20.11.2017, 20.04 Uhr   |   Meinhard Koke   |   Artikel drucken   |   Instapaper   |   Kommentare

„Sicher wie das Amen in der Kirche“: „Seilbahn kommt nicht!“

Artikelfoto

Mit vollem „Festsaal“ im Rücken: der Vorstand des Vereins „Seilbahnfreies Wuppertal“ mit Gast Michael-Georg von Wenczowsky (4.v.r.). -Foto: Meinhard Koke

„Ach, wenn es die Seilbahn sogar bis Cronenberg nur schon gäbe…“, dachte sich vielleicht mancher Autofahrer am Dienstagabend, 14. November 2017 – dann hätte man den Baustellen-Stau am Hahnerberg überschweben können. Weil es die Seilbahn aber nicht gibt und – so erklärte Antonino Zeidler – einige Interessierte im Stau standen, begann der Infoabend des Vereins „Seilbahnfreies Wuppertal“ eine Viertelstunde später. Die Seilbahn-Kritiker – nicht Gegner, wie Ralf Geisendörfer betonte („Wir stänkern nicht, sondern kritisieren fachlich fundiert“) – konnten zufrieden sein: Der „Cronenberger Festsaal“ zeigte sich fast voll – die Seilbahn bewegt!

Wie die Kritiker dazu stehen, war klar, wurde dennoch anhand zweier Aufsteller unterstrichen: „Urban leben, nachhaltig denken – unten bleiben!“ stand da plakativ-provokativ zu lesen. Zunächst hatte Michael-Georg von Wenczowsky (CDU) als Gastredner das Wort: Der Dörper Vize-Bürgermeister unterstrich, dass Cronenberg am stärksten von einer Seilbahn betroffen wäre: Dass ÖPNV-Nutzer zum Umstieg auf Küllenhahn gezwungen wären, bezeichnete er als unzumutbar für Ältere, aber auch für die Mitarbeiter Dörper Firmen auf dem Weg zur Arbeit: „ÖPNV sieht anders aus“, so von Wen-czowsky – Applaus im Festsaal. Auch die Kosten nahm der CDU-Politiker aufs Korn: Auch wenn die Seilbahn bei 90 Milllionen „eingedampft“ sei – „Wuppertal nagt am Hungertuch, ein inhabergeführtes Unternehmen würde das nie anfassen“ – wieder Applaus.

„Keine Fördergelder für sinnloses Seilbahn-Projekt“

Im Anschluss „sezierten“ Vorstandsmitglieder der Seilbahn-Kritiker feinsäuberlich das Zahlenwerk der Stadtwerke zur Seilbahn: Fahrzeit-Verkürzungen für Cronenberger oder Einsparungen von Fahr-Kilometern gebe es nicht; die Seilbahn-Betriebskosten seien ebenso viel zu niedrig angesetzt wie die Ausfallzeiten für Revisionsarbeiten oder bei Gewitter. Die Nutzer-Zahlen dagegen seien geschönt: Die allermeisten Schüler des Schulzentrums kämen von der Südhöhe, zudem sei die Seilbahn nur für die Studenten am Grifflenberg interessant, wenn überhaupt.

Abgesehen davon, so erläuterte Vereins-Vize Prof. Dr. Marc Gennat weiter: Es gebe es gar keine Notwendigkeit für eine Seilbahn, allerhöchstens zu kurzen Morgen-Zeiten im Winter-Semester seien wenige Uni-Busse überfüllt: „Es gibt keine katastrophale Situation nach Cronenberg und zur Uni“, stellte Gennat fest. Somit gebe es auch keine Grundlage für die Förderung der Seilbahn als Nahverkehrsmittel. Denn: Fördermittel flössen nur, wenn ein Projekt Sinn mache – die Seilbahn aber mache keinen Sinn. Daher: „Ich bin fest davon überzeugt, dass die Seilbahn nicht kommt – das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.“

Ralf Geisendörfer und Kai Koslowski bestritten einen weiteren Vortrag des Abends, wobei Geisendörfer den launig-humorigen Part übernahm. Genüsslich warf man eine Zeitungsnotiz an die Leinwand, in dem sich Baudezernent Frank Meyer gegen einen Mehrfamilien-Bau am Deckershäuschen aussprach, da durch das Projekt die Privatsphäre der Nachbarn gestört werde. Und wie sei das mit der Seilbahn? „Herr Meyer, Herr Meyer“, schüttelte Ralf Geisendörfer mit dem Kopf: „Sowas nennt man Doppelmoral.“

Prominente Seilbahn-Befürworter „am Pranger“

Die bisherige Entwicklung der Seilbahn-Idee ließen Geisendörfer/Koslowski anhand von Zeitungsberichten und „Lieblingsbildern aus dem Geisendörfer-Album“ Revue passieren. Besonders ins Visier nahmen sie dabei prominente Seilbahn-Befürworter: IHK-Chef Meyer, Uni-Rektor Koch oder auch Stadtwerke-Chef Feicht hätten sich Treffen mit den Seilbahn-Gegnern bislang entzogen. Zudem warfen Geisendörfer/Koslowski die Namen der 34 Ratsmitglieder auf die Leinwand, welche für die Prüfung der Seilbahn-Idee votiert hatten – über Geschmack lässt sich nicht streiten, aber das hatte schon was von „Pranger“…

„Das ist alles nur rückwärtsgewandt“, rumorte es schließlich aus dem Publikum: „Können wir mal hören, was sie für die Zukunft vorhaben!“ Das tat Ralf Geisendörfer dann zum Schluss seines „zu langen Vortrages“: Den Ankauf des Bahn-Grundstückes für die Talstation am Hauptbahnhof benannte er als ein „K.o.-Argument“ – „und dann sind wir noch nicht bei unseren Rechtsanwälten“, fügte er (drohend) hinzu. Was das bedeuten könnte, machte Nahverkehrsexperte Professor Dr. Joachim Fiedler deutlich: Durch Einsprüche würde das Planfeststellungsverfahren leicht auf zehn Jahre verzögert, das Fazit daher von Ralf Geisendörfer: Man solle sich die Planungskosten für die Seilbahn doch besser für anderes sparen, so für eine Sporthalle in Cronenberg.

Seilbahn als Prestige-Objekt und Kritik als „Minuten-Zählerei“

„Die Politiker hören nicht auf die Bürger“, zeigte sich indessen ein Teilnehmer überzeugt, dass die Seilbahn dennoch gebaut werde; „heute Abend ist mir klar geworden, warum viele politikverdrossen sind“, meinte eine andere Stimme. Aber auch Thomas Hahnel-Müller und Axel Sindram von der Initiative „Pro Seilbahn“ meldeten sich zu Wort – mutig, denn sie ernteten so viel Gegenwind aus dem Publikum, dass Marc Gennat zur Fairness ermahnen musste.

„Nennen Sie doch nur einen vernünftigen Grund dafür“, wurden die Seilbahn-Befürworter in der aufgeheizten Diskussion aufgefordert: Als Thomas Hahnel-Müller, seines Zeichens Cronenberger CDU-Ratsherr, darauf die Seilbahn als eine Chance und als Attraktivitätssteigerung für Wuppertal bezeichnete, erntete er Gelächter und Widerspruch. Dass Hahnel-Müller zwar die ÖPNV-Auswirkungen als nachteilig für Cronenberg bewertete und daher Nachbesserungen forderte, ihm aber ansonsten nichts einfiel, drängte den Eindruck auf: Sollte die Seilbahn eher als Prestige-Objekt und weniger als ein Nahverkehrsmittel gedacht sein?

Einen anderen Eindruck des Abends formulierte Seilbahn-Befürworter Axel Sindram: Er attestierte den Gegnern „wissenschaftliche Minuten-Zählerei“: „Sie sind nicht an wirklichem Nahverkehr interessiert“, warf er den Kritikern vor, „sondern Sie wollen nur die Seilbahn verhindern“. Diese Einschätzung der Info-Veranstaltung aber vermochte kaum zu überraschen…