01.02.2019, 19.22 Uhr   |   Meinhard Koke   |   Artikel drucken   |   Instapaper   |   Kommentare

Kabarett-„Talfahrt 2018“: Wuppertaler ist, wer trotzdem lacht…!

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Das Wuppertaler „Talfahrt“-Trio mit Ulrich Rasch am Klavier sowie Jens Neutag und Jürgen H. Scheugenpflug (v.l.) an den satirischen Seziermessern begeisterte einmal mehr im Knipex-Forum. -Foto: Meinhard Koke

Draußen rieselte leise der Schnee, im Forum der Firma Knipex hagelte es Pointen: Das Kabarett-Programm „Talfahrt“ machte auch zum Zehnjährigen Station an der Oberkamper Straße – wie beim ersten Halt am Montag zuvor präsentierte sich auch das zweite Gastspiel von Jens Neutag, Jürgen H. Scheugenpflug und Ulrich Rasch am 22. Januar 2019 restlos ausverkauft.

Das „Dreigestirn“ des Wuppertal-Kabaretts ist in den zehn Jahren etwas gealtert, Ulrich Rasch haut nun mit Gleitsichtbrille in die Tasten. Bei ihrer „Mission Attacke“ haben die Herren aber nichts an Schärfe eingebüßt. Beherzt nahm das Trio die großen und kleinen Schlagzeilen 2018 aufs Korn. Wie gewohnt kümmerte sich Neu-Cronenberger Jens Neutag dabei um die „große Politik“, während der Südstädter Scheugenpflug die Wuppertaler Niederungen sezierte und so manches Schmäh-Lied anstimmte – der Ballermann-Stimmungsmacher „Senegal, illegal – scheiß egal, Wuppertal“ avancierte dabei zum „Talfahrt“-Hit…

Voll im Visier: Fraktionschef Müller und Dezernent Meyer

Viel Futter für die fast klinische Hassliebe zur Wupper-Metropole lieferten zwei altbekannte Polit-Zielscheiben: Baudezernent Frank Meyer und CDU-Ratsfraktionschef Michael Müller. „Oh Gott!“ hieß es da spontan aus dem Knipex-Publikum – da gab’s ungeplant Szenenapplaus. Michael Müller, als Schausteller unter der Bezeichnung „Reichswürstchenführer“ schon „Inventar“ des „Talfahrt“-Jahrzehnts, bekam’s von „Scheuge“ richtig deftig weg. Da blieb manchen Zuschauer das Lachen im Halse stecken – „das ist unerträglich“, ließen die Kabarettisten denn auch immer wieder Müller dazu per Einspieler aus dem Rats-TV wettern – und der eine oder andere nahm sich vielleicht vor, aus Mitleid bei der nächsten „Tal-Fahrt“ am Müller-Imbiss am Neumarkt eine leckere Zwiebelwurst mehr zu essen…

Apropos Rats-TV: Scheuge & Neutag hatten 2018 offenbar fleißig die Übertragungen aus dem Ratssaal verfolgt: Genüsslich zeigten sie, wie Bürgermeisterin Ursula Schulz bei der Sitzungsleitung nach Orientierung suchte („Betreutes Regieren“), oder nahmen sie die Mimik von OB Andreas Mucke aufs Korn („Ich kenn’ das Krankheitsbild nicht – irgendwas mit Gibbons…“). Im Rat herrsche ja eine Stimmung wie an einer ADHS-Förderschule, „ich habe Netflix gekündigt“, ließ Jürgen H. Scheugenpflug wissen.

Platz vorm Barmer Bahnhof: „Hat Genscher nicht verdient“

Aber zur Vorbereitung ihres Jubiläumsprogrammes hatten die Heimatpfleger auf ihrer Hazienda in Waldbröl auch Zeitung gelesen. Dass Barmens Bezirksbürgermeister Hans-Herrmann Lücke leidenschaftlicher Sammler von Pfeffer- und Salzstreuern sei, fanden sie ebenso bemerkenswert wie die Lücke-Idee, den Rau-Platz zu überdachen: „Was denkt der wohl selbst darüber, wenn er nüchtern ist?“ Untermalt von spannungsgeladenen Rasch-Klängen wurde zudem ein Live-Ticker zur Entschärfung einer nicht vorhandenen Bombe an der Schlossbleiche zitiert, und auch die Nachricht vom Hans-Dietrich-Genscher-Platz ließen Scheuge & Co. nicht „unverdaut“: Vor dem Barmer Bahnhof zu landen, das habe der Mitarchitekt der deutschen Einheit schlicht nicht verdient!

Jens Neutag stach bei seinem Blick über den Tellerrand natürlich der Super-Sommer 2018 ins Auge: Wenn’s warm ist, sei das schön, aber wenn’s zu warm ist… – dann hat Mezut Özil Schuld. Zu den Schlagzeilen aus Chemnitz schlug Neutag die Nutzung von Radarmessgeräten vor – um damit zu klären, ob es sich dort um Hetzjagden von Ausländern oder doch nur ein unverbindliches Hinterherlaufen handelte…

„Talfahrt“-Vorschlag: BER-Ingenieur für Trump-Mauer

Auch zum Mauer-Streit in den USA hatte der Dörper Spaßmacher einen Vorschlag: Die Demokraten sollten Donald Trump einen Ingenieur des Berliner Hauptstadt-Flughafens BER als Mauerbauer „unterjubeln“. Dass Jens Spahn sich auf der Bewerber-Tour zum CDU-Vorsitz mit Annegret Kramp-Karrenbauer und Friedrich Merz wie in einer Rockband gefühlt habe, ließ Jens Neutag den Kopf schütteln: Was habe die Tour zu CDU-Regionalkonferenzen mit einer 56-Jährigen und einem 63-Jährigen mit Rock’n’Roll zu tun? Neutags Diagnose: Vielleicht habe Spahns Schaukel in Kindertagen zu nah an der Hauswand gestanden…

Die „Talfahrt“ führte natürlich auch bergab zum Weihnachtsmarkt, ans Starkregen-Hochwasser oder auf die FOC-Baustelle. Diesmal bekam aber auch Cronenberg einiges an Fett weg: Allein das Late-Night-Shopping im Dorf sorgte für Lacher im Publikum. Warum bei der Aktion der Dörper Einzelhändler einige Geschäfte eher schlossen? Für Jens Neutag keine Frage: Um 17.15 Uhr gebe es im Heim ja Abendessen…!

Vision für Cronenberg: „Mit Winzerfest schönsaufen…“

Auch auf die Frage, wie Cronenberg noch attraktiver werden könne, hatte der „Zugezogene“ eine Antwort: Ein Winzerfest wie die Ronsdorfer veranstalten und sich den Stadtteil schönsaufen, denn: Fluten wie das Tal gehe ja nicht, Cronenberg liege auf dem Berg… Jürgen H. Scheugenpflug wusste die Dörper Seele derweil mit seinem Seilbahn-Lied zu „streicheln“: „Komm fahr’ mit mir nach Küllenhahn, dem Müllduft hinterher“, hieß es darin zur Melodie des Nena-Hits „Leuchtturm“: „…den Wolfshahn hoch zum Paradies, wo die Müllverbrennung ist…“ – „so jetzt haben Sie ein Gefühl für unsere Seilbahn“, glaubte Scheugenpflug im Anschluss. Eine Zeitungsmeldung zu einem Wildschwein-Schaden im Dorf stieß bei „Scheuge“ auf wenig Verständnis: Wieso die Aufregung – „woanders heißt das Barmen live!“

Ohne Psychopharmaka: Talfahrt sorgt für Wuppertal-Zuversicht

Am „Talfahrt“-Abend im Knipex-Forum war die Stimmung jedenfalls top wie bei dem Stadtteilfest im Wuppertaler Osten – nicht ohne ihr Liebeslied „Wuppertal – je t’aime“ als Zugabe entließ das begeisterte Publikum daher „Ihre Heiterkeiten“ von der Bühne. Das Kabarett-Trio widerlegte sich bei seinen Cronenberg-Gastspielen selbst: Zu einem Zitat von Alt-Oberbürgermeisterin Ursula Kraus („Die Wuppertaler könnten zuversichtlicher sein“) hatten sie noch geunkt: „Dazu reichen alle Psychopharmaka nicht aus!“ Der „Talfahrt“-Abend 2019 entließ seine Zuhörer indes zuversichtlicher – zumindest in Vorfreude auf den „Talfahrt“-Abend 2020…

Das Talfahrt-2018-Finale findet am morgigen Samstag, 2. Februar (20 Uhr), in der HAKO Event Arena statt. Wer noch nicht hat oder nochmals will, erhält Restkarten noch an der Abendkasse in der Vohwinkeler Straße 115.