08.10.2025, 19.18 Uhr   |   Marion Heidenreich   |   Artikel drucken   |   Instapaper   |   Kommentare

„Wissenswertes“ aus der JVA: „Wenigsten schaffen den Absprung“

Artikelfoto

In der Reihe „Wissenswertes“ hatte Initiator Prof. Martin Fleuß mit Susan Schneider die Leiterin der JVA Ronsdorf im Gemeindehaus Küllenhahn zu Gast. | Foto: Meinhard Koke

Die wenigsten der vielen Besucher werden schon einmal Kontakt damit gehabt haben: der Jugendstrafvollzugsanstalt (JVA) Ronsdorf. Beim letzten Abend der Reihe „Wissenswertes“ der Evangelischen Gemeinde Cronenberg-Küllenhahn begrüßte Prof. Dr. Martin Fleuß die JVA-Leiterin Susan Schneider im Küllenhahner Gemeindehaus an der Nesselbergstraße 12. Die gebürtige Brandenburgerin hatte sich bereits im Referendariat nach dem Jura-Studium für den „Berufsalltag hinter Gittern“ entschieden. 2023 übernahm sie die Leitung der Jugend-JVA auf der Südhöhe, davor war Schneider unter anderem auch stellvertretende Leiterin der JVA Vohwinkel.

Jugendstrafvollzug in der JVA Ronsdorf

Die Arbeit im Strafvollzug bezeichnete die leidenschaftliche Juristin als herausfordernd: „Es macht aber Spaß – eine Arbeit mit vielen Menschen, immer ist irgendwas Neues.“ Seit 2024 beherbergt die JVA Ronsdorf auch junge weibliche Straffällige aus ganz NRW. Wie sieht der Alltag für die rund 320 Männer und 25 Frauen sowie der gut 340 JVA-Bediensteten aus? Eine durchschnittliche Haftzeit in der JVA Ronsdorf beträgt rund ein Jahr. Die kürzeste Haftstrafe im Jugendrecht ist mit sechs Monaten, die längste bei zehn Jahren angesetzt. Die Spanne der Straftaten reicht von Eigentumsdelikten bis hin zu Körperverletzung und Sexualdelikten – Betrug und Tötungsdelikte sind eher die Ausnahme.

Der Alltag hinter Gittern

Jugendstrafe bedeutet Erziehung und Jugendpädagogik: „Sinnvolle Beschäftigungsmöglichkeiten sollen ihre Gesundheit, ihre Selbstachtung sowie Fähigkeiten und Fertigkeiten erhalten und stärken und ihnen helfen, sich als sozial verantwortungsvolle Mitglieder der Gesellschaft zu entwickeln.“ Dazu gehören neben schulischen und beruflichen Maßnahmen auch Behandlungs- und Freizeitangebote. Unter 18-jährige, die noch schulpflichtig sind, werden während der Haftzeit beschult: „Ferien gibt es keine, wo sollten die auch hin“, so Schneider. Aufgrund der vielfach kurzen Haftdauer werden berufliche Bildungsmaßnahmen als Teilqualifizierungen in Modulen angeboten. Zusätzlich gibt es Beschäftigungsmöglichkeiten in Küche oder Bücherei, als Reinigungskraft, Küster oder Hauswerkmeister.

Anzeige

Dazu sind in der Woche drei Stunden Sport gesetzlich vorgeschrieben. Bei Fehlverhalten drohen Disziplinarmaßnahmen vom „Fernseh-Entzug“ und Sportverbot bis hin zum Arrest. Der „typische“ Alltag hinter Gittern beginnt um 6 Uhr in der Früh. Nach dem Frühstück geht es von 7 bis 15.30 Uhr zur Schule oder Arbeit. Ab 16 Uhr heißt es Freizeit: Sport, Hofstunde, Freizeit- und Behandlungsgruppen sowie Besuche und Abendessen. Um 20 Uhr geht es zurück in den Haftraum, um 22 Uhr beginnt die Nachtruhe. Zu den Behandlungsangeboten gehören gewalt- und suchtpräventive Maßnahmen, soziales Training oder auch Schuldnerberatung in Einzel- oder Gruppentherapie. Dazu kommen Freizeitangebote von Yoga über Koch- und Kunstprojekte bis hin zu Konzerten oder Imkern.

Das Umfeld: Hohe Rückfallquote

Die Zuhörer im Küllenhahner Gemeindehaus interessierte auch die Rückfallquote. Mit 70 Prozent sei diese leider sehr hoch: „Wir wissen schon, wer später im Erwachsenen-Vollzug landet.“ Eine Rolle dafür spiele ebenso das junge Alter wie das alte Umfeld. Die wenigsten schafften den Absprung aus den begünstigenden familiären und sozialen Strukturen in ein sicheres, kontrolliertes „Auffangnetz“ mit engagierten Betreuern. Als wünschenswert bezeichnete es Schneider, viel früher bei auffälligen Jugendlichen anzusetzen, um ein Abdriften in die Kriminalität zu verhindern….

Netzagentur-Präsident im „Portrait“ am 10. Oktober

In dieser Woche kommt im Gemeindehaus Küllenhahn nun wieder die Reihe „Portrait“ dran: Mit Klaus Müller wird am kommenden Freitag, 10. Oktober, der Präsident der Bundesnetzagentur zu Gast im Gemeindehaus Küllenhahn sein. Der gebürtige Wuppertaler war zuvor für Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsabgeordneter, dann Umweltminister in Schleswig-Holstein und zuletzt bis 2022 Vorstand des Verbraucherzentrale-Bundesverbandes. Der „Portrait“-Abend an der Nesselbergstraße 12 beginnt um 19.30 Uhr, der Eintritt ist frei.