27.06.2016, 19.41 Uhr   |   Meinhard Koke   |   Artikel drucken   |   Instapaper   |   Kommentare

Bürgerbüros zu: Die Stadt zieht beim Meldeamt die Reißleine

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Alle Jahre wieder: Endlos-Schlangen Wartender vor dem Einwohnermeldeamt machen deutlich, dass die Stadt die Probleme nicht in den Griff bekommt. -Archiv-Foto: Marc Schulz

Wir berichteten darüber: Alle Bürgerbüros und das Einwohnermeldeamt (EMA) blieben am 14. Juni 2016 geschlossen, um aufgestaute Anträge und Anfragen im EMA abarbeiten zu können. Im Anschluss frohlockte die Stadt in einer Mitteilung: Die Mitarbeiter im Meldeamt hätten den Tag „sehr erfolgreich nutzen können“, ein Rückstau von gut zwei Monaten sei abgearbeitet worden.

Linke-Fraktionsvorsitzende Böth gab sich zuvor bereits skeptischer: „Wer‘s glaubt, wird selig“, unkte Böth. Sie lag nicht so ganz falsch: Während die Stadt auf CW-Nachfrage zuvor beschwichtigte, es ginge bei der Total-Schließung des zur „Resterampe“ zusammengekürzten Bürgerbüros ja nur um einen „läppischen“ Tag, so folgte noch in derselben Woche eine Bankrotterklärung – im Rathaus Barmen wurde die Notbremse gezogen. Angesichts stundenlanger Warteschlangen gestand Oberbürgermeister Andreas Mucke ein, dass die Situation am Steinweg „wieder über dem Limit“ sei.

OB Mucke: „Ich kann den Unmut der Bürger verstehen“

„Jedes erträgliche Maß ist überschritten“, erklärte Mucke nach einem „Spontan-Besuch“ am Steinweg: „Ich kann den Unmut der Bürger verstehen.“ Auf der einen Seite war Mucke am Steinweg auf „frustrierte und verärgerte Bürger“ getroffen, auf der anderen Seite aber seien auch die EMA-Mitarbeiter jenseits ihrer Belastungsgrenzen – Muckes Fazit: „Der Andrang ist so nicht mehr zu bewältigen.“ Mit dem zuständigen Dezernenten Paschalis und Ressortleiter Siegfried erstellte Mucke ein Paket von Sofortmaßnahmen.

„Letztes Aufgebot“: Stadt mobilisiert Studenten und Rentner

Erstens: Das Amt am Steinweg wird bis September an zwei Samstagen im Monat geöffnet sein. Zweitens: Bis Ferienbeginn bleiben alle Bürgerbüros, also auch die Stelle am Rathausplatz, geschlossen. Die Mitarbeiter werden am Steinweg eingesetzt – der erfolgreiche 14. Juni lässt grüßen… Man müsse die Kräfte jetzt dort konzentrieren, wo sie gebraucht werden, begründet OB Mucke den drastischen Schritt. Um das Einwohnermeldeamt in die Spur zu bringen, setzt OB Mucke zugleich auf „ein letztes Aufgebot“.

Ob Mitarbeiter aus anderen Ämtern, freiwillige Ex-Auszubildende, Rentner und Pensionäre oder auch Studenten und Mitarbeiter aus dem OB-Büro – Andreas Mucke kann sich (fast) jede Hilfe im Meldeamt vorstellen. Zudem soll ein Ordnungsdienst eingesetzt werden – da die Atmosphäre „schon teilweise sehr aggressiv unseren Leuten gegenüber“ sei. Und Mucke selbst will sogar im EMA hospitieren, um sich ein besseres Bild machen zu können: „Wir wollen jetzt jede Option prüfen, die die Lage verbessern kann.“ Mittelfristig kündigt Mucke ein Konzept an, „das uns künftig in die Lage versetzt, auch solche extremen Stoßzeiten besser zu bewältigen.“

Grünen-Ratsherr Marc Schulz: „Das ist Symbolpolitik…“

„Die Rückkehr von pensionierten Beamten, die Rekrutierung von Studierenden, eine Hospitation des Oberbürgermeisters oder die Entsendung von Mitarbeitern des OB-Büros, das alles ist gutgemeinte Symbolpolitik“, kritisiert Marc Schulz von den Grünen: An der eigentlichen Ursache ändere sich dadurch nichts. Seit der Bürgerbüro-Einschränkung im Jahre 2011 bekomme die Verwaltung die Situation nicht in den Griff, konstatiert Grünen-Ratsherr Schulz: „Wartezeiten von mehreren Stunden sind spätetens vor den Sommerferien zur Normalität geworden.“

Zugleich glaubt Marc Schulz, dass die kalkulierten Einsparungen von 300.000 Euro pro Jahr angesichts des zusätzlichen Personals und der millionenteuren Sanierungspläne kaum erreichbar seien – Schulz‘ deutliches Fazit daher: „Die vollständige Wiedereröffnung der Bürgerbüros wäre nicht nur der bürgerfreundlichere, sondern auch der kostengünstigere Weg. Alles andere ist Verschwendung öffentlicher Gelder.“

Ursula Abé: „Alle Bezirksbürgermeister sind ähnlich unzufrieden…“

Hoch her ging es auch in der Juni-Sitzung der Bezirksvertretung Cronenberg: Ressortleiter Jochen Siegfried musste harsche Kritik schlucken, obwohl das Stadtteilparlament da noch garnichts von der Komplettschließung wusste. Einmütig lautete in der BV die Meinung: Passangelegenheiten müssen wieder zurück in die Bürgerbüros. Erst wenige Minuten bevor die Stadt mit der dreiwöchigen Bürgerbüro-Schließung an die Öffentlichkeit ging, sei sie dazu informiert worden, berichtet Bezirksbürgermeisterin Ursula Abé gegenüber der CW.

Ja, sagt Abé weiter, das sei für sie eine Überraschung gewesen. Aus Cronenberger Sicht sei die Maßnahme sehr unglücklich, ob ein Einspareffekt realisierbar ist, sei die Frage – Abé: „Alle Bezirksbürgermeister sind ähnlich unzufrieden mit der Situation.“ Man sei in Gesprächen, um eine bessere Lösung zu finden. Wie die aussehen könnte, zeigt ein Blick fünf Jahre zurück: Wer 2011 in Cronenberg einen Pass benötigte, der ging einfach  zum Rathausplatz ins Bürgerbüro.

Mit den Bürgerbüros war die Welt noch in Ordnung

Die städtische Stelle war damals noch täglich geöffnet – keine Warteschlangen, kein wochenlanges Warten auf einen Online-Termin, kurzum: Die Welt war damals in Ordnung. Zur Haushaltskonsolidierung beschloss die Große Kooperation aus CDU und SPD dann die Einrichtung eines zentralen Einwohnermeldeamtes (EMA) und die Kürzung der Bürgerbüros auf zwei halbe Öffnungstage pro Woche – besagte 300.000 Euro an Einsparung sollte das fürs Stadtsäckel bringen.

Fünf Jahre später steht die „GroKo“ vor einem Scherbenhaufen: Endlos-Schlangen vor dem EMA am Steinweg, Frust bei den Bürgern, überlastete Mitarbeiter, ein Stau unerledigter Anfragen und Anträge, nicht zuletzt 5-Millionen-Pläne für einen EMA-Umzug in adäquatere Räumlichkeiten – was mag da vom Einsparziel übrig bleiben.…