06.03.2014, 17.04 Uhr | Meinhard Koke | Artikel drucken | Instapaper | Kommentare
Darauf einlassen! „Oskar und die Dame in Rosa“ ergreifen im TiC
Anerkennung ans TiC: Mit dem Stück „Oskar und die Dame in Rosa” von Éric-Emmanuel Schmitt wagen sich die Cronenberger Theatermacher gleich zu Beginn des Premierenreigens 2014 an einen ganz schweren Stoff: Leid und Tod eines Kindes. Beate Rüter inszeniert, Petra Koßmann spielt in einer Doppelrolle ebenso den unheilbar erkrankten Oskar wie die Dame in Rosa, eine ehrenamtliche Krankenhaus-Helferin.
Große Anerkennung auch für Regisseurin und Hauptdarstellerin: Ergreifend setzen Beate Rüter und Petra Koßmann die Erzählung um die letzten Lebenstage eines Kindes um. Es dauerte entsprechend eine (angemessene) Zeit, bis sich das Premierenpublikum am vergangenen Samstag, 1. März 2014, nach dem Schluss gefasst hatte. Dann aber würdigte es die eindrucksvollen Leistungen von Petra Koßmann und Beate Rüter ebenso angemessen: Jubel wäre verdient gewesen, aber fehl am Platze, mit kräftigem, lang anhaltendem Applaus wurde die Inszenierung gefeiert.
Der zehnjährige Oskar leidet an Leukämie. Er hat Chemotherapie und Knochenmarktransplantation hinter sich – weil er dabei seine Haare verloren hat, wird er im Krankenhaus „Eierkopf“ genannt. Oskar ist bedrückt; weniger allerdings wegen seines Zustandes, vielmehr ist es sein Umfeld, das ihn traurig macht: Er hält sich für einen schlechten Kranken, seine Chemo habe enttäuscht – „die Ärzte mögen mich nicht mehr“, glaubt Oskar: „Selbst wenn ich lache, sind die anderen traurig.“ Eines Tages belauscht Oskar ein Gespräch seiner Eltern mit dem Arzt und erfährt: Er wird sterben. Die Eltern – am Boden zerstört – fahren nach Hause, ohne Oskar besucht zu haben – das schaffen sie nicht. Für Oskar sind sie „Feiglinge“: „Schiss hatten die!“
Jeder der letzten Tage wie zehn Jahre: „Heute wurde ich geboren.“
Keinen „Schiss“ hat die „Dame in Rosa“: Die ehrenamtliche Patienten-Begleiterin kümmert sich um Oskar und ermuntert ihn, jeden Tag einen Brief zu schreiben – an den „lieben Gott“. „Warum?“, fragt Oskar da. „Du würderst dich nicht so einsam fühlen“, anwortet Rosa, wie Oskar sie nennt. Oskar schreibt: „Lieber Gott, werde ich wieder gesund? – Du kannst ankreuzen: Ja oder Nein.” Oskar will, dass Rosa ihn jeden Tag besucht, doch das lässt die Krankenhaus-Routine nicht zu. Oskar lässt aber nicht locker: “Wenn nicht, darf mich Gott auch nicht besuchen!” Oskar setzt sich durch: Die nächsten zwölf Tage dürfe sie jeden Tag kommen, eröffnet Rosa dem Jungen – “so schlecht steht es um mich?!”, ahnt der Zehnjährige. Rosa ermuntert Oskar, jeden Tag als zehn Jahre zu sehen – er dürfe sich auch in jedem Brief etwas wünschen. Oskar lässt sich darauf ein: „Lieber Gott, heute Morgen wurde ich geboren”, schreibt er.
Éric-Emmanuel Schmitts Erzählung ist ein wichtiges Stück – anhand eines denkbar furchtbaren Schicksals macht der belgische Autor Mut: Mut, sich diesem Schicksal nicht zu ergeben, nicht davor wegzurennen, zu leben! “Oskar und die Dame in Rosa” ist ein eindrucksvolles Plädoyer an Angehörige, an Freunde, an jeden, das Thema “Sterben” anzunehmen, den Sterbenden an die Hand zu nehmen und zu begleiten. Bei der Vermittlung dieser Botschaft belässt Autor Schmitt seine Zuschauer nicht in (Mit-)Leid, in “Oskar und die Dame in Rosa” darf auch gelacht werden, denn: Der Zehnjährige lebt in seinen 120 “Oskar-Jahren” richtig auf. Er liebt und leidet, er streitet sich, er zweifelt, er reißt aus dem Hospital aus, er verbringt heimlich eine Nacht bei seiner Geliebten, verlobt sich und… „Lieber Gott, jetzt bin ich ‘30’ und verheiratet.” Oskar vertraut – Rosa und Gott, und er wird belohnt: “Lieber Gott, das war ein ziemlich wunderbarer Tag”, schreibt Oskar irgendwann: “Heute habe ich keinen Wunsch, du kannst dich mal ausruhen“…
Mutig, großartig und „ein kleines Wunder“: Oskar & Rosa im TiC
Ausruhen kann sich Petra Koßmann indes nicht: Ohne Pause stemmt sie die Doppelrolle als Oskar und Rosa – beeindruckend ist vor allem das “Wie” dieser Ausdauerleistung: In einem spartanischen Bühnenbild aus “lebensgroßen” Bauklötzen “switcht” Petra Koßmann sanft und mit wohl dosierter Körpersprache und Mimik hin und her. So gehen Oskars Tage dahin, bis sein kurzes, aber “reiches” Leben ein Ende hat. Am Schluss entsteht aus den Riesenklötzen ein Bett, das sorgsam mit einer Folie abgedeckt wird – für einen neuen Patienten. “Ich werde eine Dame in Rosa bleiben”, sagt Petra Koßmann davor: “Aber Rosa war ich nur für Oskar.”
Dank an das TiC, dass es den Mut hat, Éric-Emmanuel Schmitts Stück in den Spielplan aufzunehmen; Gratulation an Beate Rüter und Petra Koßmann für die großartige Umsetzung. “Oskar und die Dame in Rosa” bietet keinen “schönen” TiC-Abend im üblichen Sinne, aber einen wichtigen Theater-Abend – vielleicht gerade auch mit Blick darauf, dass zum Ende des Jahres im Burgholz das Bergische Kinderhospiz eröffnet! Das TiC, Beate Rüter und Petra Koßmann haben viele Zuschauer verdient, die sich auf das Stück einlassen, welches der “Stern” zutreffend als “kleines Wunder” bezeichnete.
Karten für “Oskar und die Dame in Rosa” gibt’s unter Telefon 0202-47 22 11 oder online unter tic-theater.de.