23.01.2012, 22.09 Uhr   |   Meinhard Koke   |   Artikel drucken   |   Instapaper   |   Kommentare

Knipex: „Eine Ein-Stern-Reise, aber immer wieder…!“

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Sogar eine CW war mit auf der Rallye: Jürgen Steinhauer und Uwe Schwierzke (re.) zu Beginn von "Dust 'n Diesel" in Marokko.

Keinerlei Komfort, große Strapazen, aber dennoch haben Jürgen Steinhauer (57) und Uwe Schwierzke (45) ihre Fahrt von Tarifa (Spanien) nach Nouakchott (Mauretanien) genossen. In neun Etappen kämpften sie sich 4.000 Kilometer lang durch den Pistendschungel, davon rund 120 Kilometer lang entlang des Atlantik-Strandes und rund 150 Kilometer durch die Wüste; sie hatten die erste und letzte Panne der Rallye, lebten überwiegend von Ravioli, Nutella, Bifi & Prinzenrolle; sie mussten ebenso Eis von der Windschutzscheibe kratzen wie sich vor Sonnenbrand schützen – dennoch steht für die beiden Mitarbeiter der Firma Knipex fest: „Wir würden es auf jeden Fall wieder machen!“

Die „Ein-Stern-Reise“ war die Teilnahme an der Rallye „Dust ’n Diesel“ (die CW berichtete), der eine Stern bezieht sich auf den fahrbaren Untersatz von Jürgen Steinhauer und seinem „Co-Piloten“ Uwe Schwierzke: ein Mercedes-Kombi W124, Baujahr 1991. Gesponsert durch ihren Arbeitgeber Knipex erwarben Steinhauer und Schwierzke das als „unverwüstlich“ geltende Gefährt mit 329.000 Kilometern „auf dem Buckel“ für gerade einmal 1.200 Euro via Ebay und machten es „fit“ für ihre Rallye-Teilnahme, zu der sie am zweiten Weihnachtsfeiertag aufbrachen. Bei der außergewöhnlichen Tour, für die sie inklusive Anfahrt insgesamt 6.700 Kilometer zurücklegten, ging es um ein mindestens ebenso außergewöhnliches Ziel: Es galt nicht als Erster oder Schnellster in Mauretaniens Hauptstadt einzutreffen; Aufgabe war vielmehr, überhaupt dort anzukommen. Und zwar mit einem möglichst intakten Gefährt, denn die Teilnehmer-Fahrzeuge sollten vor Ort zugunsten einer Hilfsorganisation verkauft werden – ein hoher Reinerlös für den guten Zweck macht „den Geist“ von „Dust ‚N Diesel“ aus.

„Ich kam zu der Rallye, wie die Jungfrau zum Kind“, blickt Jürgen Steinhauer nach der Rückkehr an seinen Knipex-Arbeitsplatz zurück. Die Idee hatte nämlich Uwe Schwierzke: Durch eine ZDFneo-Dokumentation erfuhr Schwierzke von der Benefiz-Rallye und war direkt „Feuer und Flamme“. Nachdem Knipex-Chef Ralf Putsch grünes Licht gegeben und Unterstützung zugesagt hatte, ließ sich Jürgen Steinhauer zur Mitfahrt überreden – der ursprünglich vorgesehene Co-Pilot hatte zuvor passen müssen. „Uns hat auch die Herausforderung gereizt“, durch Landstriche beziehungsweise Länder zu reisen, in die man als „normaler“ Individual-Tourist sonst nicht kommt, erklären Uwe Schwierzke und Jürgen Steinhauer ihre Motivation: „Zweiter Grund war natürlich, zugleich etwas für einen guten Zweck zu tun!“

Die „Reise von der ersten über die zweite bis in die dritte Welt“, wie Jürgen Steinhauer sie umschreibt, begann am 26. Dezember 2011 in Neviges. Zunächst ging es über 2.700 Kilometer nach Tarifa am Südzipfel Spaniens. In Perpignon ereilte das Knipex-Tandem die erste Panne – mit Hilfe einer engagierten Mercedes-Werkstatt wurde sie gemeistert. Zwar mit einigen Stunden Verspätung, aber noch rechtzeitig vor dem Start kamen Jürgen Steinhauer und Uwe Schwierzke so in Tarifa an. In neun Etappen zwischen 110 und 550 Kilometern Länge ging es von hier aus zunächst durch Marokko, dann durch die „annektierte“ West-Sahara und schließlich durch Mauretanien.

Während die Straßenverhältnisse, aber auch die Freundlichkeit der Menschen in Marokko nichts zu wünschen übrig ließen, nahmen die Müllberge (Jürgen Steinhauer: „Die Plastiktüte ist der Fluch Afrikas!“) sowie die Slums am Rande Etappe um Etappe zu. In der West-Sahara ging es zunehmend „über Stock und Stein“, in Mauretanien fuhr der Rallye-Tross unter Polizeischutz nur noch im Konvoi – in der Islamischen Republik treiben radikale Islamisten ihr Unwesen. Vergleichsweise harmlos mutet dagegen das strikte Alkoholverbot an, das die Rallye-Teilnehmer durch Mauretanien begleitete. Mit einem kühlen Bier am Abend war da „Essig“, ein Team stieß jedoch dennoch an: Sie hatten mit Lebensmittelfarbe blau eingefärbten Wodka im Frostschutzmittelkanister geschmuggelt…

Umso leckerer schmeckte das eisgekühlte „La Gazelle“ im Senegal („Das beste Bier meines Lebens“); ungleich wesentlicheres Fazit ihrer Rallye-Teilnahme ist für Jürgen Steinhauer und Uwe Schwierzke jedoch der krasse Kontrast zwischen ihrer Heimat und dem Leben vor allem in Mauretanien: Die kärglichen Verhältnisse, die Lage der Kinder, der Müll – „man glaubt nicht, mit wie wenig man leben kann“, blicken Steinhauer und Schwierzke beeindruckt zurück: „Und man begreift dort, wie gut es uns hier geht.“ Weitere Erkenntnis des Rallye-Duos: Limousinen lassen sich in Afrika besser verkaufen als Kombis; die Pkw-Farbe Rot ist ein „No Go“. Zwar war der Knipex-Mercedes ein Kombi, zum Glück aber nicht rot – mit 900 Euro erzielten Steinhauer & Schwierzke auf dem Auto-Markt an der Senegal-Grenze mit den höchsten Erlös – insgesamt kamen 19.000 Euro für die mauretanische Hilfsorganisation AEPN (Verein zur Hilfe von Kindern und anderer Bedürftiger) zusammen.

Übrigens: Ob sie noch einmal bei der Rallye mitmachen oder nicht – die AEPN wollen Jürgen Steinhauer und Uwe Schwierzke weiter unterstützen: Mit Hilfe ihres Arbeitgebers ist ein Foto-Abend in der Knipex-Schmiede angdacht, bei dem die Rallyefahrer berichten und für die Hilfsorganisation sammeln wollen. Mehr zur Rallye ist als Internet-Blog unter rallye.knipex.net abrufbar, Infos zur Rallye selbst gibt es unter www.dust-and-diesel.com.

Text: Lisa Heuwold & Jessica Ritzmann/Meinhard Koke