02.09.2014, 19.10 Uhr | Meinhard Koke | Artikel drucken | Instapaper | Kommentare
Marianne und Gottfried Kurtz: Seit 65 Jahren ein Ehepaar
„Wir genießen jeden Tag – morgen kann ja schon alles vorbei sein“, sagen Marianne und Gottfried Kurtz. Das ist sicherlich die richtige Einstellung: Zwar hatten sie es nicht immer leicht, zwar erlebten sie Krieg, Zusammenbruch, Vertreibung und Not, dennoch wurden sie vom Leben ziemlich verwöhnt: Mit 87 beziehungsweise 88 Jahren leben sie noch immer in ihrer Wohnung im Schatten der geliebten Reformierten Kirche am Hans-Otto-Bilstein-Platz; sie sind noch immer ziemlich beweglich und nehmen an vielen Festen in der Region teil und vor allem: Marianne und Gottfried Kurtz haben sich seit 65 Jahren – am morgigen Mittwoch, 3. September 2014, begehen die Cronenberger ihre Eiserne Hochzeit.
Nach der Gefangenschaft trieb es den gebürtigen Ostpreußen Gottfried Kurtz 1946 nach Cronenberg – der Bruder lebte bereits „em Dorpe“. Hatte er in der Heimat auf dem Fernmeldeamt gearbeitet, so fasste Gottfried Kurtz in Cronenberg in einem ganz anderen Beruf Fuß: 36 Jahre war er als Schleifer bei der Firma Belzer am Cronenfeld tätig. Im Sommer 1946 war es, als Gottfried Kurtz in der damaligen Gaststätte Ernst an der Ecke Hauptstraße/Oberkamper Straße seine Marianne kennen lernte – beim Tanztee war es, „es gab ja sonst nichts“, blicken die beiden zurück.
Aber die wöchentlichen Tanzvergnügen reichten: Es funkte wohl direkt, sie war ja auch eine Nette und er rank und schlank – eifersüchtig wachte Gottfried Kurtz darüber, wenn jemand anders sie aufforderte, schmunzelt Marianne Kurtz. Weihnachten 1948 feierte man Verlobung, ein dreiviertel Jahr später schritt das Paar zum Traualtar: Nach dem Ja-Wort im Behelfs-Standesamt neben der katholischen Kirche wurde in der Reformierten Kirche geheiratet – weil die beschädigte Emmauskirche noch nicht wieder nutzbar war.
Brautkleid aus Fallschirmseide, Bräutigam-Hemd aus Leinenbetttuch
Die Hochzeit fiel bescheiden aus: Ihr weißes Brautkleid war aus Fallschirmseide („Die lag ja überall rum“), sein weißes Hemd aus einem Leinenbetttuch genäht, auf den Festtisch der Familienfeier kam, was der Garten der Eltern her gab: Kaninchenbraten, Gemüse, Stachelbeerwein und Aufgesetzter. „Es war trotzdem schön“, blicken Marianne und Gottfried Kurtz zurück, zumal die Kapelle aus der Gaststätte Ernst auf einer Lkw-Ladefläche vorbeischaute und zum Tanz aufspielte.
Die ersten drei Jahre lebte das junge Ehepaar zunächst in einem Zimmer bei den Eltern von Marianne Kurtz in der „Hütte“. Erst ein Jahr nachdem 1951 der einzige Sohn zur Welt gekommen war, konnte die Familie dann die erste eigene Wohnung im selben Wohnhaus beziehen. Zehn Jahre später nahmen die Kurtz’ den Sohn eines marokkanischen Freundes als Pflegesohn auf – seine beiden Kinder betrachten Marianne und Gottfried Kurtz ebenso als Enkelkinder wie die beiden Kinder ihres Sohnes.
„Wir sind mit dem Leben zufrieden“
In ihrer 65-jährigen Ehe habe es nicht nur Sonne gegeben, es seien auch einmal die Fetzen geflogen und Marianne Kurtz musste ihren Gottfried „zurechtschubsen“, aber „es ist immer gut gegangen“, sagt Gottfried Kurtz: „Man muss auch mal Kompromisse schließen“, fügt seine Frau hinzu, die zunächst die Kantine der damaligen Firma Bauer leitete und später im Cronenberger Kaisers-Markt tätig war. „Wir sind mit dem Leben zufrieden“, erklärt das eiserne Ehepaar: „Sonst wären wir ja auch nicht so alt geworden.“ Zumal aus dem Wohnzimmer-Fenster der Blick auf den Zwiebelturm der Reformierten Kirche fällt: „Wenn ich die Kirche nicht sehe, werde ich krank“, sagt Marianne Kurtz.
Sein großes Ehe-Jubiläum feiert das Paar schräg gegenüber: Im Café vom Cleff bildete Marianne Kurtz mit der früheren legendären Inhaberin Ingrid Beckert 20 Jahre lang aus Freundschaft ein Tandem. Zuvor ging’s am Samstag zum Altenheim – um beim Sommerfest mitzufeiern, selbstverständlich. „Wir lassen alles auf uns zukommen“, betont Gottfried Kurtz, um seine Devise zu verkünden: „Ich werde 100 Jahre alt, das könnt ihr mir glauben.“ Ehefrau Marianne schaut dazu zwar etwas skeptisch, aber vielleicht hat sie vor 65 Jahren auch nicht daran geglaubt, dass sie und ihr Mann irgendwann Eiserne Hochzeit feiern würden…