26.07.2017, 19.37 Uhr | Meinhard Koke | Artikel drucken | Instapaper | Kommentare
Firas Alshater: „Süd-Bibi“ gewann Lesung mit „YouTube“-Star
Er ist erst 26 Jahre alt, aber er hat (leider) schon mehr erleben (und erleiden) müssen, als mancher Senior: Firas Alshater. Der in der Hauptstadt Damaskus geborene Syrer studierte dort Schauspiel, als der Bürgerkrieg sein Leben durcheinanderwirbelte.
Alshater gehörte 2011 zu den Mitorganisatoren der ersten Demonstrationen für ein freies Syrien. Er dokumentierte die Geschehnisse in Filmen, half Journalisten bei der Berichterstattung, das Assad-Regime warf ihn schließlich neun Monate ins Gefängnis und folterte ihn. Nachdem er Ende 2012 Damaskus verlassen musste, geriet er im Norden Syriens ins Visier von Islamisten: Weil er auch dort Verbrechen in Videos anprangerte, wurde Firas Alshater erneut eingekerkert.
Um den Film „Syria Inside“ eines Freundes, der in Aleppo ums Leben gekommen war, zusammen mit dem deutschen Filmproduzenten Jan Heilig fertigzustellen, erhielt Alshater ein Visum und kam 2013 nach Berlin. Übers Netz avancierte der Journalist und Filmemacher zum Star: International bekannt machte Alshater seine Video-Performance auf dem Berliner Alexanderplatz: Mitten in der brodelnden Flüchtlingsdebatte stellte er sich im Februar 2016 mit verbundenen Augen und ausgestreckten Armen auf den Platz, daneben ein kleines Transparent mit der Aufschrift: „Ich bin syrischer Flüchtling. Ich vertraue dir. Vertraust du mir? Dann umarme mich!“
Während es auf dem Alexanderplatz etwas brauchte, bis Alshater schließlich doch von einer Welle von Umarmungen erfasst wurde, ging das Internet-Video unter dem Titel „Wer sind diese Deutschen?“ ab wie eine Rakete: Von über 2,5 Millionen Menschen wurde es angeklickt, die Alshater-Reihe „ZUKAR-Stückchen“ auf dem YouTube-Kanal „ZUKAR“ hat seitdem eine feste Fan-Gemeinde. Alshater, der von der Zeitschrift „Time“ zu einem von zehn „Next Generation Leaders“ gewählt wurde, gilt aber nicht nur als „Deutschlands erster Flüchtlings-YouTuber“. Mit seinem Buch unter dem Titel „Ich komm auf Deutschland zu“ ist er wohl auch der erste Geflüchtete, der hierzulande ein Buch herausgebracht hat.
Mehr zum Buch und seinem Autor konnten Schüler des Carl-Fuhlrott-Gymnasiums (CFG) hautnah erfahren: Firas Alshater kam für eine Lesung ins Schulzentrum Süd. Möglich machte das ein Wettbewerb der NRW-Landeszentrale für politischen Bildung und des Verbandes der NRW-Bibliotheken: Heike Kahlhofer-Gerbes, die Leiterin der Schulbibliothek im Schulzentrum, nahm teil – und gewann für die „Bibi“ im „Süd“ eine von insgesamt vier Alshater-Lesungen. Bis der YouTube-Star, Autor und Comedian im Veranstaltungsraum loslegen konnte, mussten die Schüler, die sich zuvor mit ihm im Unterricht beschäftigt hatten, ein paar Stunden warten.
„Nicht, dass ihr denkt, wir hätten verpennt“, erklärte Katharina Ellgard von der Landeszentrale die Verspätung: Erst war vielmehr der Flug gestrichen worden, dann sei Alshaters Aufenthaltsgenehmigung ausgiebig unter die Lupe genommen worden – vielleicht ein Beispiel für das „typisch Deutsche“, das Firas Alshater zu gerne aufs Korn nimmt. Für ein neues „ZUKAR-Stückchen“ war so womöglich gesorgt…