29.06.2022, 12.05 Uhr   |   Matthias Müller   |   Artikel drucken   |   Instapaper   |   Kommentare

Wie ein tragischer Film: Lieselotte Bhatia stellte Erinnerungen vor

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Lieselotte Bhatia (li.) und Stephan Stracke vom Verein „Spurensuche“ werden auch weiterhin gemeinsam auf Spurensuche in der NS-Vergangenheit gehen. | Foto: Matthias Müller

„Meine Spurensuche“ heißt das Buch von Lieselotte Bha­tia, der Mitbegründerin des Vereins „Spurensuche – NS-Geschichte in Wuppertal“. Anlässlich des 77. Jahrestages des Burgholz-Mas­sakers las die „Kämpferin gegen das Vergssen“ aus ihrer Lebensgeschichte, welche sich in drei Abschnitte teilt: „Von Vohwinkel, Dehli, Dammam (Saudi Arabien) und zurück…“, so heißt der erste Teil der sehr persönlichen Spurensuche von Lieselotte Bhatia.

Dieser führt den Leser unter anderem nach Indien und Saudi-Arabien. „Ich war eine Deutsche, die sich traute, Anfang der 1970er-Jah­re einen Inder zu heiraten“, berichtete die ehemalige Buchhändlerin, deren Vater Beamter und glühender NS-Anhänger war. „Mit ihm zu leben war später unmöglich“, erzählte Bhatia. Ihr indischer Mann, den sie 1969 in Stuttgart kennengelernt hatte, war 1964 nach Deutschland gekommen. „Es waren die wilden 68er-Jahre“, lächelte Bhatia – die Stimmung zum Vater wurde indes immer eisiger. Nach der Heirat führten Lieselotte Bhatia und ihr Mann ein „weitgereistes“ Leben: 1972 ging es zunächst für ein halbes Jahr nach Indien, von 1979 bis 1985 lebten sie in Saudi-Arabien. 1987 verunglück­te der Ehemann auf einer Geschäftsreise nach Schottland tödlich – Lieselotte Bhatia stand mit ihren beiden Söhnes, damals elf und sieben Jahr alt, allein da.

Der Vater war Mittäter beim „Burgholz-Massaker“

Im zweiten Teil ihres Buches dokumentiert Lieselotte Bhatia ihre langjährige, anhaltende Spurensuche im Zusammenhang mit dem Burgholz-Massaker, die bis ins ukrainische Dnepropetrovsk führte. Damit begab sie sich auch auf die Spuren ihres Vaters, des Kriminalpolizisten und verurteilten NS-Kriegsverbrechers Wilhelm Ober. Von dessen grausamen Rolle erfuhr die Autorin erst nach und nach, um Teil als der Vater schon verstorben war. In Teil 3 ihres Buches lässt Lieselotte Bhatia ehemalige Wuppertaler Zwangsarbeiterinnen in ausgewählten Briefen zu Wort kommen. Seit Anfang der 2000er-Jahre stehen sie in Kontakt zum Verein „Spurensuche“ und fassten das Vertrauen, ihre Leidensgeschichten während der NS-Zeit zu erzählen.

Die Zuhörer konnten den Eindruck gewinnen: Das Leben von Lieselotte Bhatia ist wie ein tragischer Film, in dem die Suche nach Spuren der NS-Vergangenheit nie aufhören wird – wie für den Verein scheint das für sie eine Art Lebensaufgabe geworden zu sein. Bei der Gedenk-Wanderung im Anschluss an die Lesung hatte Stephan Stracke übrigens Neuigkeiten zum ehemaligen Polizei-Schießplatz im Burgholz mitzuteilen: Demnach war dieser eine „richtige“ Hinrichtungsstätte, zu der auch ein mobiler Galgen transportiert wurde. Bis in die letzten Kriegswochen 1945 gab es hier immer wieder Exekutionen. Aber nicht nur von Zwangsarbeitern. Mit Peter Schäfer wurde hier auch ein Polizeioberstleutnant und ehemals glühender Nazi aus Bonn im April 1945 von Gestapo und Polizei hingerichtet, weil er nicht mehr an den Sieg glaubte.

„Meine Spurensuche“ von Lieselotte Bhatia hat die ISBN 978-3-943643-18-3 und ist im Buchhandel – also auch bei Nettesheim an der Hauptstraße 17 – für 24 Euro erhältlich.