19.04.2024, 19.35 Uhr | Meinhard Koke | Artikel drucken | Instapaper | Kommentare
„Mord im Orientexpress“: Krimi-Legende im TiC voll unter Dampf!
Die spannende Frage war natürlich: Wer ist der Mörder – oder die Mörderin…? Bevor sich am letzten Freitag der Vorhang an der Borner Straße öffnete, waren nicht wenige Premierengäste aber auch darauf gespannt: Schafft es das TiC-Theater, den Luxuszug auf seine kleine Bühne zu lenken – der Krimi-Klassiker „Mord im Orientexpress“ nach dem Roman von Agatha Christie stand auf dem „Fahrplan“ der Cronenberger Theaters. Wer in der vielfach ausgezeichneten Erfolgsadaption von Ken Ludwig, welche Ralf Budde auf die TiC-Bühne brachte, den reichen US-Amerikaner Samuel Ratchett „um die Ecke“ bringt, das sei nicht verraten. Aufgelöst werden darf indes: Der Orientexpress passt auf die TiC-Bühne, Jan Bauerdick, Benedikt Ogiolda sowie Frank Fischer haben ganze Arbeit geleistet! Sie zaubern nicht nur ein mondänes Kaffeehaus in Istanbul auf die Bühne, sie lassen es auch dampfen, schnaufen und rattern, machen ebenso den „Check-in“ an der Bahnsteigkante möglich wie Wechsel vom edlen Erste-Klasse-Salon (durch raffiniert-transparente Mahagoni-Wände) in die Schlafabteile – großes Eisenbahner-Lob an die drei Bühnenbildner des TiC-Krimis!
Eine „feine“ (Reise-)Gesellschaft
Einen kniffligen Fall hat auch Meisterdetektiv Hercule Poirot zu lösen, als Passagier Samuel Ratchett während der Fahrt von Istanbul nach Calais bei einer schneebedingten Zwangspause in Serbien erstochen wird. Obwohl das Abteilfenster offen steht: Dass der protzende Parvenü durch einen Eindringling dahingerafft worden sein könnte, schließt der Meisterdetektiv rasch aus. Doch wer hat Ratchett auf dem Gewissen? Ob die kecke Mary Debenham (Nicole Gurske) oder ihr (heimlicher) Verehrer, der englische Offizier John Arbuthnot (ebenso wie das Opfer Ratchett von Dennis Gottschalk verkörpert); ob die elegante Gräfin Eléna Andrenyi (Nina Jestel) oder die „schrill-überdrehte“ Amerikanerin Helen Hubbard (Kerstin Trant) und nicht zuletzt Hector MacQueen, der etwas „spleenige“ Ratchett-„Adlatus“ (Dominik Schinner) – alle Erste-Klasse-Fahrgäste haben ein Alibi, und die „Noblesse oblige“ geradezu verkörpende Prinzessin Natalya Dragomiroff (Monika Owart) sowie ihre Begleiterin, die gläubig-herzensgute Greta Ohlsson (Fabia-Ines Dabek), sind ohnehin über jeden Verdacht erhaben…!
Dem Meisterdetektiv gehen die Verdächtigen aus…
Eine harte Nuss also für den analytischen Scharfsinn von Hercule Poirot (meisterlich mit französischem Akzent und einer eitlen Portion Überheblichkeit gespielt von Christoph Güldenring), der von seinem gutmütigen Freund Constantine Bouc, dem auch um den Ruf des Expresses besorgten Direktor der Eisenbahngesellschaft (Joachim Rettig), nach Kräften unterstützt wird. Schaffner Michel (Robert Cramer) hat seine Erste-Klasse-Gesellschaft derweil nicht im Griff: Auch er ist ratlos, wer der/die Unbekannte in Schaffner-Uniform gewesen sein könnte, den die „feine Gesellschaft“ im Waggon gesehen haben will… Als dann auch noch ein Schuss durch den Express hallt und Mary Debenham verletzt aufgefunden wird, ist zumindest klar: Der Mörder muss im Zug sein – Poirot gehen indes aber die Verdächtigen aus…
Entführung von Lindbergh-Baby ist Hintergrund
Der Kult-Krimi aus der Feder von Agatha Christie wurde, nachdem die „Queen of Crime“ ihn in den 1930er-Jahren veröffentlicht hatte, mehrfach verfilmt. Auch wenn mancher insofern wissen dürfte, wem Christies Kunstfigur Hercule Poirot nachspürt – die Geschichte hat auch rund einhundert Jahre später nichts an Spannung eingebüßt! Was mancher dabei vielleicht nicht weiß: Hintergrund ist eine wahre Begebenheit: Die Vorlage für den Fall hinter dem Fall, also die Ermordung des kleinen Mädchens Daisy Armstrong, lieferte ein aufsehenerregendes Verbrechen in den USA: die Entführung und Ermordung des 20 Monate alten Sohnes des berühmten amerikanischen Piloten Charles Lindbergh. So rätselhaft dieses Verbrechen bis heute ist, so „verstrickt“ hat Agatha Christie Handlung und Charaktere ihres Krimis angelegt – Ralf Buddes Inszenierung weiß den Spannungsbogen aufrecht zu erhalten für einen unterhaltsamen Abend, der auch das eine oder andere komische Intermezzo bietet. Garantin dafür ist nicht zuletzt Kerstin Trant: Qua ihrer Rolle der exzentrischen Amerikanerin Helen Hubbard ragt sie nicht nur aus der Riege der übrigen Charaktere heraus, die in der TiC-Inszenierung durch die Bank gelungen besetzt sind. Trant stiehlt sogar Meisterdetektiv Poirot ein stückweit die Schau – und avanciert zur Co-Heldin des Abends.
Opulente Kostüme und Maske: TiC-Express voll unter Dampf
Voll „unter Dampf“ ist der Orientexpress nicht nur, weil die TiC-Bühnenbildner einen gediegenen Mix aus Plüsch, Messing und Mahagoni auf die Bühne zaubern. Ihren Anteil an dem elegant-charmanten „Mordsspektakel“ im TiC haben auch die opulenten Kostüme von Noelle-Magali Wörheide und Alyson Hille sowie die Maske von Elke Quirmbach – Bartschoner des eitel-peniblen Meisterdetektivs inklusive…! Der kräftige Applaus des Premierenpublikums bewies: Der „Orientexpress“ ist auch im TiC-Theater nicht bloß ein Zug, sondern eine Legende – eine spannende Zeitreise zurück in die 1930er-Jahre…! „Fahrkarten“ für den neuen TiC-Krimi „Mord im Orientexpress“ sind im TiC unter Telefon (0202) 47 22 11, im Theaterbüro an der Hauptstraße 3 oder online unter tic-theater.de buchbar.