16.10.2023, 10.57 Uhr | Marion Heidenreich | Artikel drucken | Instapaper | Kommentare
Alltag im Iran: Gilda Sahebi zu Gast am Carl-Fuhlrott-Gymnasium
Auf Einladung der Schülervertretung besuchte die deutsch-iranische Autorin, Ärztin und Journalistin Gilda Sahebi das Carl-Fuhlrott-Gymnasium (CFG). Neben der Lesung von zwei Kapiteln aus ihrem Buch „Unser Schwert ist Liebe. Die feministische Revolte im Iran“ stellte sich die Autorin den Fragen der ZuhörerInnen zum Alltag und der aktuellen politischen Lage im Iran. Gerade die authentische Anfrage der beiden CFG-Schülersprecher an sie, die (feministische) Revolte im Iran – besonders seit dem gewaltsamen Tod von Jina Mahsa Amini im September 2021 – am CFG präsent zu machen, habe sie als etwas „extrem Besonderes“empfunden: „Bei jedem Austausch mit Menschen“, so empfand Gilda Sahebi, „lerne ich etwas dazu – besonders bei jungen Menschen.“
Mit besonderem Blick auf die vielen Schülerinnen im Iran ging es im ersten vorgetragenen Kapitel auch um Sahebis eigene Iran-Erfahrungen: Als 14-Jährige besuchte sie die im Iran verbliebene Familie. Bereits vor der Landung in Teheran würden Mädchen und Frauen jeden Alters daran erinnert, ihre Haare unter einem Kopftuch zu verbergen. Iranische Häuser besitzen alle einen großen Garten, erläuterte Sahebi – es gebe eine Trennung von öffentlichem und privatem Leben. Im Privaten entfallen die Einschränkungen: „Es wird getanzt, gesungen, gefeiert und alles das gemacht, was ihr hier auch tun könnt“, berichtete die Autorin.
Außerhalb der schützenden Mauern aber gelten strenge Regeln, schilderte die Autorin auch anhand eigener Erlebnisse mit Sittenwächtern und der Angst der Familie, „mit Regelverstoßen aufzufallen“: „An diesem Nachmittag trug ich das Kopftuch nicht richtig. Ein Mann in Uniform sprach mich an und beschimpfte mich.“ Die junge Gilda Sahebi wehrte sich gegen den Übergriff und überschüttete den Sittenwächter mit Schimpfwörtern – deutschen: „Meine Tante hatte Angst, dass sie mich mitnehmen.“ Sei es der Ausschnitt oder die Rocklänge – Sahebi wies allerdings auch darauf hin, dass Übergriffe und Beschimpfungen wegen Bekleidung auch hier in Deutschland durchaus üblich sind: „Kein Mann der Welt darf einer Frau vorschreiben, wie sie sich kleiden darf.“
„Regime hatte Angst vor Amini-Jahrestag…“
Besonders die jüngste Revolte, die durchaus als feministische gilt, gab Anlass zu vielen Fragen im Pausenzentrum des Schulzentrums Süd. Gilda Sahebi erinnerte an die Hinrichtungen von Mohammad Mehdi Karami und Seyed Mohammad Hosseini am 7. Januar 2023 oder an die 17-jährige Nika Shakarami, die im Oktober 2022 während der Demonstration zu Tode gefoltert wurde. Vor dem ersten Jahrestag des Todes von Jina Mahsi Amini, dem Symbol der Proteste, am 16. September habe das Regime Angst gehabt, lautete Sahebis Enschätzung – aber was (weiter) geschehen würde, das konnte die Expertin auch nicht beantworten…