15.07.2024, 17.53 Uhr | Meinhard Koke | Artikel drucken | Instapaper | Kommentare
Handy-freie Zone: CFG & FBR nach den Ferien „im Flugmodus“

Ein Verbot zur Handy-Nutzung gilt nach den Ferien im Schulzentrum Süd. | Symbolfoto: Pixabay/13smok / Meinhard Koke
Ob daheim, unterwegs mit Freunden oder im Straßenbild – jeder kennt es, überall sieht man das: Es wird aufs Handy gestarrt! Im Schulzentrum Süd wird das nach den Sommerferien anders sein: Die Schulkonferenzen von Carl-Fuhlrott-Gymnasium (CFG) und Friedrich-Bayer-Realschule (FBR) haben sich dafür ausgesprochen, dass das „Süd“ zur Handy-freien Zone wird – und zwar mit jeweils überwältigenden Mehrheiten…! Damit gehen die beiden weiterführenden Schulen am Jung-Stilling-Weg einen Schritt, der seit Jahren bundesweit kontrovers diskutiert wird – und hier und da schon gegangen wurde: So führte Bayern zunächst 2006 ein Handy-Verbot für das gesamte Schulgelände ein – zum Schuljahr 2022/23 wurde die strikte Regelung wieder gelockert: Nun können die Schulen eigenverantwortlich über die Ausgestaltung des „Handy-Banns“ außerhalb des Unterrichts entscheiden.
Frankreich, Italien, Kanada,… – überall schon Einschränkungen
Zumal Schulangelegenheiten Ländersache sind, ist die deutsche Landkarte abseits des „Weißwurstäquators“ ein Flickenteppich, und zwar aus individuellen Regelungen an einzelnen Schulen… Laut einer repräsentativen Umfrage des Digitalverbandes „Bitkom“ sind Mobiltelefone inzwischen an mehr als jeder zweiten deutschen Schule tabu – mal auf dem gesamten Schulgelände, mal ist die Nutzung in Notfällen, in Pausen und Freistunden erlaubt, mal darf man Handys sogar im Unterricht privat nutzen. Anders in Frankreich: Hier sind seit 2018 Handys, Tablets und Smartwatches an öffentlichen Schulen verboten – selbst in den Pausen. Auch in Kanada gilt ein Handy-Bann, in Großbritannien, Italien oder auch in den Niederlanden gelten Verbote mit besonderen Regelungen. Dänemark gibt seinen Schulen indes Empfehlungen zur Smartphone-Nutzung an die Hand. Hier gibt es vielfach sogenannte „Handyhotels“ zur Aufbewahrung.
Jugend-Studie: Fast eine 40-Stunden-Woche am Handy
Warum verschärfen die Schulen am Jung-Stilling-Weg nun ihren Handy-Kurs? FBR-Leiter Marcus Dätig berichtet von einem persönlichen Pausen-Erlebnis: „Während es draußen regnete saßen da etwa 1.000 SchülerInnen im Pausenzentrum vor ihren Handys“ – von Bewegung oder Kommunikation untereinander kaum eine Spur: „Der Medienkonsum hat extrem zugenommen“, lautet die Erfahrung des Realschulleiters: „Die SchülerInnen spielen in den Pausen nur mit ihren Handys.“ Ähnlich ist die Einschätzung von CFG-Leiter Reinold Mertens: „Für die SchülerInnen ist das Handy längst nicht mehr nur ein Gebrauchsgegenstand.“ Dazu passt eine Erkenntnis der letztjährigen Jugend-Digitalstudie der Postbank: Demnach verbringen Jugendliche in Deutschland durchschnittlich 36,9 Stunden pro Woche am Smartphone. Dass Regelungen notwendig sind, glaubt zum Beispiel Jugendmediziner Thomas Fischbach. Für den Ex-Präsidenten des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) spricht die Faktenlage eindeutigfür ein Handyverbot an Schulen: „Zu viel kindlicher Medienkonsum führt zu Konzentrationsverlusten, Schlafstörungen, Gewichtszunahme und schlechteren schulischen Leistungen“, so der Kinderarzt.
Bestseller: „Menschliches Potenzial wird zerstört…“
Dazu passt eine aufsehenerregende Analyse des US-Psychologen Jonathan Haidt: In seinem Bestseller („Generation Angst – wie wir unsere Kinder an die virtuelle Welt verlieren“) schreibt er, dass die Jugend „eine Flutwelle“ des Leids erlebe, seitdem Smartphones in den Kinderzimmern zur Grundausstattung gehören. Die Folgen einer exzessiven Handynutzung beziehungsweise der „großen Neuverdrahtung der Kindheit“ sind laut des Bestsellerautors soziale Verwahrlosung, Schlafmangel, Aufmerksamkeitsdefizite und Sucht – bis hin zu Angstzuständen, Depressionen und einer erhöhten Suizidrate: „Das menschliche Potenzial wird in großem Umfang zerstört.“
Umfrage: 60 Prozent für Handy-Verbot an Schulen
Die Gefahren sind offenbar längst in der Gesellschaft angekommen: Laut einer repräsentativen Umfrage des Instituts Insa sprachen sich 60 Prozent der Befragten für ein vollständiges Verbot der Handynutzung an Schulen aus. Dass das klappen kann, davon ist mit Schulleiterin Silke Müller die Digitalbotschafterin des Landes Niedersachsen überzeugt: „Eltern und Schüler überleben die handyfreie Zeit“, sagte die Bestseller-Autorin in einem Stern-Interview: Die allermeisten hielten sich daran – Handy-freie Zeiten bezeichnet Müller als „ein Stück Psychohygiene“.
Ohne Handy: Viel größerer Lernfortschritt in Schule
Und es ist offenbar eines mit Wirkung: Laut einer PISA-Studie von 2022 schneiden solche Jugendliche, die ihr Handy in der Schule abschalten besser ab als ihre Mitschüler, die immer „on“ sind. Und zwar nicht unerheblich: Das bessere Abschneiden entspricht in etwa dem Lernfortschritt eines halben Schuljahres. FBR-Leiter Marcus Dätig will bei seinen SchülerInnen keine solchen Leistungsdefizite festgestellt haben, man wolle die Handy-freie Schule vielmehr präventiv einführen. In den Klassen sei die Resonanz „wenig begeistert“ gewesen, weiß CFG-„Kollege“ Reinold Mertens zu berichten, rational könnten die SchülerInnen die Maßnahme aber nachvollziehen. Eltern und Lehrer habe man sowieso auf seiner Seite, ergänzt FBR-Leiter Dätig. Von einer „Handy-Verteufelung“ wollen beide Schulleiter nichts wissen: „Wir möchten vielmehr anstoßen, dass das Handy stärker als Arbeitsmittel genutzt wird.“
„Offener Prozess“: Nach einem Jahr Neubewertung am „Süd“
Der „Handy-Bann“ gilt daher nur im „Süd“-Gebäude, nicht auf den beiden Pausenhöfen – vorerst…! „Das allein hat schon den Vorteil, dass die Schüler mehr rausgehen und frische Luft schnappen werden“, sieht FBR-Leiter Marcus Dätig einen Positiveffekt bereits erreicht. Während der „Probephase“ werde man die Auswirkungen genau beobachten und gegebenenfalls in Abstimmung mit den Schulkonferenzen und SchülervertrerInnen nachjustieren: „Nach einem Jahr setzen wir uns dann wieder zusammen und evaluieren – das ist ein ergebnisoffener Prozess“, so CFG-Leiter Reinold Mertens abschließend.