04.11.2022, 18.29 Uhr   |   Martin Hagemeyer   |   Artikel drucken   |   Instapaper   |   Kommentare

TiC-Theater: Humor-Altmeister Loriot bleibt „unverwüstlich“ lustig

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Bescheren ein sehenswertes Loriot-Wiedersehen im TiC-Theater: Joachim Rettig, Monika Owart, Astrid Gottschalk, Christina de Bruyckere-Monti, Carsten Müller und Fabian Steinberg – natürlich auch an der unvergessenen „Loriot-Parkuhr“…! | Foto: Martin Mazur

„Köstlich“. „Wie erfrischend“. „Das Beste sitzt unter der Haut“. Wenn Menschen beim Dinner so etwas stur sagen, eher: aufsagen, ohne eine Miene zu verziehen, dann ist es vielleicht ein Benimmkurs. Wenn die Szene dennoch sehr komisch ist, trotz aller Verkrampftheit – oder eben deshalb –, dann ist es wahrscheinlich: Loriot! In der Tat: Im TiC-Theater gibt es wieder „Loriots dramatische Werke“. Schon früher ein „Dauerbrenner“ an der Borner Straße, feierte das Programm nun vergnügliche Premiere auf der neuen Bühne. „Lieblingsszenen“, aber auch „Raritäten“ aus der Feder des 2011 verstorbenen Humoristen hatte Regisseur Ralf Budde ausgewählt, und sechs DarstellerInnen zauberten sie am vergangenen Freitag in wechselnden Rollen vors amüsierte Premieren-Publikum. Muss man das Original dafür kennen? Ein Zuschauer meinte zu seiner Begleitung: „Junge Leute kennen das nicht.“ Einwand: Die Szenen sprechen für sich – auch ohne „Vorbildung“…!

„Das wahre Loriot-Ich“ mit Bravour im TiC-Theater

Der „Lottogewinner“ Herr Lindemann durfte nicht fehlen, der bei jedem Kameradreh verwirrter wird und am Ende selbst nicht mehr weiß, ob er die „Herrenboutique in Elberfeld“ nun mit seiner Frau eröffnen will oder doch mit dem Papst oder sonstwem… Womit er im Grunde aber eng verwandt ist mit „Herrn Blühmel“ beim eingangs erwähnten, nicht ganz so bekannten „Anstandsunterricht“: Auch der muss ständig wiederholen, bloß sind es hier „Smalltalk“-Phrasen bei Tisch – und jedes Mal mit „echtem“ Wein… Köstlich, Monika Owart („Frau Schuster“) und Astrid Gottschalk („Frau Krakowski“) als kultivierte und dabei völlig freudlose Damen – und Carsten Müller als eifriger Plauder-Schüler, dem doch über all der weinseligen Gelehrigkeit der „Anstand“ längst entglitten ist.

Alle DarstellerInnen haben an diesem Abend ihre „Bravourstückchen“. Allen voran Monika Owart, die mehrere einst von Evelyn Hamann gespielte Figuren verkörpert – auch die bedauernswerte Ansagerin mit der englischen Inhaltsangabe um den unaussprechlichen „Lord Forthescue““ und seine komplizierte Verwandtschaft. Sowie Carsten Müller, der seinerseits mehrfach in Rollen schlüpft, die Loriot einst selbst gegeben hat; den „Blühmel“ etwa hatte der Humorist einst als sein eigenes „wahres Ich“ bezeichnet – charmant, präsent und doppelbödig! Aber zum Beispiel auch Joachim Rettig, der es beim „Feuergeben“ fertigbringt, gefühlt zehn Minuten vergeblich nach Streichhölzern im Mantel zu suchen – das muss man erst mal hinkriegen, ohne dass es künstlich wirkt!

Vom Jodeldiplom bis zur Wuppertal-Boutique – alles dabei

Ein häufiges Thema: Konventionen so komisch vorzuführen, dass man beim Lachen merkt, wie hohl und leblos sie sind – siehe Smalltalk-Szene. Schön zu erleben heute auch beim „Jodeldiplom“ mit Christina de Bruyckere-Monti als „Frau Hoppenstedt“: „Da hat man was Eigenes! Da hat man was in der Hand!“, ist sie felsenfest überzeugt von den hirnlos-peniblen „Lektionen“ fürs korrekte „Holleri du dödl di“. Und wenn der Gatte (Carsten Müller) sie am Ende unsanft am Arm packt, weil sie „dem Herrn“ vom Fernsehen (Fabian Steinberg) nicht „richtig“ geantwortet hat, mag man ahnen: Das Patriarchat bleibt bei allem Jodeln doch unangetastet. Via „Diplom“ auf Unabhängigkeit hoffen – das ist vergebliche Liebesmüh‘. Apropos Liebe: Fester Teil beim TiC-Programm sind natürlich diverse Loriot-Szenen aus dem Eheleben. Bei der „Garderobe“ mit de Bruyckere-Monti und Müller ist es eher das weibliche Geschlecht, das von einer unangenehmen Seite erscheint – und die Worte des Gatten partout gegen ihn auslegt: Egal ob er ihr Kleid lobt, ob er ein anderes vorschlägt oder die Wahl diplomatisch ihr selbst überlässt – einfach alles ist falsch…

Ähnlich dasselbe „Gespann“ beim „Feierabend“, der so friedvoll verlaufen könnte, wenn „sie“ „ihn“ nicht unbedingt überreden müsste, er wolle doch spazieren gehen: „Das hast du doch eben gesagt“ – dabei hat er ja kaum mehr gesagt als: „Ich mache nichts!“ Bis hin zum „Fernsehabend“, wo die „Glotze“ zwar kaputt ist, aber trotzdem zwingend das Geschehen bestimmt: „Du interessierst dich überhaupt nicht für mich!“, jammert Astrid Gottschalk schließlich, und bloß um das „Heft in der Hand“ zu behalten, grummelt Joachim Rettig: „Ich lasse mir doch von einem kaputten Fernseher nichts vorschreiben!“ – schön stur! Auf die witzige Spitze getrieben wird die gekränkte Männlichkeit bei einem der sicher beliebtesten Loriot-Klassiker: Die „Herren im Bade“, beim TiC-Abend der krönenden Abschluss. Zur „Wanne“ mutiert ein gekippter Tisch, den die cleveren Bühnenbildner Bededikt Fiebig und Jan Bauerdick einfach mit Kachelmuster beklebt haben. „Ich kann länger als Sie“ kam natürlich eindeutig zweideutig daher, auch wenn es nur ums Abtauchen und Luft-Anhalten ging.

Den Edelhumoristen würdig zum Leben erweckt

Auch im TiC ist klar: Schon für sich ist es brüllend komisch, wenn zwei fremde Herren sich in ziemlich intimer Lage gegenüber sitzen – und zwischen „Ente“ und „Schwerindustrie“ mit wichtigem Blick „auf seriös machen“ – trotz „Nasszelle“: so „knochentrocken“! Nicht nur hier treffen Ralf Budde und das TiC-Ensemble den richtigen Ton – mit „Loriots dramatische Werke“ erweckt das Cronenberger Theater den Klasse-Humoristen würdig zum Leben. Mehr Infos und Karten für den Loriot-Neuling im TiC gibt es unter Telefon (0202) 47 22 11, im TiC-Büro an der Hauptstraße 3 sowie online unter tic-theater.de.