25.09.2024, 19.41 Uhr | Martin Hagemeyer | Artikel drucken | Instapaper | Kommentare
Komödie „Extrawurst“: Spiel, Satz und Sieg für das TiC-Theater
In der neuen Komödie „Extrawurst“, die Martin Petschan, bis vor Kurzem Ensemblemitglied bei den Wuppertaler Bühnen, im TiC-Theater auf die Bühne brachte, beschert die geplante Anschaffung eines neuen Grills einem Tennisclub gehörige Turbulenzen. „Grill-Wart“ Matthias (Sebastian Freund) schlägt per Powerpoint-Präsentation zur Auswahl auf – köstlich schon hier die Parodie auf Vereins- oder vielleicht besser Schlaumeierei: Sehr ernsthafte Diagramme führen der staunenden Versammlung epochale Aspekte wie den „Wurstausstoß“ vor Augen (die „Grafiken“ hat Hannah Dickel knochentrocken-komisch gestaltet!). Dann der folgenschwere Einwand von Clubmitglied Melanie (Christine de Bruyckere-Monti): „Ich finde, für Erol sollte es einen eigenen Grill geben.“ Und damit haben sie den „Salat“ – der übrigens unangerührt auf dem Büfett wartet, so oft auch Vereinschefin Ursula (Monika Owart) es vergeblich zu eröffnen sucht. Ist der ausrangierte Alt-Grill eine Option für das einzig muslimische Clubmitglied mit seinem „Nein“ zu Schwein? Oder der Mini-Elektrogrill – ein Werbegeschenk? Erol (Fabian Steinberg) dazu knapp: „Ich will kein Almosen für notleidende Türken.“
Rücktritt: Plötzlich läuft alles aus dem Ruder…
Nicht er aber ist es, der sein „Sonderrecht“ vorantreibt, sondern ein allseitiger Mix aus kultivierter Rücksicht und Streitlust. Irgendwann urteilt Matthias ziemlich ungerecht: „Plötzlich läuft alles aus dem Ruder. Und nur weil uns die Türken ihre Themen aufdrängen!“ Erol seinerseits wird zunehmend sarkastisch: „Schon klar: Ich baue das Vereinsheim Richtung Mekka und pimpere eure Frauen auf einem Wasserbett aus Ayran.“ Ursula ist da schon alles zu viel geworden: Sie hat ihren Vereinsvorsitz niedergelegt und ist gegangen… Extremist ist niemand auf der Bühne, alle sind gesprächsbereit – ganz „Menschen der Moderne“. Und über die witzigen Wortgefechte hinweg scheinen ungeahnte Ähnlichkeiten auf: Wenn Erol sich „Schweinedampf“ für sein Grillgut verbittet, wird klar: Wer nicht gläubig ist, für den klingen derlei Essensregeln ähnlich starr wie Matthias‘ „Wurstausstoß“ – im Grunde bürokratisch…
Erinnerung an Loriot-Figur und „echte Typen“…
Monika Owarts Figur wie auch ihr Spiel fallen im Vergleich mit den anderen ein wenig aus der Reihe. Mit ihrer Begrüßung beginnt im Grunde das Stück, und mit einem Appell von ihr wird es auch enden. Wer Owert in der TiC-Loriot- Revue als TV-Ansagerin erlebt hat, mag die Steif- und Überkorrektheit dieser Figur nun bei „Ursula“ wieder entdecken – hier wie dort ziemlich komisch…! Nahe an „echten Typen“ sind dagegen die anderen – ohne stereotyp zu werden. Ganz dynamischer Macher ist der Matthias bei Sebastian Freund. Er weiß, wie man sich zivilisiert verhält – und exerziert das mit einer guten Portion Selbstgefälligkeit.
Sich nach der Pause eine Entschuldigung abzuringen, koppelt er kühl daran, dass alle es ihm nachtun; peinliche Sekunden lang wartet er stumm auf Erols Bedauern und bohrt dann nach: „Ich dachte, vielleicht wolltest ja auch du dich entschuldigen?!“ Überzeugend gibt Philip Zangerl mit Torsten einen Aufklärer par excellence – der im Vollgefühl rationaler Überlegenheit nicht zimperlich ist: „Erfunden“ sind für ihn alle göttlichen Instanzen, frischweg erklärt er der Runde: „Ich finde alle Religionen gleich daneben“, sein Leitprinzip ist vielmehr: „Fakten, auf die ich mich verlassen kann!“ Vielleicht selbst eine Art „Mantra“ – wenngleich weltlicher Art?
Kunstgriff zum Start: Das sind Clubberer wie du und ich…
Von Erol jedenfalls gibt es dafür keinen Applaus: „Mein Glaube ist für mich ein Fakt.“ Fabian Steinberg nimmt man den „Osmanen“ spielend ab, entspannt auf Ausgleich bedacht, zugleich stolz auf seine Kultur und seine Prinzipien. Spannend sein vitales Verhältnis zu Melanie, der energiegeladenen Gattin von Torsten: Dass Regisseur Martin Petschan sie zum Start zunächst im Publikum platziert, bietet nicht nur die nette Irritation, ob denn die „Plaudertaschen“ vorne wohl zum Stück gehöre… Es unterstützt auch die Identifikation, die sich im Stück bestätigt: Das sind Leute wie wir; dieses Thema mitsamt seiner Tücken: Es betrifft uns alle!
„Extrawurst“ unterhält wunderbar und leistet zugleich zu gewissen Debatten ganz unverkrampft einen Beitrag. Wie eine gute Wurst vom Rost: Mehrfach gedreht und gewendet, knackig und auf den Punkt…! Karten für die TiC-Komödie gibt’s im Theaterbüro an der Hauptstraße 3, unter Telefon (0202) 47 22 11 oder auch online unter tic-theater.de.