25.07.2013, 17.39 Uhr   |   Meinhard Koke   |   Artikel drucken   |   Instapaper   |   Kommentare

„Pinguinwetter“: Vom TiC auf die Bühnen der Republik

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Ob's nun draußen gewittert oder brütend heiß ist, der Theatersommer im TiC ist schön. Für das "stabile Hoch" sorgt die neue Sommerkomödie "Pinguinwetter" mit seinen hervorragenden Darstellern. Foto: Martin Mazur

Bis zu 35 Grad warm war es zuletzt im CW-Land – ächz! Ganz anders kommt das „Pinguinwetter” im TiC daher: Sommerlich ist es auch, stellenweise sogar heiß, aber vor allem mit frischen Brisen voller Humor und Gefühl. Und zumal das TiC-Theater „Podium” längst über eine Klimaanlage verfügt, ist dieses „Pinguinwetter” auch bestens bei Rekord-Hitze zu genießen. Wobei: Die TiC-Besucher schmolzen dennoch dahin – angesichts einer begeisternden Premiere, welche die Sommerkomödie am vergangenen Freitag, 19. Juli 2013, im TiC hinlegte.

Weil ein Hannoveraner Theater aus Besetzungsgründen zurückgezogen hatte, kam das TiC-Publikum in den Genuss einer waschechten Uraufführung des Bestseller-Romans von Britta Sabbag. Die entsprechende Anspannung löste sich nach dem Schlussvorhang in Wohlgefallen auf – die Inszenierung von Patrick Stanke hatte dem TiC-Publikum mehr als wohl gefallen… Im Mittelpunkt von „Pinguinwetter” steht Charlotte (Sabine Henke). Das Leben der jungen Lektorin scheint „eingestielt”: Die nächste Sprosse auf der Karriereleiter ist greifbar, die toughe Mit-Dreißigerin ist ungebunden – bei Bedarf steht „Immer-mal-wieder”-Lover Marc (Henning Flüsloh) nur zu gerne seinen Mann. Charlotte stören eigentlich nur zwei Dinge: die nervenden SMS der Mutter und das nervtötende Patenkind Finn…

Ein Baby statt arbeitslos – aber von wem?

Eines Tages jedoch gerät Charlottes Leben aus den Fugen: Nix ist mit Beförderung – eben weil sie jung und ungebunden ist, wird Charlotte gefeuert. „Das klingt wie angeschossen”, sinniert sie: „Soll ich jetzt weinen?” Nein, die Arbeitsagentur macht ja sicher schnell die besten Angebote für sie klar, glaubt sie… Oder sie könnte ja nun schwanger werden – die Beraterin auf dem Arbeitsamt („Lektoren-Stellen sind gerade aus!”) rät Charly jedenfalls zu. Aber mit wem? Denn Stand by-Lover Marc eröffnet Charlotte, dass sie sich nicht mehr sehen könnten. „Ziehst du weg?”, fragt Charlotte; „nein, ich heirate”, antwortet Marc. Und zwar Sarah-Nadine, eine blonde Schönheit: „Es ist Liebe!”, glaubt Marc, bietet Charlotte aber noch Abschiedssex hinter dem Sofa an. „Ich habe das Gefühl, man nimmt mir mein ganzes Leben weg”, schwant es Charlotte.

Sie ertränkt ihren Frust in Nutella und Alkohol, denn: „Kein Alkohol ist auch keine Lösung”, muntert Freundin Mona (Teresa Schulz) sie auf. Freundin Trine (Beril Erogullari) versucht „Charly” abzulenken, indem sie ihr einen Zoo-Besuch mit Finn „aufs Auge drückt”, und ausgerechnet die kleine Nervensäge sorgt dafür, dass Charly den sympathisch-schüchternen Eric (Alexander Bangen) kennen lernt: Finn plumpst ins Pinguin-Becken, Eric rettet ihn – super-nett, zumal Eric ebenso alleinerziehend zu sein scheint – es funkt zwischen den beiden. In der Disko laufen sich Charlotte und Eric erneut über den Weg. Doch Charly hat zu viel „intus“ und muss sich übergeben – auf Eric… Peinlich, aber kein Problem – Eric bringt Charly gemeinsam mit Mona nach Hause – supernett!

Gewitter, Sonne, Nebel – „Pinguinwetter“ ist unterhaltsam „wechselhaft“

Charlys Liebesleben scheint sich wieder einzupendeln, doch dann steht Marc auf der Matte: Es sind Wolken am “Sarah-Nadine-Himmel” aufgezogen und Charly wird schwach – „Willkommen zurück!”-Sex hinter dem Sofa. Ausgerechnet da steht Eric vor der Tür – Eklat: Erik „feuert“ Charlotte… Zu allen Turbulenzen simst auch noch die Mutter: Sie sitzt in Grönland wegen illegaler Robbenjagd im Gefängnis – „Hol’ uns hier raus!” Wie es weiter geht, sei nicht verraten, nur: Britta Sabbags „Pinguinwetter” und die Bühnenfassung von Sabine Misiorny und Tom Müller halten noch so manchen „Wetter-Wechsel” bereit – Langeweile kommt da nie auf!

Ihren Teil tragen Regisseur Patrick Stanke und seine Darsteller dazu bei, dass „Pinguinwetter” von Cronenberg aus die Bühnen der Republik erobern könnte. Ob Teresa Schulz und Beril Erogullari, die in jeweils drei Rollen schlüpfen, ob Liebhaber Marc oder Verehrer Eric und natürlich vor allem Hauptdarstellerin Sabine Henke – das „Pinguinwetter”-Quintett des TiC lieferte unisono ein beeindruckendes Spiel ab. Jede Rolle ist glaubwürdig angelegt, jeder TiC-Darsteller füllt sie mit Bravour aus. Sabine Henke verkörpert authentisch die selbstbewusste Charlotte, die plötzlich „nackt” da steht: ohne Job, ohne Mann, ohne Geld – und das mit Mitte „30“. Eine Klasse-Idee, wie zwischendurch mit Hilfe von Lichtwechseln immer wieder „die Klappe” fällt und Charly auf die Kündigungsszene im Büro zurückblickt, über ein Horrorerlebnis mit Finn sinniert oder das „Pinguinwetter” in der Kindheit; beeindruckend, mit welcher Präsenz Sabine Henke diese Szenenwechsel stemmt. Szenenapplaus und „Juhu”-Rufe gab’s nach Henkes „Brand-Monolog” am Check in-Schalter – zurecht!

Tolle Darsteller, „Weltklasse“-Bühnenbild, schöne Musik

Kompliment auch an Henning Flüsloh: Er punktet nicht nur in knackigen Shorts und als Macho, sondern auch als „Sarah-Nadine-Gebeutelter”. Beril Erogullari gibt zur Freude des Publikums die leicht-dümmliche Finn-Mutti Trine, die aus einem Perversen einen Performer macht oder auch Charly “in flamingo” erwischt. Aber auch die kalte Arbeitsamt-Beraterin gelingt Beril Erogullari und die gefühlvolle Airline-Mitarbeiterin schafft sie sowieso! Gleiches gilt für Teresa Schulz, die als kesse Freundin Mona ebenso überzeugt wie als Kassiererin und als „Blondchen” Sarah-Nadine. Gratulation auch an Alexander Bangen: Der Schwiegermutter-Liebling Eric ist einfach nur nett, auch etwas unbeholfen, verkommt aber nie zum Tollpatsch!

Damit aber nicht genug: Das Bühnenbild von Thomas Pfau schafft auf der kleinen TiC-Bühne spielend diverse Ortswechsel. Highlights sind die „Entführungen” nach Ikea und auf die Tanzfläche mit Disko-Kugel an der „Laufstange” – „Weltklasse!”, hieß es da aus dem Publikum. i-Tüpfelchen von „Pinguinwetter” ist die Musik-Auswahl von Patrick Stanke – mit der Sabbag-Komödie dürfte auch das Lied “Pinguine” von “Schwarz un Schmitz” zum Hit werden! Egal, ob’s weiter heiß bleibt oder nicht, das „Pinguinwetter“ im TiC bleibt stabil sommerlich-angenehm, Karten für die unterhaltsame Komödie gibt’s unter Telefon 0202-47 22 11 oder online unter www.tic-theater.de