17.01.2019, 16.18 Uhr   |   Meinhard Koke   |   Artikel drucken   |   Instapaper   |   Kommentare

Anneliese Füssel: Die „Mutter vom Mastweg“ sagt „Tschüss“

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Anneliese Füssel vor dem DRK-Kinder- und Jugendzentrum Mastweg, welches sie fast vierzig Jahre lang leitete. -Foto: Meinhard Koke

Mastweg. Sie hat den damaligen Jugendbus am Bahnhof Cronenberg und das daraus entstandene Jugendhaus mit auf den Weg gebracht, sie leitete die frühere Stadtteilkonferenz und engagierte sich viele, viele Jahre im nachfolgenden Runden Tisch des Stadtteils, im Jugendring oder auch als sachkundige Bürgerin im Jugendhilfeausschuss, vor allem aber leitete sie fast vierzig Jahre lang das DRK-Kinder- und Jugendzentrum Mastweg – Anneliese Füssel (64) ist eine Institution der Kinder- und Jugendarbeit Cronenbergs.

Mit Generationen von Kindern und Jugendlichen vom Mastweg, der ebenso geprägt ist aus beschaulichen Einfamilien- und Reihenhäusern wie den größten Hochhausblöcken des Stadtteils, hat Anneliese Füssel gespielt, gebastelt, gebacken und geplauscht, nun sagt sie „Tschüss“: Zum 1. Februar geht die „Mutter vom Mastweg“ in den Ruhestand – nach 38 Jahren als Leiterin des DRK-Zentrums.

Nachdem die Wohnblöcke am sogenannten „Halbmond“ aus dem Boden gestampft worden waren, begann hier 1973 die DRK-Arbeit. Ende der 1970er erhielt die Quartiersarbeit in Kooperation mit der Stadt eigene feste Wände, 1981 stieß dann Anneliese Füssel hinzu. Die Diplom-Sozialpädagogin war durch eine Anzeige auf die freie Leiterstelle aufmerksam geworden. Von „Jugendheim“ war darin die Rede, insofern war Füssel überrascht, dass es bei der freien Stelle vielmehr um offene Kinder- und Jugendarbeit ging.

„Das ging hier manchmal ziemlich schnell zur Sache…“

Im Vergleich zu heute war die Arbeit „überschaubar“, blickt Anneliese Füssel zurück. Und zwar nicht nur, weil von den heute 240 Quadratmetern erst 160 zur Verfügung standen. Auch die Ausrichtung war eine andere: Neben dem Seniorenclub gab es einen „Kinderpark“ – da es an Kindergartenplätzen (schon damals) mangelte, es längere Betreuungszeiten gar nicht gab, waren junge Mastweg-Eltern dankbar dafür, dass das DRK-Zentrum dreimal die Woche eine Kinderbetreuung anbot.

Und es gab auch einen „Jugendclub“, der vom „reiferen“ Mastweg-Nachwuchs bis 25 Jahre aufgesucht wurde: Freitags steuerten sie mitunter direkt nach der Arbeit das DRK-Zentrum an, um die Wochenend-Planungen einzustielen, weiß Anneliese Füssel noch. Im „Jugendclub“ wurde dann „vorgeglüht“, wie man heute sagen würde – natürlich ohne Alkohol! Auch ohne „Promille“ kam es aber mitunter sogar zu handfesten Auseinandersetzungen im Quartier.

Einmal, erinnert sich die Hahnerbergerin, habe man sogar die Einrichtung einfach zugemacht, als eine „Gang“ ihren „Besuch“ angekündigt hatte, um alles kurz- und kleinzuschlagen: „Da sind wir zum Bowling-Spielen“, als die Randale-Gang hinterher kam, ließ der Besitzer sie durch die Hintertür raus: „Das war anfangs ein recht großes Gewaltpotenzial hier, da ging es ziemlich schnell zur Sache“, weiß Anneliese Füssel – früher war also nicht alles besser…

„Mensch-ärgere-dich-nicht“ und Mittagessen-Angebot

„Das hat sich völlig verändert“, berichtet die Sozialpädagogin, zumal: Die ältesten Besucher des Zentrums sind heute höchstens 16 Jahre alt, „vorgeglüht“ wird längst woanders: „Wenn wir auch heute noch freitags bis 22 Uhr geöffnet hätten, würde niemand kommen…“ Anders ist auch die Struktur am Mastweg: Als sie anfing, waren hier vor allem deutsche Bewohner sowie viele italienisch- oder türkischstämmige Menschen zu Hause. Heute ist die Siedlung ein „Multikulti-Quartier“ mit Bewohnern etwa 40 verschiedener Nationalitäten, so ergab vor ein paar Jahren eine Erhebung.

Anders sind auch die Freizeitgewohnheiten und damit die Angebote des DRK-Zentrums: Einst tippte sie die Programme noch mit der Schreibmaschine, schmunzelt Anneliese Füssel, heute geht auch in der Einrichtung nichts mehr ohne Computer, stehen hier ebenso ein Computer-Raum wie Wii-Konsolen zum Spielen zur Verfügung. „Aber es wird auch noch ,Mensch ärgere dich nicht‘ gespielt“, betont die scheidende DRK-Leiterin, dass die virtuelle Welt im DRK-Zentrum limitiert wird – Fadenspiele, Backen und Kochen oder auch Gärtnern stehen am Mastweg 29 hoch im Kurs. Und dank der Spenden der Cronenberger Werkzeugkiste gibt es zudem ein Mittagessen-Angebot für Kinder, bei denen keine warme Mahlzeit auf dem Tisch steht…

Trotz der vielen Veränderungen, „schön war’s“, blickt Anneliese Füssel auf ihre fast vier Jahrzehnte am Mastweg zurück, sie habe es nie bereut, ihr fast gesamtes Arbeitsleben im DRK-Zentrum absolviert zu haben: „Es ist ja heutzutage fast ein Privileg, eine Arbeit zu haben, die zugleich Spaß macht.“ Dennoch sagt Anneliese Füssel auch mit einem lachenden Auge „Tschüss“: Dass sie sich nicht mehr derart mit Bürokratie „herumschlagen“ müsse, die mittlerweile fast 80 Prozent ihrer Arbeitszeit in Anspruch nehme („Das hat kaum noch was mit praktischer Arbeit zu tun“), das wird die Diplom-Sozialpädagogin nicht vermissen.

Zumal es – neben mehr Zeit für den heimischen Garten, fürs Wandern und Töpfern oder auch mehr Kultur – im Un-Ruhestand einen Traum zu erfüllen gilt: Mal wieder auf eine Motorrad-Tour mit dem Ehemann gehen, das wäre was für die „Mutter vom Mastweg“…

Zwei Abschiedsfeiern am Mastweg 29

Von den Kindern, Eltern und Ehemaligen sowie dem Team des DRK-Zentrums wird Anneliese Füssel am 25. Januar verabschiedet. Die offizielle Feierlichkeit mit Ehrengästen & Co. wird am 30. Januar 2018 am Mastweg 29 sein.