“: Digitale Identität auf den Tisch

Schon ganz zu Beginn hatten die gut gelaunten TiC-Zuschauer Gelegenheit, in einer schönen Einleitungsszene einen Eindruck vom Folgenden zu gewinnen. Bevor die Gäste kommen, gibt es einen Disput zwischen Eva und ihrer Tochter (Kompliment an die souveräne Lina Bonrath), bei der die Mutter Kondome gefunden hatte… Da also Diskretion nicht eben Evas Stärke scheint, wirkt ihre fatale „Spielidee“ ein gutes Stück plausibler. Denn: Ein Pappenstiel ist es nicht, dass Menschen ihre digitale Identität aus einer Partylaune der kollektiven Neugier überantworten. Oder wie Giuseppe sagt, der als Einziger allein gekommen ist: „Diese Dinger nehmen uns unsere Privatheit, unsere Intimität“ – zumindest wenn andere mitlesen dürfen…! Stichwort „intim“: Einen Moment reibt man sich verblüfft die Augen, als sich Gast Carlotta heimlich ihres Slips unterm Kleid entledigt. Später erahnt man, dass sie nach einem schlimmen Erlebnis ihre Abgründe hat, die manches erklären – zunächst aber trägt die Szene zur besagten Aufladung am Dinner-Tisch bei. Zumal Cosimo (Dennis Gottschalk), trotz Anwesenheit von Gattin Bianca (Nina Jestel), kaum verhohlenes Interesse an Carlotta zeigt.

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„Hochklassige“ Tafelrunde offenbart intime Abgründe

Auffällig ist neben der spielerischen Stärke auch die optische Attraktivität: Von Anfang an mutet das Erscheinen jeder Figur nach Auftritt an, nach Selbst-Präsentieren. Einigen Anteil daran hat Kostümdesignerin Maya Fichtel, die etwa für Nina Jestel einen Traum von einem Kleid geschneidert hat. Ihre getragenen Entwürfe sprechen Bände: Die „Tafelrunde“ ist „Upperclass“, die Gäste wissen, was sie wollen – schwache Stellen passen nicht ins (Selbst-)Bild. Es kommt dann, wie es kommen muss, wenn diverse Klingel- und „Posteingangs“-Töne erschallen: Die Tischrunde hört und liest sehr Privates: „Mir fehlen deine Küsse so sehr“, lautet eine Nachricht; eine will ihre Schwiegermutter ins Altenheim abschieben, einer geht zur Psychoanalyse – die „Initimitäten“ sind ganz unterschiedlich, nicht jede ist peinlich, aber eines hätten sie allesamt lieber bleiben sollen: privat.

Handy-Tausch sorgt für Verwechslungsspiel

Eines der „Geheimnisse“ wird zum zentralen „Scharnier“ der Komödie: Rocco und Giuseppe (Leon Gleser) tauschen die Handys. Rocco befürchtet, seine Affäre könnte auffliegen, also bittet er Giuseppe um den Freundschaftsdienst. Allerdings: Rocco muss nun natürlich Giuseppe zugedachte Nachrichten als seine preisgeben: sehnsuchtsvolle SMS – eines Mannes…! Und das sorgt nicht nur für Aufregung, sondern auch unschöne Kommentare – Giuseppe befindet: „Heute Abend habe ich euch kennengelernt…“ Das TiC-Ensemble gibt die Figuren knackig und prägnant. Dennis Gottschalk als Cosimo ist ein Schönling mit einnehmendem Charme, der brüsk seine unsympathischen Züge offenbart: Er betrügt seine Frau und glaubt überdies, dem scheinbar schwulen Rocco mit Sprüchen kommen zu dürfen. Oder Saskia Deer: Toll und glaubwürdig verkörpert sie das Spektrum von „Flittchen“ bis verletzlich. Und Leon Glesers Giuseppe kommt als fast tragische Figur daher…

Weitere Infos & Karten-Bestellung

Ernüchterungen, Verwerfungen und all das, was moderne Konversationskomödien ausmacht – „Das perfekte Geheimnis“ kombiniert all das – ein „Gesellschaftsstück 2.0“, das knistert! Wer sich mit „Das perfekte Geheimnis“ im TiC einen perfekten Abend machen möchte, erhält Karten im TiC-Büro an der Hauptstraße 3, unter Telefon (0202) 47 22 11 oder online unter tic-theater.de.