10.02.2025, 19.31 Uhr   |   Martin Hagemeyer   |   Artikel drucken   |   Instapaper   |   Kommentare

„Talfahrt“: Ein Parforce-Ritt vom Kaufhof bis in Policks Backstube

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Gastierten mit ihrem satirischen Jahresrückblick 2024 drei Abende im jeweils ausverkauften „Forum“ der Firma KNIPEX: die „Talfahrer“ Ulrich Rasch, Jürgen H. Scheugenpflug und Jens Neutag (v.l.). | Foto: Matthias Müller

Dicht und zackig kam das Kabarett-Programm „Talfahrt“ bei seinem Auftakt zu drei ausverkauften Abenden im KNIPEX-„Forum“ schon von Anfang an daher: Keine Viertelstunde war vorbei, da hatten die Kabarettisten Jens Neutag, Jürgen H. Scheugenpflug und Ulrich Rasch die Bundes- und sogar Weltgeschichte 2024 schon abgearbeitet – von Wuppertal von Barmen bis Cronenberg ganz zu schweigen…! Das Schicksal des „Kaufhof“ war dabei ebenso als „Fortsetzungsgeschichte“ angelegt wie der Übertritt von drei der vier Linken-Ratsmitglieder zum „Bündnis Sahra Wagenknecht“: „Bernhard allein im Rat“ zeigte mit Bernhard Sander den dort letzten Vertreter der Linkspartei im Comic-Stil. Ein eher kleineres Ereignis, das sich dann aber gleichfalls quer und komisch durch den Abend ziehen sollte… Beim Schnell-Start überdies dabei: Donald Trump, die ewige Elberfeld-Baustelle als Lego-Haufen und ein neuer Zoo-Affe mit dem Konterfei von CDU-Bürgermeister Rainer Spiecker.

Zur Schule in den Kaufhof – und in der Pause ins Pornokino…

Einleuchtend, dass das Kaufhof-Aus in der Parforce-„Fahrt“ von Januar bis Dezember 2024 eine Art Hauptrolle erhielt. „Wo ist unser Kaufhof hin? Tausendfach unter einem Dach / Wo man stundenlang an der Kasse stand“, war da nur die erste, von Scheugenpflug gesungene Station. Flugs ging danach anscheinend die Fantasie mit den Herren durch, und sie spekulierten zur kurz erwogenen Idee einer Schule im leeren Neumarkt-Gebäude: Da hätten die Schüler ja in ein nahes Pornokino gehen können. Als es später beim Jahres-Durchmarsch um einen Galerie-Vorschlag des Ratsherrn Rolf Köster ging, wollte der laut „Talfahrt“-Bildschirm nur eine eigene Strichzeichnung seiner CDU-Fraktion ausstellen… – Eitelkeiten und Parteienzank beim Thema ließen grüßen.

Rabiater Hip-Hopper und armer „Drecksdinger“-Passant

Stichwort Sexkino: Nicht nur auf die Frage von Jens Neutag, ob man dort schon mal hingehe, war ein Umfrageteilnehmer im Film zu sehen – und zu hören: „Ab und zu mal…“ Das hatte er freilich auf eine völlig andere Frage geantwortet – eines der beliebten Elemente jeder „Talfahrt“-Show: Neben dem „armen“ Passanten gab es noch eine Menge weiterer Einspieler, die an passenden oder unpassenden Stellen immer wieder neu begegneten – amüsant in ihrer Schrägheit und gliedernd als „Running Gag“. Da war der junge Hip-Hopper mit rabiatem „Gesang“ und Schwebebahn im Rücken („diese Stadt f*t alle“, „deine B*tch hat Mundgeruch“); da war ein über irgend etwas wütender Bürger, der im „Talfahrt“-Zusammenschnitt ständig zu allem „Drecksdinger!“ raunzte… Linken-Mann Sander wiederum kam nicht nur zu zweifelhaften Einspieler-Ehren, sondern mutierte auch zum Akteur in einem Bravourstück des Abends: Unfreiwillig wurde er zum „Sparringspartner“ in einem parteiübergreifenden Duo – und zwar mit CDU-Chef Johannes Slawig. Ohne dass die beiden sonst für besondere Nähe bekannt wären – aber: Beide stehen kritisch zur Buga.

Sander & Slawig: Als „Max & Moritz“ auf der Buga-Brücke

Die Linkspartei hatte Slawig noch als Kämmerer in seinem Quertreiben zugestimmt, das dieser 2024 als Parteichef fortführte. Was machte nun das Spaß-Gespann bei Knipex daraus? Sander/Slawig als Max und Moritz – mit OB Schneidewind als Schneider Böck. Man erinnert sich: Jenes grund-ordentliche Opfer der Wilhelm-Busch-Bengel, das im Wasser landet. Bindeglied zur Buga: die (Hänge-) Brücke. Bekanntlich ebenso Aushängeschild wie Zankapfel, wurde sie zu einem Höhepunkt der „Talfahrt 2024“ – wenn man denn übermütigen Klamauk mag. In Reih und Glied wurde da deklamiert: „Ricke racke, voller Tücke / In die Brücke eine Lücke“, eng an Busch, ließ den OB grauslich ins Tiefe fallen. Doch wie einst Böck wurde er natürlich gerettet – und landete nirgendwo anders als in Cronenberg, wo sich Schneidewind kaum friedlicher rächte: „Er erwischt die bösen Buben / in Dirk Policks Bäckerstuben!“ Und nachdem das Duo knackend durch die Mühle gejagt war: „Dort macht Uwe überm Feuer / Kekse für die Weihnachtsfeier.“

„Abgesänge“ auf Abschiede von Jobcenter-Lenz und SPD-Reese

Unverzichtbar wie bei jedem „Talfahrt“-Abend: Neben all den witzigen Worten traf Ulrich Rasch am Klavier die richtigen Töne. Versiert zu begleiten hatte er genug: Über die neuen Dezernentinnen Annette Berg und Katrin Linthorst kam der alte Schlager „Zwei kleine Italiener“ zu neuen Ehren: „Oh Katrin und Annette, habt ihr euch das gut überlegt?“ Und auch „Abgesänge“ galt es so einige musikalisch zu gestalten, und aus dem Mund von Scheugenpflug und Neutag klang das gar nicht immer nett: „Der Lenz, der Lenz, der Lenz ist weg“ hieß es noch halbwegs „neutral“ zum verabschiedeten Chef des Jobcenters. Beim einstigen SPD-Fraktionsvorsitzenden aber sang das Duo frech, von Rasch unterstützt: „Klaus Reese tritt zurück mit Mut / Das tut der ganzen Stadt sehr gut.“

Im Sommer: „Talfahrt-Comeback“ im TiC-Atelier“

Lachen, Kichern und Glucksen im Saal: Das Publikum ging den ganzen Abend lang gut mit, einige neben dem obligatorischen „Bergischen Heimatlied“ zu Beginn auch bei einem vom Trio kurz angestimmten Karnevalslied. Da meinte „Scheuge“ anerkennend: „Die Stimmung hier ist super…!“ Nach drei ausverkauften Shows bei KNIPEX wird es im August zwei Zusatzvorstellungen im TiC-Atelier geben. Hier werden erneut Gags zu erleben sein, die zu erwähnen hier zu wenig Platz ist. Etwa was Mina Knallenfalls neuerdings beim Urologen zu suchen hat, oder warum „der Thermomix aus Wollmäusen ein Fünf-Gänge-Menü macht“. Und zum Großthema „Kaufhof“, das sei noch verraten: „Bei Tedi kann man demnächst den Hauptschulabschluss machen…“