30.01.2015, 19.46 Uhr | Meinhard Koke | Artikel drucken | Instapaper | Kommentare
„Talfahrt“: Satirischer Jahresrückblick bescherte Höhenflüge
Gottlieb Wendehals’ Polonäse von Blankenese ging bis hinter Wuppertal und der Papst eröffnete laut Loriot eine Herren-Boutique im Tal – in der bundesweiten Wahrnehmung hat’s die Stadt nicht leicht. Die Wuppertal-Schlagzeilen 2014 reihten sich da nahtlos ein: Zweimal war von der bergischen Metropole deutschlandweit die Rede – als die Sharia-Polizei hier auf Streife ging und als das Döppersberg-Projekt im Schwarzbuch des Steuerzahler-Bundes landete.
Wuppertaler werden da anderswo fast mitleidig beäugt – wie kann man in diesem trostlosen Tal der Wupper überhaupt leben? Die Antwort: Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert. Ganz ungeniert traten Jürgen H. Scheugenpflug, Jens Neutag und Ulrich Rasch im Januar 2015 jedenfalls zweimal zur „Talfahrt“ an: Bei ihren beiden Auftritten im Forum der Firma Knipex sorgten die drei Kabarettisten mit ihrem satirischen Jahresrückblick 2014 für unterhaltsame Höhenflüge. Zwei Stunden lang wurde geschmunzelt und gelacht – „dat is auch Wuppertal!“
„Schuld war nur der Kamioka…“: „Kommse nach Wuppertal, stehse im Stau…“
Auch wenn ihnen mit Barmen-Managerin Anna Wittmer, „seiner Heiterkeit“ Bernhard Simon, dem Ex-Chef der CDU-Fraktion, und Ex-Wuppertal-Marketing-Chef Matthias Haschke drei „Reizfiguren“ der letzten Jahre abhanden gekommen waren, tat das der „Talfahrt 2014“ keinen Abbruch – die Stadt bot auch so mehr als genug Stoff für „Scheuge“, Neutag und Rasch. Schließlich gibt’s ja noch den WSV – eine Steilvorlage, dass Ex-Präsident Runge seine Möbel aus der WSV-Geschäftsstelle holen ließ…
Und schließlich haben ja die Baustellen Hochkonjunktur: Ob B7, L419, A46 oder Kiesbergtunnel – „kommse mal nach Wuppertal, stehse im Stau“. Dazu wenig Kinder und viele Rentner – „siehste, dat ist Wuppertal!“ Nicht zu vergessen die „Operette“ um Toshiyuki Kamioka: Dessen Wuppertal-Abgang aus Japan-Heimweh verarbeitete das Kabarett-Trio in einem ihrer musikalischen Intermezzi: den Bossanova „Schuld war nur der Kamioka…“
Selbstverständlich konnten die Wuppertal-Spötter auch diesmal wieder bei einem Thema aus dem vollen Schöpfen: dem Döppersberg-Umbau. Kostprobe war eine Frage des Wuppertal-Einbürgerungstests: „Wenn ein Bauvorhaben erst 105 Millionen Euro kostet, drei Monate nach Baubeginn dann 140 Millionen, was kostet es dann 22 Jahre später?“
Impf-Pflicht für meditierende Frauen im Burgholz
Auch Persönliches bot die Talfahrt: Dass sich Jens Neutag durch seinen Umzug von Remscheid nach Cronenberg in die sommerlichen Schlangen vor dem Einwohnermeldeamt einreihen musste, nahmen die Kabarettisten natürlich auch genüsslich auf. Übel schien Neutag seiner neuen Heimat das Warte-Chaos nicht genommen zu haben: Das Bowling-Freispiel aus der Gutscheinmappe, die er als Neu-Wuppertaler erhielt, verschenkte er großzügig ins Publikum. Allerdings mit der Anmerkung, dass sich beim Auftritt in Barmen dafür niemand gemeldet habe – „denen war das zu peinlich“, ließ Neutag seine Cronenberger Mitbürger wissen.
Das auch diesmal quartalsweise aufgearbeitete Wuppertal-Jahr ließen Scheuge und Neutag anhand von Schlagzeilen Revue passieren. Auch wenn das Kabarett-Trio dabei zunächst befand, dass in Cronenberg nichts los gewesen sei, hatte die Talfahrt doch auch Dörper Anklänge: Dass die Teilnehmerin eines Meditationskurses im Burgholz von einem Frettchen gebissen wurde, das von Zecken befallen war, mündete in die Talfahrt-Forderung nach einer Impfpflicht für meditierende Frauen im Burgholz.
Talfahrt-Hymne 2014: „Ein Hoch auf uns… – Wuppertaler!“
Und natürlich lästerten „Scheuge“ und Neutag auch über die bevorstehende OB-Wahl im September: Auf OB Jung wurde ein „Kellen-Lied“ gesungen, die SPD musste sich gefallen lassen, dass Andreas Mucke als „Schrottimmobilien-Verwalter“ zum passenden SPD-Herausforderer erklärt worden sei. Weitere Höhepunkte bescherte Jens Neutag mit der Merkel-Raute sowie als chronisch raucherhüstelnder SPD-Veteran aus dem Ruhrpott und nicht zuletzt als Teufel in der „Hölle Oberbarmen“.
Und natürlich fehlte auch nicht die Hymne 2014 – „Ein Hoch auf uns“ war natürlich auf uns leidensfähige Wuppertaler gemünzt. Und zu guter Letzt wartete die Talfahrt 2014 sogar mit einem Potpourri von Udo-Jürgens-Hits auf, natürlich ebenso kabarettistisch bearbeitet… Fazit der Talfahrt 2014 auf dem (Cronen-)Berg: Im vermeintlichen Tal der Tränen geht’s weiter lustig zu – die Zuhörer im Knipex-Forum lachten jedenfalls Tränen. Ohne Zugabe kamen „Scheuge“, Neutag und Rasch da nicht von der Bühne…
Fotos: Hans-Walter Grese/Meinhard Koke