22.11.2024, 09.41 Uhr | Marion Heidenreich | Artikel drucken | Instapaper | Kommentare
„Offener Abend“: Die Integration in der Stadt als Herausforderung

Annette Leuschen, die Gastgeberin der Reihe „Offene Abende“ der evangelischen Südstadt-Gemeinde (re.), mit Suzan Öcal, der Antirassismusbeauftragten der Stadt Wuppertal. | Foto: Marion Heidenreich
Seit Jahrtausenden verlassen Menschen ihre Heimat auf der Suche nach besseren Lebensbedingungen. Damals wie heute fliehen sie vor Gewalt, vor Verfolgung oder auch auf der Suche nach wirtschaftlicher und sozialer Sicherheit – wer sich auf den Weg macht, begibt sich auf eine „Reise ins Ungewisse“. Fast genauso alt ist die Frage nach der Integration, nach dem Zusammenleben verschiedenster Kulturen in einer Gesellschaft. Beim letzten Offenen Abend in der Johanneskirche der evangelischen Südstadt-Gemeinde begrüßte Organisatorin Annette Leuschen an der Altenberger Straße 25 Suzan Öcal: Die Soziologin beleuchtete die Herausforderungen an eine interkulturelle Gesellschaft und die Arbeit des Wuppertaler Haus der Integration. „Da stehen Menschen vor der Tür, die fremd wirken, die anders aussehen,“ beschrieb die Antirassismusbeauftragte der Stadt die erste, vielfach negative Wahrnehmung der Anlaufstelle für Zuwanderung und Integration. Für die MitarbeiterInnen an der Friedrichs-Engels-Allee 28 gilt es aber genau hinzuschauen: Was brauchen die Menschen?
„Integration braucht alle Menschen in einer Stadt“
In Wuppertal haben rund 42 Prozent der BürgerInnen einen Migrationshintergrund. Viele davon werden heute gar nicht mehr als „Zugewanderte“ wahrgenommen – höchstens vielleicht noch anhand des Nachnamens: „Anfang des 20. Jahrhunderts kamen viele Arbeitskräfte für die Stahlindustrie aus Polen ins Ruhrgebiet“, berichtete die Soziologin. Während und nach dem 2. Weltkrieg waren es dann Flüchtlinge und Vertriebene aus den ehemaligen Ostgebieten. Auch damals, so Suzan Öcal, waren viele Konflikte zwischen den „Hiergebliebenen und Heimatvertriebenen“ an der Tagesordnung – „alle deutsch“, wohlgemerkt…!
Mit dem Wirtschaftswachstum wurden ab Mitte der 1955er-Jahre die Arbeitskräfte rar. Befriste Abkommen mit südeuropäischen Ländern sollten da die benötigten Arbeitskräfte stellen. Die Unterbringung der jungen Arbeiter aus Italien, der Türkei oder dem damaligen Jugoslawien erfolgte in firmeneigenen Unterkünften: „Man blieb unter sich“, berichtete Suzan Öcal aber auch, dass die gestellten Zimmer ein besseres Sparen ermöglichten – für den Aufbau einer Existenz nach der Rückkehr im Heimatland.
„Integration ist kein Ponyhof“
Ab den 1960er-Jahren wurden auch vermehrt junge Frauen unter anderem für den Pflegebereich angeworben. Wirtschaftskrisen, Rückkehr-Prämien, politische und gesellschaftliche Veränderungen sorgten dann dafür, dass bis 1990 viele auf gepackten Koffern saßen. Die Frage nach der eigenen Identität und Zugehörigkeit, so die Soziologin weiter, spielt zudem ab der zweiten Generation eine immer größere Rolle, verstärkt durch alltägliche Rassismus-Erfahrungen – bis heute prägt diese Verunsicherung. Erst 2005 wurde eine gesetzliche Regelung der Zuwanderung geschaffen, wesentlicher Bestandteil dieser ist die Vermittlung von deutscher Sprache, Werten und Kultur.
Was auf dem Papier so einfach klingt, benötigt in der Praxis nach Worten von Suzan Öcal eine intensive Zusammenarbeit aller Akteure im Integrationsprozess. Gefragt ist dabei aber ebenso die demokratische Zivilgesellschaft wie auch Bereitschaft und Wille der Zugewanderten, Teil der vielfältigen Gemeinschaft zu werden…. !