09.11.2023, 16.21 Uhr   |   Meinhard Koke   |   Artikel drucken   |   Instapaper   |   Kommentare

Thomas Haldenwang: Geheimdienstchef ohne Geheimniskrämerei

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Die „Portrait“-Initiatoren Prof. Dr. Martin Fleuß (li.) und Martin Probach (re.) im vollen Gemeindesaal Küllenhahn mit ihrem Gast Thomas Haldenwang, dem Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz. | Foto: Meinhard Koke

Der sicherste Ort Wuppertals an diesem Freitagabend war möglicherweise das Gemeindehaus Küllenhahn: Ein Streifenwagen mit drei PolizistInnen sowie dunkle Limousinen vor der Tür. Dazu mehrere „Bodyguards“, kinoreif mit Knopf im Ohr und schwarz gekleidet, die jeden Besucher beim Betreten kritisch musterten, um dann die Ecken des Gemeindesaals zu besetzen, kündigten an, dass ein besonders schützenswerter Gast im Mittelpunkt des Abends stand: Mit Thomas Haldenwang begrüßten Martin Probach und Prof. Dr. Martin Fleuß bei der jüngsten Ausgabe der Reihe „Portrait“ den Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV).

Wie Haldenwang im Verlauf des Abends an der Nesselbergstraße zu berichten wusste, herrscht um ihn herum nicht ohne Grund „Sicherheitsstufe 1“: Als Martin Probach ihn danach fragte, wie sich sein persönliches Leben verändert habe, als er Ende 2018 an die Spitze des Inlands-Nachrichtendienstes rückte, berichtete Haldenwang eindrucksvoll: Er werde fast täglich in Form von Mails oder Briefen „aufs Übelste beschimpft, beleidigt oder bedroht“ – „als Präsident ist mein Leben ein komplett anderes…“.

Am Vorabend des Hamas-Terrors: Bekenntnis zu Israel

Ob Persönliches oder Dienstliches – aus seiner Person machte der Geheimdienstchef kaum ein Geheimnis: Sympathisch offen und alles andere als „präsidial“-abgehoben ließ sich Thomas Haldenwang „portraitieren“. Beispiel: Haldenwang berichtete nicht nur freimütig zu seinem Elternhaus, aus seiner Jugendzeit am Dönberg oder seinem Engagement in der Gemeinde dort. Am Vorabend des barbarischen Terrorüberfalls der Hamas auf Israel erläuterte der Dönberger auch, dass er nicht zuletzt nach einer Schulfahrt ins KZ Dachau einen Freiwilligendienst in einem Kibbuz geleistet habe und eine „sehr große Verantwortung“ für Israel spüre. Der oberste Verfassungsschützer der Republik hielt auch nicht damit hinterm Berg, dass er zum Verfassungsschutz in seinen jüngeren Jahren „eher eine negative Einstellung“ gehabt habe – eine solche Freimütigkeit hatte gewiss nicht jeder im rappelvollen Gemeindehaus erwartet…! Dass der 63-Jährige – nach Stationen im Bundesverwaltungsamt und im Bundesinnenministerium – 2009 zum Verfassungsschutz stieß, hatte denn auch eher pragmatische Gründe: Neben der Leidenschaft für „Verwaltungsjobs“ war es die Rückkehr ins Rheinland, die Haldenwang von Berlin nach Köln wechseln ließ.

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Vorgänger Maaßen: Nach der Wahl 2017 „Merkwürdigkeiten“

Natürlich interessierte die „Vorgeschichte“ des Haldenwang- Sprungs an die Spitze: Seinen Vorgänger Hans-Georg Maaßen habe er in den ersten Jahren als „sehr verantwortungsvoll“, gerade auch im Umgang mit dem Weihnachtsmarkt-Anschlag in Berlin, kennengelernt. Nach der Bundestagswahl 2017 aber hätten „die Merkwürdigkeiten“ zugenommen – womöglich weil Maaßens Ambitionen auf „höhere Weihen“ enttäuscht wurden, mutmaßte Thomas Haldenwang. Nach Maaßens umstrittenen Äußerungen zu den rechtsradikalen Ausschreitungen in Chemnitz „war klar, dass er nicht länger zu halten war“: „Er hat dem Verfassungsschutz geschadet“, blickte Haldenwang zurück.

Ob Extremismus von links oder rechts, zum Beispiel auch von islamistischer Seite oder aus einem neueren „Zusammenspiel“ aus Reichbürgern, Friedensbewegten, Corona-Leugnern oder Esoterikern – Thomas Haldenwang stellte fest, dass der Verfassungsschutz die freiheitlich-demokratische Grundordnung gegen Gefahren jeder Couleur zu verteidigen habe: „Wir sind das Werkzeug der wehrhaften Demokratie“. In seiner ersten Pressekonferenz als Behördenchef habe er klargestellt: „Der Rechtsextremismus ist die große Gefahr“ – das habe nicht nur beruhigend in der Maaßen-Debatte gewirkt, das sorgte im Gemeindehaus Küllenhahn auch für spontanen Zwischenapplaus. Unter „besonderer Beobachtung“ des „Portrait“-Abends stand ebenfalls die AfD.

Verdachtsfall AfD: „Alles andere wird mit Hass überzogen“

Man habe zunächst Zeitung, Partei- oder Wahlprogramme und auch das gelesen, was von der „Alternative“ im Internet gepostet wird – allein schon dabei habe man so viel Hass und Hetze gegen Minderheiten, gegen Muslime oder auch andere sexuelle Orientierungen („Alles, was anders ist, wird mit Hass überzogen“) gefunden, was die Einstufung der AfD als „Verdachtsfall“ rechtfertige: „Das war unsere Pflicht – das ist meine gesetzliche Pflicht“, sagte Thomas Haldenwang unmissverständlich. Und davon lasse er sich auch nicht durch Klagen beirren, zumal die AfD nur eine davon gewonnen habe: „Aber das sagen die natürlich nicht…“

Dagegenhalten & Zusammenarbeit – Appelle an Politik & Co.

Vor dem Hintergrund des AfD-Hochs, das sich bei den Landtagswahlen in Hessen und Bayern bestätigte, mahnte der BfV-Chef die Politik, sich mit der „Alternative“ und ihren Themen auseinanderzusetzen: „Dann stellt man fest, da ist nicht viel Substanz – die AfD betont ihre Opfer-Rolle; die sagen zu fast allem nur ,Nein‘.“  Aber Thomas Haldenwang nahm auch jeden einzelnen in die Pflicht: Man dürfe an den Stammtischen nicht die Diskussion scheuen – „alle Demokraten müssen dagegen halten, besonders in diesen schwierigen Zeiten“, mahnte Haldenwang. Und auch in Richtung Berlin richtete Haldenwang einen Appell: Alle Demokraten wären „gut beraten, zusammenzuarbeiten und Lösungen zu suchen“, sagte der BfV-Präsident – dafür gab’s abermals spontanen Applaus im Gemeindehaus Küllenhahn…!

Nächste „Portrait“-Gäste

Beim nächsten „Portrait“-Abend am 8. Dezember wird mit Dr. Andreas Groß der Chef der Berger-Gruppe in der Kohlfurth und Vize-Vorsitzende der Gemeinschaft Cronenberger Unternehmer (GCU) sowie Vizepräsident der Bergischen IHK am Küllenhahn zu Gast sein. Am 2. Februar wird sich dann Oberbürgermeister Uwe Schneidewind von Martin Probach und Martin Fleuß „portraitieren“ lassen.