24.06.2024, 13.08 Uhr | Redaktion | Artikel drucken | Instapaper | Kommentare
Lebenshilfe verurteilt Anschlag: Im „Dorf“ wird Inklusion gelebt

Sportlicher Beweis dafür, dass die Lebenshilfe Cronenberg mitten im Dörper Leben verankert ist: Beim Lebenshilfe-Sommerfest im vergangenen Jahr gab es auch ein Freundschaftsspiel zwischen Menschen mit Behinderung und den Altherren des Cronenberger SC. | Foto: Marcus Müller
Auf den Südhöhen herrscht noch eine „heile Welt“, hier ticken die Uhren manchmal ein bisschen anders. Das ist nicht nur oft im „Dorf“ zu hören, das war nicht zuletzt auch bei der Europawahl vor zwei Wochen zu sehen: Während die rechte AfD ihr bundesweites Ergebnis um 4,9 Prozentpunkte auf 15,9 Prozent steigern konnte, erhielt sie im Stadtbezirk Cronenberg „nur“ 11,9 Prozent der abgegebenen Stimmen. Ein Umstand, der Stefan Pauls ein wenig optimistisch stimmt. Der Geschäftsführer der Lebenshilfe Wuppertal ist auch Wochen danach noch schockiert über eine Tat, die sich in Mönchengladbach ereignete.
„Wir sind entsetzt und verurteilen die Tat aufs Schärfste“
In der Nacht auf den 27. Mai warfen vermutlich Rechtsextreme einen Ziegelstein mit der Aufschrift „Euthanasie ist die Lösung“ auf ein Haus, in dem eine Wohnstätte für Menschen mit Behinderung untergebracht ist. Wenige Tage zuvor hatte es auch einen Anschlag auf die Lebenshilfe-Geschäftsstelle gegeben. Euthanasie bezeichnete in den Jahren 1933 bis 1945 die systematische Ermordung von insgesamt etwa 216.000 Menschen mit körperlichen, geistigen und seelischen Behinderungen während der Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland und den besetzten oder annektierten Gebieten. „Wir sind entsetzt und verurteilen diese Tat aufs Schärfste“, betont Pauls. „Wir sind in Gedanken bei den Bewohnerinnen und Bewohnern sowie den Mitarbeitenden der Lebenshilfe Mönchengladbach und deren Familien, die sich große Sorgen um ihre Angehörigen machen.“
Lebenshilfe: In Cronenberg fester Teil des Dorf-Lebens
Aus diesem Grund appelliert der Wuppertaler Lebenshilfe-Geschäftsführer an alle Demokraten, Menschen mit Behinderung und andere Bevölkerungsgruppen keine Ausgrenzung zuteil werden zu lassen. In Cronenberg hat Stefan Pauls eine andere Gesellschaft kennengelernt. Hier sind Menschen mit Behinderung im wahrsten Sinne des Wortes „mitten im Leben“ (wie der Slogan der Lebenshilfe Wuppertal lautet), hier findet bereits seit Jahrzehnten gelebte Inklusion statt. „Die Menschen mit Behinderung gehören selbstverständlich zum Stadtbild“, freut sich Pauls – ob bei Sommerfesten, Adventsmärkten oder im alltäglichen Leben.
Lebenshilfe gab Anstoß für Werkzeugkiste
Die Osteraktion der Lebenshilfe an Gründonnerstag ist nicht mehr aus dem Jahreskalender wegzudenken, der Lebenshilfe-Chor tritt zudem auf diversen Stadtfesten auf – nicht zuletzt bei der Cronenberger Werkzeugkiste, deren nächste Auflage am 31. August wieder steigt. Die Lebenshilfe war schließlich im Jahr 1972 der Anlass für das über die Grenzen des Stadtteils hinaus bekannte Benefizfest. Bei 26 Ausgaben wurden bislang über 1,2 Millionen Euro für gemeinnützige und soziale Organisationen und Einrichtungen für Menschen mit Behinderung gesammelt.
Solche Angriffe „richten sich gegen uns alle“
Der Vorstand, die Geschäftsleitung und die gesamte Belegschaft der Lebenshilfe Wuppertal solidarisieren sich aus diesem Grund nach dem menschenverachtenden Steinwurf mit der Lebenshilfe Mönchengladbach, ihren Beschäftigten, den Bewohnern, Klienten und deren Familien. So wurde eine offizielle Solidaritätserklärung zahlreicher Verbände, Organisationen, Vereine, Parteien und der Stadt Mönchengladbach mit unterzeichnet. „Angriffe wie der auf die Lebenshilfe bedrohen nicht nur Menschen mit Behinderung, sondern richten sich gegen uns alle und unsere demokratischen Werte“, heißt es darin. „Der Angriff verdeutlicht, dass es notwendig ist, dass wir zusammenstehen und uns gemeinsam dem erstarkenden Faschismus entgegenstellen.“
Mehr zu der Cronenberger Einrichtung ist via Internet unter www.lebenshilfe-wuppertal.de zu erfahren. Ein WDR-Bericht zu dem Anschlag in Mönchengladbach ist derweil hier abrufbar: www1.wdr.de/nachrichten/rheinland/kundgebung-moenchengladbach-lebenshilfe-100.amp