06.05.2019, 19.57 Uhr | Meinhard Koke | Artikel drucken | Instapaper | Kommentare
„Singin’ in the Rain“: Ein Hauch von Hollywood im TiC-Atelier
Hollywood ist das Synonym für Traumfabrik. Das neue Musical im TiC-Theater ist aber nicht nur ganz großes Musik-Theater, weil Hollywood der Schauplatz von „Singin‘ in the Rain“ ist. Die Inszenierung der beiden TiC-Chefs Ralf Budde und Stefan Hüfner ist auch wie ein Produkt aus einer Traumfabrik. „Das ist was“, zeigte sich jedenfalls ein Premierenbesucher von dem neuen TiC-Musical beeindruckt: „Das wird hier noch lange zu sehen sein!“
Hollywood im Jahre 1927: Lina Lamont und Don Lockwood sind gefeierte Stars der Traumfabrik. Ihr neuester Film wird bejubelt, sie sind Lieblinge der Klatschpresse und gelten als Traumpaar auf dem Sunset Boulevard. Doch im wahren Leben kann Don mit seiner eingebildet-dümmlichen Filmpartnerin gar nichts anfangen. Zudem lernt der Tonfilm laufen und stellt die Karrieren der beiden Stummfilm-Stars in Frage. Zumal: Ob der piepsig-schrillen Stimme von Lina wollte der Tonfilm nie erfunden werden…
Doch der Stummfilm steht vor der letzten Klappe und so entschließt sich „Monumental Pictures“, den neuen Lamont/Lockwood-Streifen als Tonfilm auf die Leinwand zu bringen. Und nicht nur das: Der Film soll unter dem Titel „Der tanzende Kavalier“ ein Musical werden. Nur: Lina kann schon nicht sprechen, singen aber erst recht nicht… Cosmo Brown, Produzent und Freund von Don, hat die zündende Idee: Das Sternchen Kathy Selden, die sich als Mitglied in einer Mädchen-Tanzgruppe verdingt, soll Lina synchronisieren.
„Singin’ in the Rain“: Bester US-Musical-Film aller Zeiten
Mit ihrer Hilfe hinter den Kulissen könnte das Traumpaar Lamont/ Lockwood den Gezeitensprung schaffen. Und Don, der sich in die reizende Kathy verliebt hat, möchte dem Torten-Girl zudem zur Karriere verhelfen. Allerdings: Lina ist alles andere als begeistert, dass Kathy zu ihrer Synchronstimme und zudem auch zur Partnerin von Don avanciert – die Diva droht damit, den Produzenten zu verklagen – aber: Kommt sie damit durch?
Mit „Singin‘ in the Rain“ treten Ralf Budde und Stefan Hüfner in große Fußstapfen: Das Film-Musical aus dem Jahr 1952 gilt als bester amerikanischer Musical-Film aller Zeiten, Hauptdarsteller Gene Kelly erhielt nicht zuletzt für seine Glanzrolle einen Ehren-Oscar und das von ihm gesungene Titellied „Singin’ in the Rain“ wurde auf Platz 3 in die Top-100 der besten US-Filmsongs gewählt.
Die beiden TiC-Chefs passen in die Fußstapfen: Die TiC-Inszenierung ist eine (weitere) Sternstunde des „Broadways Unterkirchen“. Tanz und Gesang, Kostüme und Maske, Melodien und Bühnenbild, Stimmen, Humor und Schauspiel – „Singin‘ in the Rain“ schöpft aus dem Vollen und das TiC-Ensemble geht in die Vollen! Und vor allem: Es kann auch aus dem Vollen schöpfen!
„Anti-Heldin“ ist der Star in einem Top-Ensemble
Denn was Florian Siegmund (Don), Annika Tahiri (Kathy), Karim Oubad (Cosmo), Hannah Dickel (Zelda), Pinar Kaye (Dora), Leonie Hackländer (Mary) und Leon Gleser (Roscoe) an schauspielerischen, gesanglichen und tänzerischen Leistungen abliefern, das ist durch die Bank allererste Sahne. „Singin‘ in the Rain“ wuchert geradezu mit einem (aber im besten Sinne) hollywoodesken Musical-Mix der Möglichkeiten – und das TiC-Ensemble spielt diese Möglichkeiten voll aus!
An der Seite des eleganten Florian Siegmund, der schauspielerisch, tänzerisch und – trotz kleiner stimmlicher Wackler – auch gesanglich zum Gene Kelly im TiC avanciert, und der liebreizenden Annika Tahiri, die sich singend und darstellerisch nicht nur in die Herzen von Don, sondern auch in die des Publikums spielt, ist Anastasiia Jungk der Star des Abends. Die Anti-Heldin des Musicals avanciert zum Publikumsliebling, wem ihre schöne Stimme aus bisherigen Auftritten vertraut ist, der traut seinen Ohren kaum.
i-Tüpfelchen: Witzige Stummfilm-Einspieler
Wie sie quakend und piepsig spricht – und vor allem auch singt, grandios! Und nein, sie nutzt die Szenenwechsel nicht, um eine Portion Helium „nachzuladen“, Anastasiia Jungk kann das auch so. Und sie trumpft nicht zuletzt gemeinsam mit Florian Siegmund auch schauspielerisch in den Stummfilm-Sequenzen, die sich Budde/Hüfner als witzige Einspieler ausgedacht haben, zum großen Vergnügen des Publikums voll auf – so wie Jean Hagen im Film-Vorbild hätte auch Anastasiia Jungk eine Oscar-Nominierung verdient!
Ob die Bühnenbilder von Jan Bauerdick und Benedikt Fiebig, die den roten Teppich beziehungsweise den Boulevard im Laternenschein quer durchs TiC-Atelier verlaufen lassen; ob Mariola Kopczynskis Kostüme und die Maske von Heike Kehrwisch, welche die Dasteller authentisch in die 1920er-Jahre beziehungsweise in die Stummfilmzeit „zurückbeamen“ oder ob die Choreografin von Nadja Görts, welche „die Puppen“ ganz im Zeichen von Gene Kelly so richtig schön tanzen lässt – noch so viele Pluspunkte dieser begeisternden TiC-Adaption des Erfolgsmusicals gälte es zu benennen.
Toller Gag: Schauspiel-Intendant erklärt den Tonfilm
Das sprengte indes den Rahmen, nicht vergessen werden darf aber der Kurz-Auftritt von Thomas Braus: Mit dem Einspieler, in dem sie den Intendanten des Wuppertaler Schauspiels den Tonfilm erklären lassen, haben Budde/Hüfner ihrer pointenreichen Inszenierung ein weiteres Sahnehäubchen verpasst – Kompliment an die Herren TiC-Geschäftsführer!
Wie das Publikum das alles fand, damit hielt es nach dem Schlussakkord nicht hinterm Berg: Stürmischer Applaus prasselte wie ein Starkregen-Ereignis auf die Darsteller ein. Daher unsere gesicherte Vorhersage für die nächsten Monate: Selbst wenn der Cronenberger Sommer top werden sollte, „Singin‘ in the Rain“ wird Trumpf sein!
Karten für das neue Musical gibt es unter Telefon (02 02) 47 22 11, im TiC-Büro an der Hauptstraße 3 und unter tic-theater.de – den Schirm können Sie getrost zu Hause lassen!